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Buchbesprechung: John Green “Margos Spuren”

Cover GreenLesealter 14+(Hanser-Verlag 2010, 331 Seiten)

Kennt ihr das Spiel „Der Typ ist ein Gigolo“? Ich weiß nicht, ob man das in Amerika wirklich so nennt oder ob das nur eine der skurrilen Ideen von John Green ist – wahrscheinlich eher Letzteres. Das Spiel an sich, ist jedenfalls nichts Neues: Beim Autofahren stellt man sich vor, welches Leben die Personen, die in anderen Autos an einem vorbeifahren, führen.

Mit „Eine wie Alaska„, seinem brillanten Jugendbuchdebüt, ist John Green vor drei Jahren in Deutschland bekannt geworden und auch gleich für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert worden (und zwar von der Kritiker- wie von der Jugendjury). „Margos Spuren“ ist sein dritter Jugendroman, und in einigen Dingen ähnelt er „Eine wie Alaska“ – aber dazu später mehr.

Inhalt:

Quentin ist schon seit Ewigkeiten in Margo Roth Spiegelman, das Nachbarsmädchen, verliebt – doch die hübsche und beliebte Margo scheint das nicht zu erwidern. Letztendlich ist sich Quentin auch bewusst, dass er viel zu brav für Margo ist. Doch dann taucht Margo eines Nachts vor seinem Fenster auf und will ihn auf eine nächtliche Tour mitnehmen. Quentin soll sich dafür das Auto seiner Eltern schnappen, denn Margos Eltern haben ihr den Autoschlüssel weggenommen. Da Margo in dunkle Gewänder gehüllt und im Gesicht schwarz geschminkt ist, ahnt Quentin schon, dass die nächtliche Tour nicht unbedingt ein Rendezvous wird … Und so ist es auch.

Margo will sich in der Nacht an einigen Leuten rächen – insbesondere an ihrem Freund, der mit einer ihrer besten Freundinnen, wie sie herausgefunden hat, schon seit längerer Zeit ein Verhältnis hat. Elf Stationen hat Margo auf ihrem Plan, und die beiden sind die ganze Nacht unterwegs. Für den eher braven Quentin sind manche der Dinge, die Margo durchzieht, eher eine Zumutung – doch zugleich ist er froh, in der Nähe des Mädchens zu sein.

Am nächsten Morgen freut sich Quentin schon darauf, Margo wieder in der Schule zu treffen, doch das Mädchen taucht dort nicht auf. Nicht zum ersten Mal ist Margo von zuhause abgehauen. Da Margos Eltern meinen, dass sie früher oft Hinweise über ihr „Reiseziel“ hinterlassen hat, macht sich Quentin auf die Suche nach Spuren, die ihn zu Margo bringen könnten. Er durchsucht ihr Zimmer, findet auch kleinere Hinweise, jedoch führen sie alle in die Irre. Quentin lässt nicht locker und zieht auch seine Freunde Ben und Radar hinzu, um Margo zu finden.

Bewertung:

„Eine wie Alaska“ war ein tolles Buch, das nur so vor Ideen sprühte, zugleich aber auch wichtige Fragen stellte und einen zum Nachdenken brachte. „Margos Spuren“ ist da nicht anders, und die beiden Bücher haben einige Gemeinsamkeiten – allen voran die beiden Hauptfiguren, die ähnlich angelegt sind. Auf der einen Seite ein starkes Mädchen, das etwas außer Rand und Band ist und das eine geheimnisvolle Aura umgibt; auf der anderen Seite ein eher braver Junge, der in das Mädchen, das er nicht zu erreichen können glaubt, verliebt ist.

Doch es gibt noch mehr Gemeinsamkeiten: Beide Bücher enthalten eine Vielzahl von unerwarteten Wendungen und Ideen, die John Greens Bücher lesenswert machen. Es gibt Stellen, da muss man lachen, doch es gibt auch viele nachdenkliche Momente, in denen philosophische Fragen gestellt werden. In „Margos Spuren“ geht es dabei vor allem um das Bild, das man sich von anderen macht, sowie um Identitätsfragen.

John Greens neues Buch (Übersetzung: Sophie Zeitz) beginnt jedenfalls fulminant. Wie Quentin mit Margo auf der Suche nach Rache durch die Stadt zieht, wird temporeich und intensiv beschrieben – da lässt einen das Buch nicht los. Als dann Margo spurlos verschwindet, wird das Buch deutlich melancholischer und nachdenklicher – für meinen Geschmack dauert dieser Buchteil etwas zu lange. Die endlose Spurensuche nach Margo hat John Green zu sehr ausgedehnt – schade, dass ihm da niemand geraten hat, sich kürzer zu fassen. Das Buch tritt da etwas auf der Stelle.

Auf Seite 250 war ich dann wirklich etwas enttäuscht von dem Buch, das so erfrischend begonnen hat … – doch dann kommt noch einmal ein Paukenschlag, der einem plötzlich wieder zeigt, welch genialer Erzähler John Green sein kann. Die letzten 50 Seiten kann man sich dann von „Margos Spuren“ wirklich nicht mehr losreißen – denn die haben es (ohne dass ich etwas verraten will) wirklich in sich!

Fazit:

4-einhalb von 5 Punkten. Die ersten knapp hundert und die letzten 50 Seiten allein sind es schon wert, dass man dieses Buch liest. Das Feuerwerk, das John Green hier für den Leser abbrennt, kennt man vielleicht schon in ähnlicher Variation aus „Eine wie Alaska“ – aber dennoch gehören diese Buchstellen zum Besten, was der Jugendbuchmarkt zu bieten hat. Es ist wirklich mehr als schade, dass es John Green auch diesmal nicht (denn auch „Eine wie Alaska“ hatte einen Hänger) gelungen ist, ein Buch zu schreiben, das von Anfang bis Ende das Tempo beibehält, das es auf den ersten Seiten anschlägt.

Nichtsdestotrotz: „Margos Spuren“ zeigt sich größtenteils als herausragendes Buch, dem man viele Leser wünscht. Die Mischung aus Witz, Tempo und Esprit stimmt jedenfalls. John Green ist für mich einer der ganz großen Jugendbuchautoren, der jedoch seinen Zenit – das ist mein Eindruck – noch nicht erreicht hat. Der ganz große Knaller ohne Schwachstellen steht zumindest noch aus …

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(Ulf Cronenberg, 28.02.2010)

P. S. (22.11.2010): Wenn ihr ein Interview mit John Green lesen wollt (das leider nicht ich geführt habe …), springt zu dieser Seite bei Sueddeutsche.de. Lesenswert!


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Kommentare (4)

  1. Roberta

    Ich liebe dieses Buch!!
    Es ist spannend, lustig und traurig zugleich. John Greens anderer Roman „Eine wie Alaska“ gefält mir ebenfalls sehr gut. Ich habe das Buch mit 13 gelesen und finde, man kann es auch dann schon lesen.

    Antworten
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