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Buchbesprechung: Christian Nürnberger „Mutige Menschen. Widerstand im Dritten Reich“

Cover Christian NürnbergLesealter 13+(Gabriel-Verlag 2009, 283 Seiten)

Zugegeben, Christian Nürnbergers „Mutige Menschen. Widerstand im Dritten Reichen“ ist kein neues Buch. Als ich es vor einem knappen Jahr gelesen habe, hatte ich keine Zeit gefunden, darüber eine Buchbesprechung zu schreiben – doch nachdem ich nun wieder über das Buch gestolpert bin, will ich das nachholen. Der vorliegende Band ist übrigens ein Folgeband – Band 1 heißt „Mutige Menschen für Frieden, Freiheit und Menschenrechte“ und ist thematisch weiter gespannt, weil darin Menschen von Martin Luther bis hin zu Alice Schwarzer oder Bärbel Bohley (eine in der DDR aufgewachsene Bürgerrechtlerin, die erst vor kurzem gestorben ist) vorgestellt werden.

Christian Nürnberger ist ein bekannter deutscher Journalist und Publizist, der sich sozialdemokratischen und christlichen Werten verpflichtet fühlt. In Band 2 von „Mutige Menschen“ geht es inhaltlich um die zwölf schrecklichen Jahre des Dritten Reiches, in denen die meisten Deutschen nicht gegen Hitler und sein Regime aufbegehrten – sei es aus Angst, Unwissenheit, Bequemlichkeit und Profitgier oder weil sie (dazu gehörten wohl die meisten) Hitler aktiv unterstützten. In Christian Nürnbergers Sachbuch werden jedoch zwölf Menschen vorstellt, die sich anders verhalten haben, die innerhalb ihres Rahmens mutig waren und gegen Hitler und die Judenverfolgung etwas zu tun versuchten.

Die zwölf ausgewählten Personen werden auf jeweils ca. 20 bis 30 Seiten vorgestellt. Zu Beginn jeden Kapitels stehen immer erst ein paar Daten über die Personen, bevor dann ausführlich beschrieben wird, worin ihr Mut bestanden hat und wie ihr Leben während des Dritten Reiches ausgesehen hat. Meist wird auch zu erklären versucht, wie es dazu kommen konnte, dass diese Menschen keine Mitläufer wurden – und oft stellt man fest, dass die Eltern und Großeltern mit ihrer Erziehung das Fundament für den Widerstand gelegt hatten.

Unter den zwölf von Christian Nürnberger ausgewählten Personen finden sich bekannte Persönlichkeiten wie Dietrich Bonhoeffer oder Claus Schenk Graf von Stauffenberg, aber auch Menschen, die man vor dem Buch gar nicht oder kaum kannte: z. B. Janusz Korczak oder Irena Sendler. Um einfach alle (außer den schon Genannten) aufzuzählen: Es sind Helmuth James von Moltke, Georg Elser, Sophie Scholl, Mildred Harnack, Fritz Kolbe, Willy Brandt, Robert Havemann und Martin Niemöller. Eine bunte Auswahl ist das – nur wenige davon haben das Dritte Reich überlebt.

Was Christian Nürnberger in seinem Buch zusammengetragen hat, hat mir gut gefallen, weil es einen interessanten und fundierten Überblick zu unbekannten wie bekannten Widerstandskämpfern im Dritten Reich darstellt. Die meisten der zwölf Persönlichkeiten werden sehr gekonnt und detailliert dargestellt – man erfährt etwas über ihren familiären Hintergrund, warum und wie sie in den Widerstand gegangen sind, wie schwer sie es mit ihrer Entscheidung aber oft auch hatten und warum sie trotzdem nicht den leichten Weg des Mitläufertums gewählt haben. Christian Nürnberger erzählt dabei nicht immer chronologisch, sondern variiert die Erzählweise, so dass keine Langeweile aufkommt.

Dass die ein oder andere Wiederholung vorkommt – und zwar gerade dann, wenn es nicht um die behandelte Person, sondern um den zeitgeschichtlichen Hintergrund und dessen Erläuterung geht –, kann man dem Buch nicht wirklich anlasten. Das fällt nur dem auf, der das Buch von vorne bis hinten liest – aber wahrscheinlich werden immer wieder Jugendliche zu dem Buch greifen, um über eine der Personen etwas zu erfahren – und hierfür ist es wichtig, dass in jedem Kapitel der zeitgeschichtliche Hintergrund skizziert wird.

Vorangestellt ist den zwölf Biographien ein sehr persönliches, engagiertes und sympathisches Vorwort, in dem Christian Nürnberger verdeutlicht, dass er selbst niemanden verurteilen könne, weil er nicht weiß, wie er sich während des Dritten Reiches verhalten hätte. Sparen können hätte man sich dagegen das dreiseitige Nachwort von Petra Gerster. Mal abgesehen davon, dass Petra Gerster bekannter als ihr Ehemann Christian Nürnberger (ja, die beiden sind verheiratet) ist und durch die Nennung ihres Namens vielleicht Leser auf das Buch aufmerksam gemacht werden, ist das Nachwort überflüssig. Es wäre besser gewesen, wenn man stattdessen ein Glossar angefügt hätte.

Fazit:

4-einhalb von 5 Punkten. Inhaltlich gibt es an „Mutige Menschen. Widerstand im Dritten Reich“ wenig zu bekritteln. Christian Nürnbergers Buch ist nicht nur engagiert, in dem, was geschildert wird, auch schockierend, sondern leistet etwas, was Geschichtsbücher nicht bieten: Es personalisiert Geschichte – und zwar nicht anhand der bösen Buben und Mächtigen oder der allseits bekannten Haudegen, sondern anhand mutiger, oft stiller und im Hintergrund wirkender Helden in einer schweren Zeit. Die vorgestellten Persönlichkeiten werden anschaulich beschrieben und hinterlassen beim Leser einen bleibenden Eindruck. Das gilt z. B. besonders für Janusz Korczak, der in Warschau ein Kinderheim geführt hat. Das Konzept des Buches geht meiner Meinung nach auf: Selten bekommt man Geschichte so anschaulich und dadurch eindrücklich verpackt.

Ein wenig Kritik verdient, wie ich finde, eher der Verlag: Musste es sein, dass Petra Gerster ein zwar vielleicht werbewirksames, aber nutzloses Nachwort schreibt? Hätte es nicht noch ein Glossar (für ein Jugendsachbuch eigentlich ein Muss!) geben müssen? Und warum hat man diese biedere Aufmachung mit der gewöhnungsbedürftigen Typografie und den etwas harmlosen Skizzen der zwölf vorgestellten Personen gewählt? Ich finde, Christian Nürnbergers Buch hätte etwas Besseres verdient gehabt …

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(Ulf Cronenberg, 18.09.2010)

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Lektüretipp für Lehrer!

Dass dieses Buch den Geschichtsunterricht bereichert, dürfte nach dem oben Geschriebenen klar sein. Durch die zwölf Biografien von Widerstandskämpfern im Dritten Reich wird die Behandlung des Dritten Reiches im Unterricht veranschaulicht und persönlicher gemacht – und das sollten Geschichtslehrer sich nicht entgehen lassen. Es muss ja nicht jeder in einer Klasse das ganze Buch lesen – man kann sich jeden Schüler auch zwei oder drei Biografien auswählen lassen, und dann berichtet man sich gegenseitig. Dass Christian Nürnbergers Buch inzwischen auch in einer relativ günstigen Schulausgabe erschienen ist, begünstigt solche Vorhaben.


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