(Sauerländer-Verlag 2003, 173 Seiten)
„Eine Schublade voller Briefe“ ist nicht unbedingt ein neues Buch – aber als ich neulich im Internet beim Sauerländer-Verlag nach Neuerscheinungen im Jugendbuchbereich geguckt habe, bin ich über dieses Buch gestolpert und habe mir, da die Beschreibung interessant klang, vorgenommen, es zu lesen.
Ich glaube, es ist das erste japanische Jugendbuch, das ich hier bei Jugendbuchtipps.de bespreche – zumindest fällt mir auf Anhieb kein anderes ein.
Wer übrigens ein bisschen was über die japanische Autorin erfahren will, kann hier beim Sauerländer-Verlag etwas nachlesen. Aber viel steht da nicht…
Interessant ist übrigens, dass das Buch aus dem Englischen und nicht aus dem Japanischen übersetzt wurde – eine Übersetzung der Übersetzung sozusagen, bei der hoffentlich nicht zu viel auf der Strecke geblieben ist.
Inhalt:
Chiakis Vater starb, als sie 6 Jahre alt war, bei einem tragischen Autounfall. Mit ihrer Mutter muss sie deswegen umziehen, weil das alte Haus für Chiaki und ihre Mutter zu teuer ist. Beim Herumstreunen kommen die beiden an ein Haus, das mit der großen Pappel auf dem Grundstück etwas ganz Besonderes ist. Und zufällig ist genau in diesem Haus eine Wohnung frei, die Chiaki und ihre Mutter kurz darauf beziehen.
Die Vermieterin, Frau Yanagi, die selbst im Erdgeschoss des Hauses wohnt, ist eine merkmürdige ältere Dame, vor der Chiaki zunächst etwas Angst hat. Doch als Chiaki längere Zeit an einem rätselhaften Fieber erkrankt und ihre Mutter nicht so lange von der Arbeit zu Hause bleiben kann, bietet Frau Yanagi an, dass Chiaki tagsüber bei ihr auf dem Futon liegen könne. Und so gewöhnt sich Chiaki, die in die erste Klasse geht, nach und nach an die schrullige alte Frau.
Chiakis Fieber geht recht lange nicht weg – man kann ahnen, dass es mit dem Tod ihres Vaters zusammenhängt. Es wird erst besser, als Frau Yanagi Chiaki anbietet, dass diese ihrem toten Vater Briefe schreiben könne, die die Vermieterin auf geheimnisvollem Weg (ich will hier nicht alles verraten) ihrem Vater übergeben will. Chiaki weiß zunächst nicht, was sie ihrem Vater schreiben soll, doch mit der Zeit werden die Briefe immer länger…
Bewertung:
Kazumi Yumotos Jugendbuch „Eine Schublade voller Briefe“ ist ein ganz stilles Buch, in dem nicht allzu viel passiert. Die äußere Handlung lässt sich schnell und kurz zusammenfassen, es geht eher darum, was Chiaki und die anderen Personen in dem Buch fühlen und was in ihnen vorgeht. Die japanische Autorin beschreibt sehr einfühlsam, wie die 6-jährige Chiaki den Tod ihres Vaters verarbeitet und wie sie ihre Umwelt erlebt.
Das Besondere an dem Buch ist der leise, fast lyrische Schreibstil, in dem das Buch abgefasst ist. Wie auf Zehenspitzen nähert sich die Autorin dem schwierigen Thema. Dass am Ende alles eine andere Wendung nimmt, als man eigentlich gedacht hat, gibt dem Buch eine größere Bedeutung als man am Anfang ahnt und lässt die Geschichte noch einmal in einem ganz anderen Licht erscheinen.
Wer im Übrigen meint, dass ein Buch über ein 6-jähriges Mädchen kein typisches Jugendbuch ist, hat sich insofern getäuscht, als Chiaki ihre Kindheitserlebnisse aus der Sicht einer jungen Erwachsenen erzählt, die sich fragt, was ihre Kindheit mit ihrem jetzigen Leben zu tun hat.
Fazit:
5 von 5 Punkten. Kazumi Yumotos Buch war genau die richtige Lektüre für die Nachweihnachtszeit. Gemütlich saß ich auf dem Sofa bzw. lag auf einem flauschigen Teppich und habe dieses stille Buch gelesen, während es draußen schneite und langsam dunkel wurde. Besser können Buchinhalt und äußere Bedingungen eigentlich nicht zusammenpassen.
„Eine Schublade voller Briefe“ ist sicherlich kein Buch, das man allen Jugendlichen empfehlen kann – diese eher handlungsarme Geschichte ist nur etwas für anspruchsvolle Leser, denen etwas an literarischer Sprache liegt. Aber diese kommen voll auf ihre Kosten.
Chiakis Geschichte ist damit wohl eher ein Buch für Mädchen als für Jungen. (ab 14 Jahren)
(Ulf Cronenberg, 28.12.2005)
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Das ist ne super Beschreibung. Danke, Sie haben mir eine gute Note verschafft.
Sorry! Dieses Buch war stinklangweilig.
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