Jugendbuchtipps.de

Buchbesprechung: Jan Guillou "Evil. Das Böse"

Cover GuillouLesealter 14+(Hanser-Verlag 2005, 380 Seiten)

Seltsam – da schaute ich gerade nach, wann dieses Buch im Original erschienen ist, und dann steht da doch: 1981. „Evil“ ist also nicht gerade ein taufrisches Buch… Aber warum wurde das Buch erst so spät übersetzt? Wahrscheinlich liegt das daran, dass das Buch erst vor kurzem verfilmt wurde und der Film sogar für den ausländischen Oscar nominiert wurde… Vorher hatte sich wohl niemand für dieses Buch interessiert.
Der Name Jan Guillou lässt einen ja eher an einen französischen Roman denken, doch weit gefehlt. Jan Guillou ist schwedischer Journalist und Krimiautor und hat mit „Evil“ einen Jugendroman geschrieben.

Inhalt:

Erik lebt zu Hause in einer Art privater Hölle. Sein Vater schlägt ihn fast jeden Tag nach dem Abendessen – wenn er Glück hat, nur mit der Kleiderbürste, wenn es schlimm kommt, mit der Hundepeitsche aus Leder. Es ist eigentlich egal, wie Erik sich verhält, sein gewalttätiger Vater findet immer einen Grund, den großen Sohn zu verprügeln. Eriks kleiner Bruder dagegen wird geschont.
In der Schule dagegen läuft alles ganz anders. Dort ist Erik der Anführer einer Bande, die sich vor allem mit Gewalt und mit Verkäufen von geklauten Langspielplatten hervortut. Erik selbst hat es inzwischen geschafft, dass die anderen Bandenmitglieder die gewaltätigen Jobs übernehmen, wenn sich jemand gegen die Bande stellt – doch im Notfall langt er auch selbst ordentlich zu.
Doch eines Tages werden die Bandenmitglieder beim Plattenklauen erwischt und die Schulleitung, die den Vorfall untersucht, bekommt Wind von der Schreckensherrschaft der Bande und auch davon, dass Erik ihr Anführer ist. Erik muss schließlich die Schule verlassen – und das, obwohl er eigentlich ein sehr guter Schüler ist.
Völlig unerwartet kommt ihm in diesem Moment seine Mutter zu Hilfe. Indem sie ein wertvolles Bild, das der Familie gehört, verkauft und das Geld treuhändisch einem Anwalt übergibt, ermöglicht sie es Erik, dass dieser auf eine Privatschule geht. Noch am gleichen Tag, verlässt Erik, ohne dass sein Vater davon weiß, Stockholm und reist mit dem Zug ins Internat Stjärnsberg.
Auf den ersten Blick ist Stjärnsberg eine sehr fortschrittliche Schule, da die Lehrer die Schüler gut behandeln. Doch schon bald merkt Erik, dass das nur Fassade ist. Denn das pädagogische Konzept im Internat sieht vor, dass die Schüler sich selbst gegenseitig erziehen – und entsprechend werden die Mittelschüler, zu denen Erik gehört, von den äteren Gymnasiasten schikaniert. Die Mittelschüler bekommen von den älteren Schülern die unmöglichsten Aufträge, und wenn sie diese nicht ausführen, werden sie verprügelt und geschlagen. Die Lehrer schauen dabei, ohne einzugreifen, weg. Erik merkt schon bald, dass er vom Regen in die Traufe gekommen ist, nimmt sich jedoch fest vor, selbst nicht mehr Gewalt gegen andere auszuüben. Doch schon bald haben die Gymnasiasten es auf den Neuen abgesehen und für Erik beginnt eine schlimme Zeit…

Bewertung:

Was für ein Titel für eine Buch: „Evil. Das Böse“. Schon nach den ersten Seiten merkt man, dass der Titel nicht von ungefähr gewählt wurde. Denn was Erik zu Hause bei seinem Vater erlebt, ist mehr als Gewalt mit Schlägen, sein Vater benimmt sich, als würde er das Böse selbst verkörpern – so sinnlos ist all seine Gewalt gegen den Sohn. Es raubt einem beim Lesen schon den Atem, wenn man aus der Perspektive von Erik mitbekommt, wie sein Vater ihn immer wieder fast krankenhausreif prügelt und wie Erik damit umzugehen versucht. Nein, leichte Kost ist dieses Buch beileibe nicht. Ein wenig aufatmen kann man zunächst, als Erik ins Internat kommt – doch auch hier währt die Ruhe nicht allzu lang.
Und trotzdem: „Evil. Das Böse“ ist ein interessantes Buch, weil man so gnadenlos in die Köpfe eines Schlägers und Geschlagenen hineinschauen kann. Eriks Gedanken über das Schlagen, über das Geschlagen werden, über die Gründe, warum manche Menschen anderen Gewalt antun, haben mich als Leser einerseits oft verstört, andererseits aber selbst viel über das Thema Gewalt nachdenken lassen. Letztendlich werden das ganze Buch über ja höchst ethische Fragen gestellt: Wo kommt das Böse im Menschen eigentlich her? Sind es die Umstände, die einen Menschen gewalttätig werden lassen? Oder ist es Veranlagung? Jan Guillou hält sich in seinem Buch mit Antworten auf diese Fragen zurück – und das ist gut so. Denn der Leser soll sich selbst eine Meinung bilden…

Fazit:

5 von 5 Punkten. Jan Guillou ist mit „Evil. Das Böse“ ein erschreckendes, aber auch lesenswertes Buch über Gewalt gelungen, das zum Nachdenken und zu Diskussionen anregt. Die Gnadenlosigkeit, mit der wir Leser auf das Thema gestoßen werden, ist beispiellos. „Evil“ ist sicher nichts für zart besaitete Gemüter und entsprechend sollte man mindestens 14 Jahre alt sein, wenn man das Buch liest. Aber in einer Gesellschaft, in der Gewalt eben auch vorkommt (wenn auch nicht mehr so schlimm, wie es im Buch, das im Übrigen Ende der 50er Jahre spielt), sollte man sich auch mit dem Thema Gewalt auseinander setzen und nicht die Augen vor dem Thema verschließen.

blau.giflila.gifrot.gifgelb.gifgruen.gif

(Ulf Cronenberg, 27.12.2005)

Weitere Meinungen:

Dieser erschütternde Roman mit autobiografischen Zügen dreht sich um die Erkenntnis „Gewalt erzeugt Gewalt“. Er bringt den Leser unweigerlich zum Nachdenken und zu dem Entschluss: So darf es nicht sein, so darf ein Mensch nicht werden. Das Buch kann und muss also als Warnung gelesen werden, und zwar hoffentlich von möglichst vielen Jugendlichen (in Schweden ist es bereits seit über 20 Jahren ein Bestseller und Klassenlektüre!). Allerdings hätte der Roman deutlich kürzer sein können. Denn im Grunde dreht sich doch alles, besonders die allzu ausufernden minutiösen Schilderungen der Grausamkeiten, immer wieder im (Teufels-) Kreis. Interessant und lohnenswert gerade für den Unterricht könnte ich mir auch einen Vergleich zwischen dem Buch und der für den Oscar nominierten Verfilmung von 2003 vorstellen.

(Iris Henninger)

Kommentare (6)

  1. Pingback: Jugendbuchtipps.de» Blogarchiv » Buchbesprechung: Anthony McGowan “Der Tag, an dem ich starb”

  2. Omid

    Was kann man aus dem Buch lernen über Gewalt, und was hat es mit Gewalt zu tun?

    Antworten
    1. Ulf Cronenberg (Beitrag Autor)

      Gute Frage, aber ich kann sie dir viele Jahre nach dem Lesen leider nicht mehr beantworten.

      Antworten
    2. Melissa

      Auf welcher Seite im Buch steht, wie er mit Nachnamen heißt? Ich lese das Buch schon zum dritten Mal und hab es noch nicht entdeckt … (also der Nachname von Erik)

      Antworten
      1. Ulf Cronenberg (Beitrag Autor)

        Ich kann dir leider nicht helfen – viel zu lange her, dass ich es gelesen habe. Vielleicht hat er im Buch ja auch gar keinen Nachnamen? Könnte das nicht auch sein?

        Antworten
  3. Ritterin

    Man kann aus dem Buch lernen, dass Gewalt auch oft einen Sinn hat und man nicht gleich dumm ist, wenn man Gewalt anwendet.

    Antworten

Schreibe einen Kommentar zu Omid Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert