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Die Preisträger des Deutschen Jugendliteraturpreises 2025 – ein persönlicher Bericht von der Preisverleihung

Plakat Deutscher Jugendliteraturpreis 2025

Kaum zu glauben: 11 Mal saß ich bereits – wie gestern, am Freitag, den 17.10.2025 – im Congress Center der Frankfurter Messe, um der Preisverleihung des Deutschen Jugendliteraturpreises zu folgen; und es war, ehrlich gesagt, manchmal eine Achterbahnfahrt: Es gab Preisbücher, deren Auswahl ich nicht verstand; es gab blasse Vertreter aus der Politik auf der Bühne und lahme Grußworte. Aber es blitze ebenso immer wieder etwas auf, das man bewundern konnte. Schriftsteller/innen, Übersetzer/innen und Illustrator/inn/en, die etwas zu sagen hatten. Oder eine Begrüßung wie die von Ralf Schweikart im Jahr 2023, die es in sich hatte.

Spannend ist jedes Mal auch kurz vor 17.30 Uhr, wenn man den Saal des Congress Centers betritt und einen ersten Blick auf die Bühne wirft. Nach mehreren Jahren mit einer Dekoration aus unterschiedlich ausgeschnittenen Quadern, die mich immer an Emmentaler erinnert haben, gab es diesmal eine neues Design: Da standen unterschiedlich aus- und zugeschnittene Bühnenelemente, die beleuchtet waren und in denen vereinzelt LED-Röhren hingen. Bühne und Saal waren beim Reinkommen in blaues Licht getaucht, einer Farbe, die später ab und zu durch Orange, Rot und Grün abgelöst wurde. Vivian Perkovic, in diesem Jahr mit etwas kürzerem Haar, hatte ihre Garderobe gut auf das Einstimmungslicht abgestimmt: blaue Hose, weiß-blau gemusterte Bluse. Sonstige Modetrends auf der Bühne (wie früher zum Beispiel mal rote Schuhe) waren dieses Mal Fehlanzeige.

Verleihung Deutscher Jugendliteraturpreis 2025 – Foto: Ulf Cronenberg

Moderatorin Vivian Perkovic stellt die Literanauten-Kinder vor … || Foto: Ulf Cronenberg, Würzburg

Begrüßungen und gut gemeinte Worte

Nach ein paar nachdenklichen Begrüßungsworten durch die Moderatorin – Vivian Perkovic war wie immer gut vorbereitet – sowie der Vorstellung der drei assistierenden Literanauten-Kinder konnte es losgehen. Es trat der Vorsitzende des Arbeitskreises Jugendliteratur, Prof. Dr. Jan Standke, ans Pult. Und er läutete in seiner Rede das Hauptthema des Abends ein: Leseförderung müsse alle Kinder und Jugendlichen erreichen. Es gäbe viele Lesebegeisterte, die man auf der Buchmesse antreffe, aber eben nach wie vor viele Kinder, die die Grundschule verließen, ohne sicher lesen zu können. Der AKJ-Vorsitzende forderte eine nationale Strategie zur Förderung der Lese- und Medienkompetenz von der Kita bis zu Ausbildung oder Studium. Der Ball, den er auswarf, war natürlich auch an die Politik adressiert – die neue Familienministerin Karin Prien spielte den Ball später zurück.

Und dann gab es eine Wohltat. Statt der üblichen, meist wenig begeisternden Grußworte – auf der Bühne standen Karin Schmidt-Friderichs, Vorsteherin des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, sowie als Vertreter der Frankfurter Buchmesse deren Sprecher Torsten Casimir – wurden die Genannten von Vivian Perkovic interviewt. Gut so! Karin Schmidt-Friderichs bekannte am Ende ihrer sechsjährigen Amtszeit, dass die Jugendliteraturpreisverleihung für sie eine besonders wichtige Veranstaltung sei, weil es hier um die Zukunft des Lesens ginge. Wie schon bei Jan Standke betonten die beiden Interviewten außerdem die Bedeutung von Lesen und Büchern für Meinungsfreiheit, Meinungsbildung und die Bewahrung der Demokratie.

Und dann kam die Ministerin an die Reihe. Lisa Paus, die letzte Familienministerin, die die letzten beiden Jahr auf der Bühne stand, ist Geschichte. Gespannt war ich auf die neue Bundesministerin für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend, von der ich bisher – ehrlich gesagt – wenig mitbekommen hatte. Mit ihrer aufgeweckten Art trat Karin Prien jedenfalls sehr gewinnend auf, es machte den Eindruck, dass sie sich mit den nominierten Büchern beschäftigt hatte; sie bekundete offenherzig, selbst gespannt zu sein, wer prämiert werde, und verglich die Preisverleihung des Jugendliteraturpreises mit der Oscar-Verleihung, wo ebenfalls niemand vorab wisse, wer die Preise bekomme.

In ihrem Grußwort als Preisstifterin griff Karin Prien dann den Ball des AKJ-Vorsitzenden auf: Auch die Ministerin möchte alle Kinder und Jugendlichen im Lesen fördern und stellte in Aussicht, sich darum kümmern zu wollen. Konkrete Konzepte oder gar Vorhaben wurden nicht genannt – aber verstehen wir es als wohlwollende Absichtsbekundung und vertrauen darauf, dass den Aussagen Taten folgen werden – angesichts des Bildungsförderalismus in Deutschland sowieso alles andere als einfach.

Verleihung Deutscher Jugendliteraturpreis 2025 – Foto: Ulf Cronenberg

Auf geht’s … und vor der Prämierung werden erst alle nominierten Bücher (hier die Bilderbücher) vorgestellt. || Foto: Ulf Cronenberg, Würzburg

Die Preisträger/innen

Und dann ging es los mit der eigentlichen Preisverleihung. Wie immer wurde mit dem Bilderbuch begonnen. Als Preisbuch ausgewählt wurde Jens Rasmussens „Regentage“ (erschienen im Peter-Hammer-Verlag), ein Bilderbuch ganz ohne Text, in dem zwei Kinder der Regentag-Langeweile entkommen, indem sie ihrer Fantasie freien Lauf lassen. Wie immer plauderten Vivian Perkovic und die Ministerin nach der Überreichung der Momo-Statue kurz mit den Prämierten. Jens Rasmussen erzählte, dass das Buch ursprünglich auch einen Text hatte, er dann aber irgendwann gemerkt habe, dass das Buch ohne Text besser funktioniere.

Bei den sechs nominierten Kinderbüchern standen immerhin zwei zur Auswahl, die ich kannte und auch besprochen habe. Ohne die anderen vier gelesen zu haben, hätte ich einiges darauf gewettet, dass Karen Köhlers „Himmelwärts“ (Buchbesprechung) aus dem Hanser-Verlag ausgezeichnet wird. Und so kam es auch. Die Geschichte über zwei Mädchen, die mit einem selbst gebauten Funkgerät versuchen, Tonis tote Mutter im Himmel zu kontaktieren, hat einfach alles, was gute Kinderbücher ausmacht. Mit Illustratorin Bea Davies stand Karen Köhler auf der Bühne, und als die Ministerin fragte, ob es Absicht sei, dass die wichtigsten Hauptpersonen starke Frauen seien, gab die Autorin zu erkennen, dass ihr das ein Herzensanliegen sei (ja, eben eine Astronautin, kein Astronaut!). Bea Davies plauderte kurz darauf aus, dass die erste Version ihrer Illustrationen für „Himmelwärts“ nicht funktioniert hatte, beim Verlag zu einer Krisensitzung geführt hätte, so dass sie noch mal ein neues Konzept erstellen und alles überarbeiten musste. Interessant, wenn so aus dem Nähkästchen geplaudert wird …

Verleihung Deutscher Jugendliteraturpreis 2025 – Foto: Ulf Cronenberg

Karen Köhler, Bea Davies und die Ministerin mit den Momo-Statuen beim Posieren für die Fotografen … || Foto: Ulf Cronenberg, Würzburg

Obwohl das Jugendbuch meine Leseheimat ist: Es gab schon Jahre, da kannte ich keines oder nur eines der nominierten Bücher. Dieses Mal waren es immerhin drei, darunter das ausgezeichnete Buch: Sarah Jägers „Und die Welt, sie fliegt hoch“ (Buchbesprechung) mit Illustrationen von Sarah Maus, in dem raffiniert dargestellt zwei sehr verschiedene Jugendliche, ein Mädchen und ein Junge, beim Chatten umeinander kreisen. Sarah Jäger hüpfte, fast stolperte sie auf die Bühne, so überwältigt war sie, dass ihr Buch ausgewählt worden war, und meinte mehrmals, dass sie jetzt keine intelligenten Antworten auf die intelligenten Fragen von Vivian Perkovic geben könne. Morgen könne sie aber sicher wieder Schlaueres über ihr Buch sagen. Machte aber nichts, denn die Illustratorin erläuterte treffsicher, wie es zu den Illustrationsmotiven (Vogel und Astronaut) gekommen war.

Auch dieses Jahr wurden die nominierten Bücher wieder vor der Preisbekanntgabe per Video mit animierten Buchseiten und sonorer Sprecherstimme vorgestellt – immerhin ein kleines Bisschen weniger vor Fachjargon triefend als letztes Jahr (wo es wirklich übertrieben wurde). Und als das Sachbuch „Läuse – Handbuch zum Überleben auf Menschen“ von Berta Páramo (Übersetzung: Stefanie Kuballa-Cottone) vorgestellt wurde, wurde im Publikum herzlich gelacht. Da passte, dass das Buch dann auch den Preis davontrug. „Läuse“ lebt davon, dass man viel über die begrenzt beliebten Kleininsekten erfährt, aber nicht aus der Perspektive von Menschen, sondern aus der der Läuse. Statt einer Anleitung, wie Menschen Läuse wieder loswerden, schildert das Buch zum Beispiel, wie Läuse sich erfolgreich auf Kopfhaut und Haaren vermehren können. Eindeutig eine besondere Idee. Darauf angesprochen, wie sie auf das Thema gekommen sei, erzählte die spanische Autorin, dass ihr Verleger sie zu diesem Buch animiert hätte, weil er als Kind wie auch seine eigenen Kinder oft an Kopfläusen gelitten hätte. Und da Vivian Perkovic schon so im Englischen drin war, wurde die deutsche Übersetzerin gleich auch noch auf Englisch interviewt … Kann man machen.

Anschließend begründete die Vorsitzende der Kritikerjury, Professorin Dr. Iris Kruse, noch die Auswahl der Preisbücher. Allerdings wurde dabei ganz gehörig in die Kiste der Fachsprache gegriffen: Soll man Sätze wie „Es ist eine Selbstbezüglichkeit in einer gemeinschaftlich-gesellschaftlichen Gerichtetheit …“ bewundern oder sich dann doch eher fragen, ob jemand diesen Satz im Publikum wirklich verstehen und nachvollziehen kann? Ich bin mir da jedenfalls nicht so sicher und würde mir eine anschlussfähigere Sprache wünschen.

Verleihung Deutscher Jugendliteraturpreis 2025 – Foto: Ulf Cronenberg

Die Jugendjury stellt ihre nominierten Bücher vor … || Foto: Ulf Cronenberg, Würzburg

Die Jugendjury präsentierte dann – wie immer szenisch erfrischend – ihre sechs nominierten Bücher, diesmal mit braunen Pappsitz-Kisten und meist in oranges Licht getaucht. Ausgezeichnet wurde Dirk Reinhardt für „No Alternative“ (Buchbesprechung), erschienen im Gerstenberg-Verlag, einem sehr engagierten Jugendroman über eine Gruppe Jugendlicher, die nicht vor Gewalt gegen Sachen zurückschreckt, um auf die Klimakrise aufmerksam zu machen. Im Interview verriet Dirk Reinhardt, der schon immer gerne politische Themen aufgegriffen hat, dass sein nächstes Buch Jugendliche, die in Armut in Deutschland leben und die 20 % der Jugendlichen ausmachen, thematisieren wird. Man darf gespannt sein. Außerdem berichtete Dirk Reinhardt, dass er für die Recherche von „No Alternative“ viele Klimaaktivisten gesprochen habe, aber niemanden von ihnen als radikal einstufen würde – ein Vorwurf, der ja immer wieder geäußert wird, wenn z. B. der derzeitige Innenminister Dobrindt (damals noch CSU Landeschef) im Jahr 2022 vor einer Klima-RAF warnte.

Verleihung Deutscher Jugendliteraturpreis 2025 – Foto: Ulf Cronenberg

Von der Jugendjury prämiert: Dirk Reinhardt || Foto: Ulf Cronenberg, Würzburg

Die Sonderpreise Illustration

Die Veranstaltung ging dem Ende zu, und abschließend wurden die Sonderpreise vergeben, in diesem Jahr für den Bereich Illustration. Den Sonderpreis für Neue Talente hat im Jahr 2025 Maren Amini für die Graphic Novel „Ahmadjan und der Wiedehopf“ (Carlsen-Verlag) bekommen, in der sie mit ihrem Vater zusammen dessen Lebensgeschichte in Afghanistan erzählt. Wie die Sonderjury-Vorsitzende Christine Hauke-Dreesen hervorhob, ist an dem Buch besonders beeindruckend, wie die Illustratorin viele unterschiedliche Motive und Stile zusammenbringt. In das Buch eingearbeitet sind, wie die Illustratorin auf der Bühne berichtete, auch Vögel-Zeichnungen ihres Vaters, die dieser nach der Machtübernahme der Taliban zu zeichnen begonnen hat.

Schließlich wurde der Illustrations-Preis für das Lebenswerk vergeben, und die Preisträgerin in diesem Jahr heißt Antje Damm, eine Zeichnerin, die für einen Lebenswerk-Preis noch recht jung ist. Wie Antje Damm in der Dankesrede erzählte, ist sie Autodidaktin, und am Ende ihrer Rede stand ein beherztes Plädoyer: Wenn sie König oder Königin wäre, würde sie alle Kindergärten und Schulen mit riesigen Bibliotheken ausstatten, damit nicht nur die Privilegierten Zugang zu Büchern hätten. Damit war an dem Abend letztendlich auch der Kreis geschlossen worden, weil Antje Damms Wunsch nahtlos an die Forderungen und Anliegen von Jan Standke und Karin Prien anschloss.

Verleihung Deutscher Jugendliteraturpreis 2025 – Foto: Ulf Cronenberg

Antje Damm bei ihrer Dankesrede || Foto: Ulf Cronenberg, Würzburg

Ein kleines Fazit

Was bleibt? Runder als die letzten Jahre habe ich die Veranstaltung erlebt – und ein wesentlicher Punkt war, dass man nicht vier Grußworten hintereinander lauschen musste. Gefallen hat mir auch, dass einmal mehr politisch engagierte Bücher ausgezeichnet worden waren. Und ja, es ist erfreulich, wenn in Redebeiträgen auf die Bedeutung des Lesens als Basis für politische Teilhabe und Demokratie hingewiesen wird, wenn Programme zur Förderung der Lese- und Medienkompetenz gefordert werden, wenn da sogar die Ministerin mit einstimmt. Doch Lippenbekenntnisse gibt es leider viele, und mir fehlte der ehrliche Hinweis, dass das alles Geld kosten wird, viel Geld – das sich aber natürlich deutlich schlechter in unsere Zukunft investieren lässt. Ich befürchte trotzdem, dass sich hier nicht so viel ändern wird – auch, weil digitale Medien für viele Kinder und Jugendliche leider deutlich attraktiver sind als Bücher. Da lässt sich nicht drum herumreden.

Apropos Investieren: Das erste Mal in „meinem“ guten Jahrzehnt Preisverleihung gab es beim Ausklang im Foyer nicht mal eine Kleinigkeit zu essen – nach zwei Stunden Preisverleihung konnte man nur mit leerem Magen bei Wasser, Saft, Bier und Wein miteinander parlieren. Kommt es mir nur so vor oder verlassen die Besucher/innen schneller als früher den Vorraum des Congress Centers? Verständlich wäre es ja durchaus – weil man Hunger hat …

(Ulf Cronenberg, 18.10.2025)

Und hier noch weitere Fotos von der Preisverleihung (ein Klick auf die Bilder vergrößert die Ansicht, und mit den Pfeiltasten oder durch Tippen kann man dann durch die Fotos blättern):


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