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Buchbesprechung: Jenny Valentine “Wer ist Violet Park?”

Cover ValentineLesealter 14+(dtv 2009, 200 Seiten)

Ein auffälliges Cover hat dieses Buch jedenfalls. Es zeigt, dass „Wer ist Violet Park?“ als Tagebuch geschrieben ist, und die Zeichnungen auf dem Buchumschlag geben Sachen wieder, die in dem Buch vorkommen. Ganz links unten steht der Satz: „Ich traf Violet, nachdem sie gestorben war, aber das hielt mich nicht davon ab, sie kennenzulernen.“ Ziemlich geschickt: Denn der Satz macht neugierig auf das Debüt der Engländerin Jenny Valentine.

Inhalt:

Der 16-jährige Lucas wächst seit sechs gut Jahren ohne seinen Vater auf, der urplötzlich einfach verschwunden ist. Der Junge weiß nicht, ob sein Vater noch lebt, ob er vielleicht Opfer eines Mordes geworden oder einfach nur, ohne auf Wiedersehen zu sagen, abgehauen ist und seine Familie im Stich gelassen hat. Der fehlende Vater beschäftigt Lucas jedenfalls sehr, und oft heroisiert er ihn.

Lucas‘ Mutter dagegen bringt seitdem ihr Leben nicht so recht auf die Reihe. Sie ist depressiv, verzweifelt am Leben, ist launisch und unausgeglichen, trinkt manchmal zu viel. Und während Lucas‘ große Schwester Marcy auch aus der Bahn geworfen scheint, Drogen nimmt und auch sonst viele unmögliche Dinge tut, ist sein kleiner Bruder Jed der einzige Unbekümmerte in der Familie.

Als Lucas eines Tages mit einem Taxi fährt, entdeckt er dort in der Zentrale eine Urne und wird neugierig. Auf sein Nachbohren erfährt er schließlich, dass die Urne vor längerer Zeit von einem Fahrgast im Taxi vergessen wurde, und nach einigem Drängeln wird ihm die Plakette gezeigt, auf der steht, wessen Asche in der Urne liegt: Die Frau heißt Violet Park und ist 2002 gestorben.

Ohne es genau erklären zu können, hat Lucas das Gefühl, dass er Violet Park aus der miefigen Taxizentrale befreien muss. Es ist schließlich seine spirituell angehauchte Oma, die ihm dabei hilft, an die Urne zu kommen, und so steht er dann plötzlich mit den Überresten von Violet da und fragt sich viele Dinge: Wer war Violet Park eigentlich? Wie ist sie ums Leben gekommen? Wer hat die Urne in einem Taxi vergessen, und warum?

Bei seinen Nachforschungen kommt er bald darauf, dass Violet seinen Vater kannte und mit ihm unter Umständen sogar ein Verhältnis hatte. Je weiter Lucas der Sache nachgeht, auf umso mehr Geheimnisse stößt er – und Lucas hofft, so auch einiges über seinen Vater herauszufinden.

Bewertung:

„Wer ist Violet Park?“ (Übersetzung: Klaus Fritz) ist eine ziemlich abstruse Geschichte, denn wer erwartet schon, dass eine Urne das Leben eines Jungen verändert und ihm hilft, vieles in seinem Leben besser zu verstehen … Aber genau das macht auch den Reiz von Jenny Valentines erstem Jugendbuch aus: Es ist keine 08 15-Geschichte, die da erzählt wird, sondern ein ziemlich geschickt aufgebauter Roman, der sich dahinter verbirgt.

Es macht jedenfalls Spaß, dieses Buch zu lesen – und das aus verschiedenen Gründen. Jenny Valentine schreibt witzig und unterhaltsam und trifft dabei insgesamt sehr gut den Stil eines 16-jährigen Jungen, der sich Gedanken über so vieles macht. Das eigentlich nicht ganz einfache Thema, dass ein Vater seine Familie verlassen hat, wird dadurch nicht eindimensional, sondern genau mit der richtigen Melange aus Tragik und Heiterkeit erzählt. Dass trotz des sprachlichen Witzes der Ernst des Themas nicht verloren geht, ist eine besondere Leistung von Jenny Valentine.

Zugute halten muss man dem Buch außerdem, dass es nicht so richtig vorhersehbar ist. Immer wieder nimmt die Geschichte unerwartete Wendungen, sehr geschickt werden ganz unterschiedliche Themen miteinander verknüpft, und Jenny Valentine verliert dabei nie das Ganze aus den Augen.

Es gibt eigentlich nur eine Kleinigkeit, die mich an dem Buch stört: Mir scheint die Übersetzung – vor allem in der ersten Hälfte – nicht immer ganz gelungen. Wenn man (und solche Formulierungen findet man öfter) z. B. liest: „Jetzt kommt, woher ich das weiß.“, klingt das im sonstigen Zusammenhang etwas ungelenk. Im englischen Original mag das genau so stehen und vielleicht auch passen (das kann ich nicht beurteilen) – aber die vermutlich wörtliche Übersetzung liest sich seltsam und hätte im Deutschen durchaus ein wenig freier formuliert werden können.

Fazit:

5 von 5 Punkten. Der kleine Kritikpunkt im letzten Absatz ändert nichts daran, dass Jenny Valentines Erstlingswerk ein tolles Buch ist. Die Geschichte über Lucas, Violet Park und das Verschwinden seines Vaters ist stimmig und rund, witzig erzählt und hält den Leser stets bei Laune. Und nicht zu vergessen ist, dass das Buch einige liebevoll gezeichnete Figuren, die wahre Originale sind, enthält. Ein Buch mit einem ersten Thema trotzdem heiter und frisch zu erzählen, ist sicher nicht einfach … Aber Jenny Valentine ist das trefflich gelungen. Von daher kann ich dieses Buch wirklich nur empfehlen – und zwar Jungen wie Mädchen.

Den Namen Jenny Valentine kann man sich merken und darauf hoffen, dass man noch weitere gute Bücher von der englischen Autorin zu lesen bekommt. Ich bin gespannt …

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(Ulf Cronenberg, 17.03.2009)

Lektüretipp für Lehrer!

Als Lektüre im Deutschunterricht am Ende der 8. oder zu Beginn der 9. Klasse kann ich mir dieses Buch sehr gut vorstellen. Es bietet reichlich Diskussionsstoff über Themen wie Tod, glückliches Leben oder Familien ohne Vater, und man kann sehr gut kreative Schreibaufträge anschließen, da sich in dem Buch viele Leerstellen finden, die gefüllt werden können. Die Schüler könnten überlegen, warum Lucas‘ Vater nun wirklich abgehauen ist (denn das wird letztendlich in dem Buch nicht aufgeklärt), sich eine Begegnung zwischen Lucas und seinem Vater ausmalen, usw. Und die Mischung aus Ernst und Heiterkeit dürfte Schülern gefallen.

Kommentare (9)

  1. Katja

    Kann nur zustimmen! Habe das Buch am letzten Sonntag gelesen und es hat mich äußerst gut unterhalten. Der Schluss macht Lust auf eine Fortsetzung. Ingesamt ein tolles Fundstück, das man an einem Abend locker und schnell gelesen hat!

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  2. Ulla

    Wer ist Violet Park war meine Schullektüre und ich fand’s auch SUPER UNTERHALTSAM!
    Nein, fand ich ganz und gar nicht … – nur meine Deutschlehrerin fand es sehr beeindruckend! Außerdem sind komische, unverständliche Sätze im Buch, was alles noch unerträglicher macht! Also, wenn ihr nicht dumm seid, dann tut euch das nicht an!

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  4. Irene Dirnböck

    Ich fand dieses Buch zuerst nicht so spannend. Habe wegen der Schule gezwungenermaßen aber weitergelesen … 😉
    Aber je weiter ich gekommen bin, umso spannender wurde es und ich habe dieses Buch nur so verschlungen! Diese Geschichte ist der Wahnsinn!
    Ein großes Lob an die Autorin!

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  7. dewette1i

    Ich denke, dass dieses Buch für Jugendliche und auch für Erwachsene sehr lesenswert ist. Empfehlen würde ich es schon aber eher für Kinder ab 13+, weil man eher mit Jugendlichen über dieses Buch sprechen kann. Die Geschichte konfrontiert sehr direkt mit dem Tod und auch dem Gefühl der Einsamkeit.

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  8. dewette1i

    Ich denke, dass dieses Buch für Jugendliche und auch für Erwachsene sehr lesenswert ist. Empfehlen würde ich es schon aber eher für Kinder ab 13+, weil man eher mit Jugendlichen über dieses Buch sprechen kann. Die Geschichte konfrontiert sehr direkt mit dem Tod und auch dem Gefühl der Einsamkeit. WEITEREMPFEHLBAR!!!!

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  9. E.

    Das Buch ist recht gut, der einzige Kritikpunkt, den ich hätte, wäre, dass das Ende nicht sonderlich gut geschrieben ist und relativ ungenau ist. Trotzdem muss ich sagen, dass es mich fasziniert hat und ich es in meiner Literaturarbeit verwendet habe. Im Ganzen ist es ein gutes Buch, das man gut lesen kann; und es passt zu Menschen, die vielleicht dasselbe erlebt haben. Insbesondere mir.

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