(Bloomsbury-Verlag 2009, 219 Seiten)
Von einem ansprechenden Cover kann man da nicht sprechen … Aber der trostlose Plattenbau vor grauem Himmel, vor einer ungemähten Wiese und dem Bauzaun ist natürlich Programm und passt zu Daniel Höras Buch.
Auch wenn der Jugendroman in Ostdeutschland spielt: Daniel Höra wuchs zwar wie die Figuren im Buch in einer Hochhaussiedlung am Rande einer Großstadt auf – allerdings in Westdeutschland. Und sein Weg zum nachgeholten Abitur war nicht unbedingt geradlinig, wie man in den Informationen über den Autor beim Bloomsbury-Verlag nachlesen kann.
Inhalt:
Alex lebt in einer Plattenbausiedlung in Schwedt (nordöstlich von Berlin), und mit seinen 14 Jahren hat er schon einiges ausgefressen: von Diebstahl bis hin zu Körperverletzung. Mit seinen Freunden hängt er regelmäßig entweder auf Bänken vor den Häusern ab, oder er schwänzt, wenn er nicht in der Schule ist, mit seinen Kumpels z. B. in einem Einkaufszentrum den Unterricht. Zimperlich geht es dabei nicht zu, die Jungs sind Zigaretten, Alkohol und Drogen gewöhnt.
Doch dann hat Alex eines Tages ein großes Problem: Einer alten Frau im Haus, der er geholfen hat, ihre schweren Einkaufstaschen nach oben zu schleppen, hat er in ihrer Wohnung 50 Euro – sozusagen als selbstgeschenkten Helferslohn – geklaut. Kurz darauf wird die Frau jedoch erschlagen in ihrer Wohnung gefunden. Der Verdacht fällt sofort auf Alex, zumal bei ihm der 50-Euro-Schein gefunden wird und nachgewiesen werden kann, dass er in der Wohnung der alten Frau war.
Auch wenn der Richter ihn trotz dringenden Mordverdachts noch auf freiem Fuß lässt, schlimm ist nicht nur, dass der ermittelnde Kommissar ihm seine Unschuldsbeteuerungen nicht glaubt, sondern dass Alex fortan von seinen bisherigen Freunden und der ganzen Siedlung schikaniert wird. Doch glücklicherweise stößt er kurz darauf auf zwei Freunde, die ihm helfen wollen: Fletcher und Debbie. Da die Polizei keine anderen Spuren in der Wohnung der alten Frau findet und die weiteren Ermittlungen daraufhin einstellt, wollen die Drei selbst Alex‘ Unschuld beweisen …
Bewertung:
Alex ist der Ich-Erzähler in diesem Buch, und was man von ihm so alles erfährt über das Leben in einer Plattenbausiedlung, ist teilweise ziemlich heftig. Von dumpfbackigen Neonazis, die Selbstjustiz an ihm üben wollen, ist da die Rede, ebenso wie von Kriminalität, die zum Alltag gehört, oder von Drogen und Alkohol. Wie all das erzählt wird, klingt ziemlich authentisch: Alex ist schnoddrig in seinem Erzählen, nimmt nichts so richtig ernst, markiert den Coolen – zugleich spürt man jedoch zwischen den Zeilen, wie er angesichts der Zustände und seiner Situation manchmal auch am Verzweifeln ist.
„Gedisst“ lässt einen in die Realität von Jugendlichen in Deutschland gucken, die nicht unbedingt in Büchern lesen – und allein das ist schon einmal etwas Besonderes. Dass die Jugendlichen ohne große Hoffnung aufwachsen, ohne Aussicht auf eine ordentliche Ausbildung und einen Job, kommt in dem Buch klar rüber.
Je weiter man in dem Buch liest, umso mehr entwickelt sich Daniel Höras Roman zu einem kleinen Krimi. Debbie, ein Mädchen mit ziemlich viel Mut, aber auch der ungewöhnliche Fletcher, der aus besserem Hause stammt, sind interessante Figuren, die stimmig sind. Auch Alex‘ Vater, den er immer nur den „Alten“ nennt, der nach dem Tod seiner Frau und dem Verlust seines Jobs ziemlich desillusioniert ist, über die Wiedervereinigung schimpft und ziemlich viel säuft, entwickelt im Laufe des Buches doch noch ungeahnte Stärken. Es sind die authentisch wirkenden Figuren, die dieses Buch ausmachen.
Fazit:
4-einhalb von 5 Punkten. „Gedisst“ ist nicht eines der besten Bücher, die ich in den letzten Monaten gelesen habe, aber ein gutes Buch, das es sich zu lesen lohnt. Man empfindet nicht unbedingt Mitleid mit den Figuren in dem Buch (das wäre wohl auch fehl am Platz), aber man entwickelt so etwas wie Verständnis für sie. Und tauschen möchte man mit ihrem Leben auf keinen Fall – mit diesem Gefühl legt man „Gedisst“ aus der Hand.
Das Buch hätte durchaus eine etwas ansprechendere Aufmachung verdient. Damit meine ich nicht unbedingt ein attraktiveres Cover (das ja durchaus zum Buch passt), sondern eben doch einen festen Buchrücken und ein bisschen mehr Stil. Vom schmucklosen Buchumschlag sollte man sich nicht vom Lesen dieses Jugendromans abhalten lassen. Daniel Höras Erstlingswerk hat viele Leser verdient.
(Ulf Cronenberg, 17.02.2009)
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Kleine Anmerkung am Rande. Das Buch spielt in Schwedt und nicht in Schwerdt. 😉
Danke für den Tipp! Hab ich ausgebessert …
Ich habe mal eine Zeit lang in der Bücherei ausgeholfen..und ich durfte dann auch einege Bücher bestellen und natürlich aussuchen…und als ich dieses Buch sah..in einem dieser Büchermagazinen…wusste ich..Ich MUSS es lesen…
Denn alleine der Titel..passt hervorragend in diese Zeit..ich zum beispiel sage nicht..die ärgern den und den..sondern boah..der wurd gedisst..
Also..ich finde das Buch auch inhaltlich klasse..ich hatte es innerhalb von 2 Stunden durch…Jetzt..ist es eines meiner Lieblingsbücher;D
Ich empfehle dieses Buch; um jeden Preis lesen!
Ich muss gerade ein Referat über dieses Buch halten. Diese Seite ist toll.
Spitzenbuch!
Das Buch war wirklich toll.
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