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Buchbesprechung: Kevin Brooks “Being”

Cover BrooksLesealter 14+(dtv 2009, 368 Seiten)

Fast jedes Jahr wartet Kevin Brooks mit einem neuen Buch auf, und eigentlich immer sind es Thriller für Jugendliche, die es in sich haben – keine leichte Kost, nichts für zartbesaitete Leser.

„Being“ heißt Kevin Brooks‘ neuester Roman – und der Titel ist Programm: Es geht um die menschliche Existenz und Fragen wie: Was macht einen Menschen aus? Sind es seine Gefühle? Ist es sein Denken? Oder ist es sein Körper? Ein spannendes Thema – das vorweg …

Inhalt:

Eigentlich handelt es sich – wie Robert mitgeteilt wird – nur um eine Routineuntersuchung, bei der eine Magenspiegelung gemacht werden soll und zu der der Junge ins Krankenhaus kommt. Der Anästhesist meint, dass Robert ein Beruhigungsmitteln verabreicht würde, von dem die meisten Patienten bewusstlos werden. Doch bei Robert dauert dieser Effekt anscheinend nicht lange. Er bekommt mit, wie auf einmal die Ärzte hektisch werden, weil sie in seinem Inneren auf etwas Unerwartetes treffen. Ein Fachmann wird hinzugezogen: Prof. Casing. Und dann bemerkt Robert, dass noch etwas anderes nicht stimmt, denn einer der Krankenpfleger hat eine Waffe bei sich. Robert will, so schnell es geht, abhauen – und das gelingt ihm wegen der Narkose nur mit größter Mühe.

Zunächst flieht Robert mit dem Anästhesisten, den er mit der Pistole, die er einem der Pfleger entwendet hat, in der Hand als Geisel mitnimmt. Doch das geht nicht lange so, und schließlich flüchtet Robert alleine weiter. Dabei versucht er sich selbst darüber Gewissheit zu verschaffen, was mit ihm los ist: Stimmt es, was die Ärzte gesprochen und was sie gesehen haben? Ist er kein normaler Mensch aus Fleisch und Blut, sondern hat er im Inneren Drähte, Dioden, Schaltkreise, Kristalle und lauter anderes technisches Zeug? Als er das Video der Magenspiegelung, das er mitgenommen hat, anschaut, ahnt er, dass die Ärzte recht haben – Gewissheit wird es, als er sich in einem Hotelzimmer selbst noch einmal den Bauch aufschneidet und in sein Inneres schaut.

Völlig ratlos und von dem Gedanken überfordert, dass etwas mit ihm nicht stimmt, weiß Robert lange nicht, was er tun soll, bis er eine Idee hat: Er will zu Eddi fliehen, einem Mädchen, das er einmal mit einem Freund besucht hat. Eddi – daran erinnert er sich – fälscht Ausweise und kann ihm helfen, auf der Flucht eine andere Identität anzunehmen. Doch Eddi bekommt mit, dass auf das Ergreifen von Robert eine Belohnung von 50.000 Pfund ausgesetzt ist, und spielt ein Spiel, an dessen Ende Robert fast doch noch von seinen Verfolgern geschnappt wird …

Bewertung:

Kevin Brooks hat es mal wieder geschafft: ein Buch zu schreiben, das einen von der ersten bis zur letzten Seite fesselt. Die Intensität, mit der Kevin Brooks Menschen in Grenzsituationen schildert, die sprachliche Treffsicherheit, mit der er ohne abgestandene Klischees seine Figuren beschreibt, die Dichte der Sprache über fast 400 Seiten hinweg – das alles ist bewundernswert. Und Uwe-Michael Gutzschhahn hat all das mal wieder kongenial ins Deutsche übersetzt.

Manches kommt dem Leser vielleicht von früheren Brooks-Thrillern bekannt vor: Wenn Robert das erste Mal eine Pistole in der Hand hält, wenn er damit schießt, wenn er auf der Flucht ist – das sind thematische Versatzstücke, die man auch aus anderen Büchern des englischen Autors kennt. Und dennoch beinhaltet „Being“ viel mehr. Und das ist auch gut so, wäre Kevin Brooks sonst der Gefahr erlegen, sich nur selbst zu kopieren.

Es sind die surrealen Momente (wie auf dem Buchcover steht), die „Being“ zu etwas Besonderem werden lassen. Robert ist schockiert, weil er kein normaler Mensch ist – etwas, von dem er bis zur Routineuntersuchung selbst nichts wusste. Und da steht der junge Mann dann auf einmal, weiß nicht, wer oder was er eigentlich ist (obwohl er sich eigentlich bis dahin recht normal fühlte), weiß nicht, wer hinter ihm her ist, warum er verfolgt wird, und schon gar nicht, wie er entkommen soll.

Dass „Being“ kurz vor dem Ende auch einmal etwas lyrischere und entspannendere Augenblicke kennt, tut dem Buch gut. Als Leser kann man ein wenig Luft holen, ahnt jedoch, dass am Ende noch ein Showdown folgt, dessen Inhalt man jedoch nicht vorhersehen kann. Ja, und so kommt es natürlich auch.

Fazit:

5 von 5 Punkten. „Being“ ist ein tolles Buch: Mit einem Stoff, der Nervenkitzel verspricht, nähert sich Kevin Brooks existentiellen Fragen, die es in sich haben. Mit Hilfe einer ungewöhnlichen Geschichte treibt der Autor gekonnt Fragen nach der menschlichen Existenz und ihrer Besonderheit auf die Spitze – und unterhält den Leser nebenbei auch noch hervorragend.

Kevin Brooks hat es einfach drauf: Mit einer Leichtigkeit stößt er den Leser auf Fragen, die es in sich haben, ohne dass man dabei das Gefühl hat, all das wäre gekünstelt. „Being“ ist – das ist hervorzuheben – ein Buch, mit dem man auch Lesemuffel zum Lesen bringt, bei dem man zugleich aber nicht umhin kommt, sich tiefer gehende Gedanken zu machen. Sehr oberflächlich betrachtet ist Kevin Brooks neues Buch nur ein weiterer Thriller, aber wer ein bisschen unter die Oberfläche guckt, entdeckt eben noch viel mehr. Ein Buch, das wichtige Fragen stellt, das man Jugendlichen zum Lesen geben kann, um hinterher mit ihnen zu diskutieren.

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(Ulf Cronenberg, 21.02.2009)

Weiterführender Link: Überblick über alle Buchbesprechungen zu Kevin Brooks bei Jugendbuchtipps.de

Kommentare (0)

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  4. Ami

    Ich war von dem Buch etwas enttäuscht. Nachdem es so reißerisch angefangen hatte, wird es später, in der zweiten Hälfte, zumindest meiner Meinung nach über weite Strecken langweilig.

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  5. L3N4

    Ich war von dem Buch auch etwas enttäuscht. Obwohl ich wusste, dass Kevin Brooks‘ Bücher meistens ein offenes Ende haben, finde ich, dass Ende von „Being“ schlecht ist, da man gar nichts, nicht einmal im Ansatz erfährt, was mit Robert jetzt ist. Außerdem kommt das Ende echt plötzlich.
    Dennoch ist es ein echt gutes Buch.

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  6. lini

    Ich finde den Schluss etwas zu ungenau, weil man gar nicht weiß, was jetzt mit Robert passiert. Ansonsten ist es ein sehr gutes Buch.

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