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Buchbesprechung: Charlotte Kerner (Hrsg.) “Die nächste GENeration”

(Update 26.03.2009: Ergänzung eines Fotos aus dem Buch.)

Cover KernerLesealter 15+(Beltz & Gelberg-Verlag 2009, 247 Seiten plus Anhang)

„Science + Fiction“ – so lautet der Untertitel zu dem von Charlotte Kerner herausgegebenen Buch „Die nächste GENeration“. Das ist kein Zufall. Denn in dem Buch treffen Sachtexte und kurze Erzählungen aufeinander, die auszuloten versuchen, welche Veränderungen in den nächsten Jahrzehnten durch die Genforschung auf uns zukommen könnten. Ein Crossover-Buch ist dadurch entstanden, ein Buch, das sich nicht so recht einordnen lässt … Aber das ist dem Thema ja auch angemessen.

Inhalt:

Die übliche Inhaltszusammenfassung kann man bei einem solchen Buch nicht verfassen – aber natürlich etwas darüber sagen, wovon das Buch handelt. Insgesamt sechs Kapitel enthält das Buch, an dem neben Charlotte Kerner vor allem Claudia Eberhard-Metzger und Susanne Paulsen mitgeschrieben haben. Es geht (neben einem einleitenden Kapitel) um Genmanipulation, um die Möglichkeiten, Krankheiten mit Hilfe von Gentherapie zu heilen, um die Chancen, das Leben zu verlängern, ums Klonen sowie um Chimären (Mischwesen aus Mensch und Tier).

Foto Najjar

(Abb. rechts – mit freundlicher Genehmigung der Presseabteilung des Beltz & Gelberg-Verlags, Frau Bettina Schaub: Foto von Michael Najjar aus dem Buch – durch Draufklicken vergrößert)

Die Kapitel sind dabei ähnlich aufgebaut. Sie beginnen meist mit einem Kommentar, den eine erfundene Journalistin namens Tac Gatta (eine Remineszenz an den Science-Fiction-Film „Gattaca“) in der Zukunft zu dem Thema geschrieben hat. Darauf folgt dann ein Sachtext, der Wissenswertes aus der Forschung über das jeweilige Unterthema vorstellt. Ab und zu sind Interviews mit Fachleuten eingestreut, und abgerundet werden die eher theoretischen Ausführungen zwischendrin immer wieder durch Science-Fiction-Geschichten und Erzählungen. Schließlich sind da noch die Fotos von Michael Najjar, die jedes Kapitel einleiten: mit dem Computer bearbeitete Bilder, die Menschen der Zukunft darstellen sollen und einen ganz eigenen Reiz entfalten.

Bewertung:

Ich hatte am letzten Donnerstag auf der Leipziger Buchmesse (siehe hier) ja das Vergnügen, Charlotte Kerner aus ihrem Buch lesen zu hören – und die Autorin meinte, dass „Die nächste GENeration“ durchaus auch als Lesebuch zu verstehen sei, aus dem man sich einzelne Kapitel und Themen herauspicken könne, dass man das Buch nicht von vorne nach hinten durchlesen müsse. Ich habe mich zwar nicht daran gehalten … – aber man muss es ja nicht so machen.

Was mich für das Buch zunächst einmal eingenommen hat, ist, dass es ein so wichtiges Thema, das unsere Zukunft mitbestimmen wird, aufgreift und damit notwendige Diskussionen ermöglicht. Wären in dem Buch nur Sachtexte und Interviews enthalten, so wäre es bei weitem nicht so gelungen. Es sind gerade die Science-Fiction-Geschichten, die alles plastisch und anschaulich werden lassen, weil sie in Gedankenspielen eine durch die Genforschung veränderte Zukunft ausmalen.

Nehmen wir z. B. eine Geschichte, in der eine junge Frau entdeckt, dass sie als Klon geboren wurde, um für eine andere Frau, die eine unheilbare Krankheit hat, Organspender zu sein. Natürlich kann man die Fragen, ob so was ethisch vertretbar ist, auch in Sachtexten aufwerfen, auch kann man vor solchen Gefahren warnen – aber besonders fassbar wird all das mit seinen Konsequenzen, wenn die Folgen in einer fiktiven Geschichte auf die Spitze getrieben werden.

Rundum gelungen ist dabei auch die Aufmachung des Buches. Die Fotografien von Michael Najjar sind ästhetisch und interessant (mich stören nur ein wenig die bei allen abgebildeten Personen gleichförmigen Augen) und geben dem Buch eine eigene passende Note. Die sonstige Bebilderung ist zwar eher spärlich, aber fügt sich gut in den Text ein und erläutert manches genauer.

Dass das Buch doch die ein oder andere kleinere Schwäche hat, sei nicht verheimlicht. Für meinen Geschmack enthält der Reader ein paar Rechtschreib– und Satzfehler zu viel. Was ich mir außerdem gewünscht hätte: Dass die fiktionalen Texte und die Sachinformationen noch deutlicher im Layout voneinander getrennt worden wären (z. B. durch unterschiedliche Schriftarten). Wenn man genau hinschaut, sieht man zwar, dass die Überschriften der beiden Textsorten sich unterscheiden – und im Vorwort wird das auch erwähnt. Doch hätte man das augenfälliger machen können. Und dass die im Buch zitierte Lebenserwartung von Männern und Frauen in Deutschland (es heißt dort: für Männer 76 Jahre, für Frauen 84 Jahre) nicht ganz korrekt ist (es sind laut aktuellen Zahlen des Bundesamts für Statistik 76,89 bzw. 82,25 Jahre), ist ebenso vernachlässigbar.

Fazit:

4-einhalb von 5 Punkten. Alles in allem bin ich – daran ändert die Aufzählung kleinerer Schwachpunkte nichts – von „Die nächste GENeration“ wirklich angetan. Charlotte Kerner und ihren Mitautorinnen ist ein Buch gelungen, das – für jugendliche wie erwachsene Leser – genau die richtigen Fragen zum Thema Genforschung stellt und damit eine dringend notwendige Diskussion anstößt. Die Mischung aus Sachinformation und erzählerischen Texten stellt dabei den besonderen Reiz dar, der das Buch auch für jugendliche Leser attraktiv machen dürfte.

Unterhaltsamer und ausgewogener kann man an das komplexe Thema Genforschung wohl nicht herangeführt werden: ohne Besserwisserei, aber dennoch mit vielen Sachinformationen. Das Konzept „Science + Fiction“ ist jedenfalls eindeutig aufgegangen …

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(Ulf Cronenberg, 15.03.2009)

Kommentare (0)

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  2. StrayCat

    Naja, das Motiv, dass Menschen als Organ- bzw Zelldepots für Privilegierte gezüchtet werden, gab es in der Jugendliteratur doch schon mindestens einmal:
    Birgit Rabisch „Duplik Jonas 7“.

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