Jugendbuchtipps.de

Kurzrezension: Berlie Doherty “Das Mädchen, das Löwen sah”

Cover DohertyLesealter 11+(Arena-Verlag 2008, 247 Seiten)

Das angeblich 50. Buch von Berlie Doherty ist „Das Mädchen, das Löwen sah“ bereits. Eine stolze Zahl, auf die es die Engländerin bringt – und ich kenne bisher keines ihrer Bücher …

Das im Arena-Verlag veröffentlichte Kinderbuch (Übersetzung: Franca Fritz und Heinrich Koop) hat ein ernstes Thema: Es geht um die Adoption eines Mädchens aus Afrika – und dabei erfährt man auch einiges über die schlimmen Zustände in Tansania. Gleichzeitig wird auch etwas über eine englische Familie erzählt, die ein Kind adoptieren möchte …

Rosa lebt alleine mit ihrer Mutter im englischen Sheffield – die beiden verstehen sich sehr gut. Rosas Vater (über ihn will ich hier nichts weiter verraten, um nicht alles vorwegzunehmen) ist schon lange tot, das Mädchen kennt ihn nicht. Als Rosas Mutter überlegt, dass sie gerne ein zweites Kind – am besten ein Mädchen im gleichen Alter wie ihre Tochter – adoptieren möchte, ist Rosa überhaupt nicht begeistert. Rosa zeigt sich schon vorher eifersüchtig und versucht, die Sozialarbeiterin, die sich um die Adoption kümmert, auf nicht ganz faire Art und Weise davon zu überzeugen, dass ein Kind in dieser Familie nicht gut aufgehoben wäre. Und es sieht so aus, als würde es Rosa gelingen, ihren Willen durchzusetzen.

Zur gleichen Zeit lebt Abela in einem Dorf in Tansania. Ihr Vater und einige andere Verwandte sind bereits gestorben, und sowohl ihrer kleinen Schwester als auch ihrer Mutter geht es gar nicht gut. Abela macht sich mit ihrer Mutter auf den Weg ins nächste Krankenhaus – doch dort angekommen, stellt sie fest, dass ihrer Mutter dort niemand helfen kann: Die Medikamente sind ausgegangen. Der Gesundheitszustand von Abelas Mutter verschlechtert sich zunehmend, und kurz bevor ein Lastwagen mit neuen Medikamenten kommt, stirbt sie. Verstört kehrt das Mädchen zurück in ihr Dorf, wo schon die nächste Schreckensnachricht auf sie wartet: Ihre Schwester ist ebenfalls gestorben.

Als unversehens Abelas Onkel Thomas aus England nach Tansania mit seiner englischen Freundin zurückkommt (alle ahnen, dass er als Ausländer dort ausgewiesen wurde), verändert sich alles: Thomas sieht seine Chance darin, wieder nach England einreisen zu können, indem er seine Freundin heiratet und Abela als ihre gemeinsame Tochter ausgibt. Und so machen sie es auch … Thomas Freundin nimmt schließlich Abela mit gefälschten Papieren mit nach England. Doch das geht auf Dauer nicht gut …

So viel zum Inhalt des Buchs. Man ahnt schon, dass sich die Wege der beiden Mädchen irgendwann in dem Buch kreuzen werden – und so kommt es auch. Allerdings ist es ein langer Weg mit einigen Hindernissen bis dorthin – sowohl für Rosa als auch für Abela. Die Spannung des Buches kommt nicht daher, dass man einem unbekannten Ende entgegenfiebert, sondern sie lebt von anderen Momenten. Berlie Doherty gelingt es sehr gut, die Lebenswelten der beiden Mädchen zu beschreiben.

Geschickt ist dabei vor allem die Erzählweise des Buches. Manche Passagen berichten die beiden Mädchen aus ihrer eigenen Sicht in der Ich-Form, dann wieder springt die Autorin in die Er-Form zurück. Diese Veränderung im Schreibstil – die man übrigens nur bemerkt, wenn man aufmerksam liest, so perfekt ist das in Szene gesetzt – ist gut gelungen und macht das Buch abwechslungsreich. Und so war ich bis fast zum Ende der einfühlsam erzählten Geschichte auch sehr angetan von Berlie Dohertys Buch.

Doch auf den letzten 50 Seiten kippte meine Begeisterung ein wenig: Das Buch wurde mir zu gefühlsduselig, als sich eine Sozialarbeiterin in bester Gutmensch-Manier um Abelas Schicksal kümmert. Die Geschichte bekommt auf der Zielgerade einen rosa Anstrich, der dem Buch einen zu offensichtlichen erzieherischen Charakter gibt. Nicht, dass diese Geschichte nicht gut ausgehen sollte (das sei ihr gegönnt) – aber muss es so extrem sein? So aufopferungsvoll wie in dem Buch geschildert, sind die Ausländer- und Adoptionsbehörden dann doch wahrlich nicht immer …

Fazit:

4 von 5 Punkten. „Das Mädchen, das Löwen sah“ ist – von den letzten Kapiteln abgesehen – eine tolle Geschichte über das Thema Adoption, die schon einige Zeit vorher einsetzt und den Weg zweier Mädchen, die schließlich eine Familie bilden werden, nachzeichnet. Das ist gut gemacht und auf seine Art spannend zu lesen. Berlie Doherty gelingt es, sehr einfühlsam die Leben von Rosa und Abela, die so verschieden sind, zu beschreiben.

Das Buch hat sein Herz auf dem richtigen Fleck – doch leider übertreibt es die Autorin am Ende etwas, wie sie die Ämter über Abelas weiteres Leben diskutieren und bestimmen lässt. Das ist auch mein einziger Kritikpunkt an dem Buch. Doch es ist schade, wenn auf den letzten 50 Seiten einem Buch ein Stück seiner Qualität, die es bis dahin hatte, genommen wird.

blau.giflila.gifrot.gifgelb.gif

(Ulf Cronenberg, 20.12.2008)

Kommentare (0)

  1. Sandra Zechner

    Es ist so, dass man nicht erfährt, ob Rosas Vater tot ist. Wahrscheinlich nicht!
    Und falls Sie nicht aufmerksam gelesen haben, dann tut es mir leid!

    Antworten
  2. Ulf Cronenberg

    Hallo Sandra,
    es ist zu lange her, dass ich dieses Buch gelesen habe, um das noch gut beurteilen zu können … Wenn ich mich recht erinnere, geht Rosa zumindest davon aus, dass ihr Vater tot ist (und so hat es die Mutter auch erzählt, oder?) Aber so ganz sicher bin ich mir nicht mehr …
    Viele Grüße, Ulf Cronenberg

    Antworten
  3. Jenny

    Hallo, ich habe eine Frage, nämlich: Was ist das für ein Buchtyp? Ich halte über dieses Buch eine Buchpräsentation und weiß es nicht.

    Antworten
    1. Ulf Cronenberg (Beitrag Autor)

      Ganz einfach: Das ist ein Kinderbuch oder ein Kinderroman.

      Antworten

Schreibe einen Kommentar zu Sandra Zechner Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert