(Sauerländer-Verlag 2010, 212 Seiten)
Brigitte Glaser ist zumindest im Jugendbereich eine neue Autorin und hat mit „Schreckschüsse“ einen Kriminalroman für Jugendliche vorgelegt. Kommissarin Anja Kraft soll bald in einem zweiten Band ermitteln – vielleicht wird daraus ja auch eine ganze Serie. Mit Krimis hat die Autorin jedenfalls schon länger zu tun: Mehrere Kriminalromane für Erwachsene hat Brigitte Glaser bereits veröffentlicht, und sie ist seit letztem Jahr außerdem Jurymitglied des wichtigsten deutschen Krimipreises: dem Glauser-Preis. Der Preis wird übrigens auch in einer Sparte Kinder- und Jugendbuchkrimi vergeben, hat dann jedoch einen anderen Namen: Hansjörg-Martin-Preis.
Inhalt:
Maureen wird tot an einer Straße aufgefunden – das Mädchen mit dem Nasenring und dem provokaten Äußeren scheint von einem Auto überfahren worden zu sein. Etwas seltsam ist jedoch, dass Maureen auch noch eine Schusswunde an der Schulter hat. Die Polizei ist zunächst ratlos, was passiert ist, und ermittelt in alle Richtungen. Die junge Kommissarin Anja Kraft ist als Ermittlerin im Team, das den Todesfall aufklären soll.
Schon bald stößt die Polizei auf eine lose Clique von Jugendlichen, die Maureen zumindest flüchtig kannten. Da ist Kitty, die das Mädchen einige Stunden vor seinem Tod noch in der Straßenbahn gesehen hat – und es sind vor allem drei mit ihr befreundete Jungen, die Maureen ebenfalls kurz vorher getroffen haben. Doch Jan, Florian und Enno wollen aus verständlichen Gründen im Hintergrund bleiben – sie haben etwas mit der Schusswunde Maureens zu tun – und gehen nicht zur Polizei. Erst sehr später kommt die Polizei darauf, dass die drei auch etwas mit dem Tod von Maureen zu tun haben könnten.
Die Spuren führen die Ermittler unter anderem zu der Pferderennbahn in Köln, wo Maureen sich wahrscheinlich vor ihrem Tod aufgehalten hat. Doch auch hier stocken die Ermittlungen zunächst, denn niemand rückt so richtig mit der Sprache heraus …
Bewertung:
Gute Kriminalromane für Jugendliche von deutschen Autoren sind eher Mangelware – von daher war ich gespannt, wie sich Brigitte Glaser im Vergleich zur ausländischen Konkurrenz von Autoren wie Illka Remes, Ingvar Ambjørnsen oder Peter Abrahams, die in den letzten Jahren Jugendkrimis veröffentlicht haben, schlägt. Um es vorwegzunehmen: „Schreckschüsse“ macht eine gute Figur. Und das hat verschiedene Gründe.
Wichtig für einen guten Krimi ist ein interessanter Kommissar bzw. eine interessante Kommissarin, und mit Anja Kraft hat Brigitte Glaser eine sympathische Figur geschaffen. Anja Kraft versteht es mit den Leuten zu reden, gibt eigene Fehler zu (und das kommt bei ihr vor), kann sich gegen ihren Vorgesetzten, der oft blöde Sprüche klopft, nicht angemessen wehren – kurz gesagt: Anja Kraft hat Identifikationspotenzial. Ein bisschen mehr, finde ich, hätte Brigitte Glaser aber durchaus noch über die Person und das Privatleben „ihrer“ Kommissarin verraten dürfen.
Auch der Plot der Geschichte stimmt. Es geht um einen Mord, der Leser weiß ein bisschen mehr als die Polizei, aber wer Maureen letztendlich unter welchen Umständen getötet hat, erfährt man erst, wenn man mit dem Buch fast durch ist. Für Spannung ist also gesorgt. Wie das andere Krimiautoren derzeit auch machen, so erzählt auch Brigitte Glaser ihren Roman mehrperspektisch: Mehr als fünf Seiten folgt man nie einer Person, spätestens dann wird aus Sicht einer anderen Person weitererzählt. Das ist der übliche Kniff, um das Tempo eines Buches zu steigern – Brigitte Glaser beherrscht ihn gekonnt.
Das klingt so, als wäre in „Schreckschüsse“ alles richtig gemacht worden – ja, das ist es im Großen und Ganzen auch. Es sind nur Kleinigkeiten, bei denen ich mir für einen wirklich fulminanten Jugendkrimi noch etwas mehr gewünscht hätte: eine etwas intensivere Figurenzeichnung oder vielleicht Elemente, die wirklich etwas Neues bei einem Jugendkrimi darstellen. Das bietet „Schreckschüsse“ dann doch nicht; das Buch kann damit jedoch in jedem Fall mit der ausländischen Konkurrenz mithalten – ohne sie jedoch zu toppen.
Fazit:
4 von 5 Punkten. Brigitte Glasers Krimi für Jugendliche ist ein gutes und spannendes Buch, dessen Plot in allem verständlich und nachvollziehbar ist. Die Figuren im Buch sind auf Jugendliche zugeschnitten – das gilt für das Jugendmilieu, in dem der Mord passiert, aber auch für Kommissarin Anja Kraft, die zwar erwachsen ist, aber trotzdem eine gewisse Jugendlichkeit ausstrahlt.
Ich würde sagen, dass „Schreckschüsse“ in der oberen Mittelliga des Jugendkrimis mitspielen kann – für die Premier league reicht es jedoch nicht ganz. Da hätte ich mir literarisch noch ein paar Besonderheiten gewünscht. Wer als Jugendlicher Kriminalromane mag, kann bei Brigitte Glasers Buch jedoch in jedem Fall beherzt zugreifen.
(Ulf Cronenberg, 23.09.2010)
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