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Buchbesprechung: Alice Gabathuler “Das Projekt”

Cover GabathulerLesealter 13+(Thienemann-Verlag 2008, 284 Seiten)

Sozialpsychologische Experimente, bei denen Jugendliche und Erwachsene unter besonderen Bedingungen auf engem Raum miteinander konfrontiert werden, gibt es einige. Erst vor einigen Jahren kam ein Film („Das Experiment“) heraus, der das so genannte Standford-Prison-Experiment, eines der berühmtesten sozialpsychologischen Experimente, nachstellte. Ein ziemlich schockierender Film… Nichts für schwache Nerven.

Wie ich darauf komme? Das Buch „Das Projekt“ von Alice Gabathuler hat mich in manchem an ein solches Experiment – allerdings in der Schule – erinnert.

Inhalt:

Hanna Kramer ist Lehrerin an einer Internatsschule, und ihre Klasse hat so einige Schüler, die nicht gut miteinander auskommen. Deswegen plant die Lehrerin für die Jugendlichen ein mehrwöchiges Projekt der ganz besonderen Art. „Ausnahmezustand“ heißt es, und als Frau Kramer den Schülern das Projekt vorstellt, sind sie zunächst etwas geschockt. Denn die Vierer-Gruppen werden ausgelost und müssen dann selbst ihr Projekt planen und durchführen. Sie sollen dabei etwas Außergewöhnliches, nicht Alltägliches machen.

Vor allem die dritte Gruppe hat es in sich: Tina ist mit ihren guten Noten, und weil sie dick ist, eine Außenseiterin, während Jessie zwar grundsätzlich beliebt ist, aber oft auch als verwöhntes Mädchen reicher Eltern abgestempelt wird. Michael dagegen wohnt nicht im Internat, sondern ist ein Externer, der keine richtigen Freunde hat und sich bei allem bedeckt hält. Und Alex schließlich lässt niemanden an sich heran, weil er immer einen auf cool macht. Jede(r) der Vier hat außerdem so seine eigenen Sorgen – ob zu Hause, mit Mitschülern oder was auch immer.

So ist es auch kein Wunder, dass gerade diese Gruppen in der mehrtägigen Vorbereitungs- und Planungszeit nichts Ordentliches auf die Beine stellt, denn die vier Schüler reden kaum miteinander und teilen deswegen die Arbeit nicht auf. Als sie zum vereinbarten Abgabezeitpunkt keine Projektidee vorlegen, beschließt Frau Kramer mit dem Rest der Klasse, der Gruppe wirklich etwas Ausgefallenes, bei dem sie auf sich gestellt und aufeinander angewiesen sind, als Projekt vorzugeben…

Bewertung:

Die Idee für das Buch ist nicht neu – dafür gibt es schon genug Bücher über Experimente mit Jugendlichen, in denen die Gruppendynamik eine zentrale Rolle spielt. Auch in der Schule sind einige dieser Experimente angesiedelt – der erst kürzlich vorgestellte Film zum Buch „Die Welle“ hat durchaus Parallelen zu Alice Gabathulers Buch. Aus Spaß wird Ernst…

„Das Projekt“ war deshalb ein Buch, das ich erst ein wenig lustlos zu lesen begonnen habe, das mich jedoch schon bald gefesselt hat. Die vier sehr unterschiedlichen Charaktere, die in ihrer Gruppen aufeinandertreffen, sind gut gewählt – jeder hat seine eigenen Probleme: Sei es Tina, die mit ihrem Gewicht und der Außenseiterrolle kämpft, oder sei es Michael, der zu Hause von seinem Vater geschlagen wird. Jede dieser vier Figuren macht in dem Buch eine Entwicklung durch – und sie wäre nicht zustande gekommen, wenn Frau Kramer nicht ihr gewagtes Projekt initiiert hätte.

Erzählt wird „Das Projekt“ immer abwechselnd aus der Sicht der vier Hauptfiguren – das ist gut gemacht, weil es den Blickwinkel auf die verschiedenen Lebenswelten der vier Jugendlichen lenkt und außerdem für Abwechslung sorgt. Als Leser erfährt man so von allen vier Schülern recht viel über ihr Leben: über ihre Sorgen und Nöte, über ihre Probleme und Grenzen.

Auf den letzten 80 Seiten entwickelt Alice Gabathulers Buch dabei sogar so etwas wie Thriller-Qualitäten. Denn der eher harmlos angedachte Ausnahmezustand wird harte Realität (mehr will ich hier nicht verraten) und alles läuft aus dem Ruder.

Fazit:

5 von 5 Punkten. „Das Projekt“ ist nicht unbedingt ein innovatives Buch – die einzelnen Elemente (sozialpsychologisches Experiment, Ausnahmezustand, Gruppendynamik und der Erzählstil) sind alle schon in anderen Büchern aufgetaucht – aber die Mischung stimmt und macht das Lesen des Buches zu einer kurzweiligen Sache. Alice Gabathulers Buch ist jedoch nicht nur ein Thriller, sondern auch ein Entwicklungsroman über vier Jugendliche, die – auch wenn sie das eigentlich gar nicht wollen – voneinander lernen. Dass sie dazu von einer Lehrerin gezwungen werden müssen, gehört ein bisschen zur Ironie des Schicksals.

„Das Projekt“ ist ein Buch, das man wegen der Hauptfiguren und wegen der Spannung Jungen wie Mädchen ab 13 oder 14 Jahren empfehlen kann. Langweilig wird einem dieses Buch jedenfalls nicht – dazu passiert einfach zu viel, und zwar auf ganz unterschiedlichen Ebenen. Kaum ein Thema (Drogen, häusliche Gewalt, Mobbing etc.) wird dabei ausgelassen. Man könnte fast meinen, dass das schon ein bisschen zu viel des Guten ist – aber zumindest mir ging es beim Lesen dieses Buches nicht so.

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(Ulf Cronenberg, 12.08.2008)

Kommentare (5)

  1. Sissi

    Klingt sehr spannend. Werde ich meinen Kindern besorgen. Vielen Dank!

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  3. Valon

    Das Buch ist echt spannend, und ich würde es wirklich allen empfehlen.
    Dieses Buch braucht ein wenig Zeit, bis man es durch hat, aber dafür lohnt es sich.

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  5. Dini mami

    Mussten es in der Schule lesen. Sehr langweilig! 😪

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