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Buchbesprechung: Meg Rosoff "Was wäre wenn"

Cover RosoffLesealter 14+(Carlsen-Verlag 2007, 255 Seiten)

Mit der Besprechung von Meg Rosoffs zweitem Jugendroman geht langsam der Reigen der für den diesjährigen Deutschen Jugendliteraturpreis nominierten Bücher zu Ende. Nur noch Andreas Schendels „Dann tu’s doch“ fehlt mir.

Meg Rosoff, die in London lebt, hatte schon vor drei Jahren mit „So lebe ich jetzt“ großen Erfolg gehabt. Ihr Erstlingswerk wurde von der Kritikerjury der Wochenzeitung „Die Zeit“ und Radio Bremen mit dem Luchs 2005 als bestes Kinder- und Jugendbuch des Jahres 2005 ausgezeichnet – eine Prämierung, die ich jedoch nicht so ganz nachvollziehen konnte. Und auch „Was wäre wenn“ hat es mit der Nominierung schon weit gebracht…

Inhalt:

Der 15-jährige David Case rettet seinem einjährigen Bruder Charlie gerade noch vor dem Sturz aus einem Fenster – und von einem Moment auf den anderen ist für David nichts mehr so, wie es war. Die Brüchigkeit des Lebens ist dem Jugendlichen auf einmal bewusst – und er sieht das Leben ständig vom Schicksal bedroht, insbesondere sein eigenes.

Doch David will sich damit nicht abfinden und überlegt sich deshalb, wie er sich – um seinem Schicksal, das er sich schlimm ausmalt, zu entgehen – eine neue Identität zulegen kann. Er beginnt damit, dass er sich einen neuen Namen gibt: Justin Case („Just in Case“ ist übrigens der Originaltitel des Buches – ein schönes Wortspiel!).

Doch nicht nur seinen Namen will David ändern – auch eine neue Persönlichkeit möchte er sich zulegen. Und dabei hilft ihm ein etwas älteres Mädchen, das er zufällig kennen lernt: Agnes, die selbst auf ungewöhnlichen Wegen durchs Leben geht und exzentrisch ist. In einem Secondhand-Laden, den er betritt, um sich neue Klamotten zu kaufen, berät sie Justin bei der Auswahl – und der bisher eher angepasste Junge wird auf einmal ein bunter Vogel, der psychodelische Sachen trägt. Justin erdenkt sich außerdem einen Windhund, der ihm in Gedanken auf Tritt und Schritt folgt und manchmal sein einziger Gesprächspartner ist: Boy.

Doch Justins neue Identität bringt auch seine Schwierigkeiten mit sich: Seine Mitschüler beäugen ihn argwöhnisch, und eigentlich möchte fast niemand mehr etwas mit ihm zu tun haben. Das Spiel mit der neuen Identität wird zunehmend ernst – und außerdem gelingt es David nicht, dem Schicksal damit ein Schnippchen zu schlagen. Auf den Jungen warten mehrere Schicksalsschläge, die ihn immer weiter in einen gefährlichen Strudel ziehen…

Bewertung:

„Eine interessante Geschichte und ein guter Buchanfang…“ Das waren meine Gedanken nach dem Lesen des Klappentextes und der ersten 20 bis 30 Seiten. Wie David seinen Bruder vor dem Absturz aus dem Fenster rettet, wie Charlie dabei dem großen Bruder seine Gedanken mitteilt, wie das Schicksal zu Wort kommt, als wäre es eine Person – das alles hinterließ bei mir ein traumartiges Gefühl und wies „Was wäre wenn“ von den ersten Zeilen an als besonderes Buch aus.

Doch je weiter ich mit dem Buch kam, desto unklarer wurde mir eigentlich, ob das literarische Spiel mit dem Schicksal gelungen ist. Justins neue Identität nimmt seltsame Formen an: Der Junge verliebt sich – es konnte ja nicht anders kommen – in Agnes, wird darüber unglücklich, sein Leben gerät immer mehr aus den Fugen, er geht nicht mehr zur Schule, liegt tagelang nur im Bett und zieht von zu Hause aus. Und indem die Geschichte immer mehr Haken schlägt, wird das Buch zunehmend beliebiger. Mir fehlte irgendwie ein verlässlicher roter Faden in dem Buch. Hinzu kommt, dass mir Agnes wie Justin beim Lesen immer etwas fremd geblieben sind und ich das Gefühl hatte, immer außen vor der Geschichte zu stehen.

Was will Meg Rosoff mit diesem Buch eigentlich aussagen? Dass das Schicksal die Menschen ständig bedroht? Dass man sich damit arrangieren, sich darüber hinwegsetzen und sein Leben in die Hand nehmen muss? Ja, gut… Aber für meinen Begriff schafft es diese exzentrische Geschichte nicht so richtig, das eindringlich zu vermitteln. Und jenseits dieser Botschaft fand ich das Buch auch an einigen Stellen etwas langatmig.

Fazit:

3 von 5 Punkten. Meg Rosoff schreibt sicherlich besondere Bücher – aber noch mehr als ihr erstes Jugendbuch „So lebe ich jetzt“ bin ich mit „Was wäre wenn“ nicht richtig warm geworden. Ich habe mich nicht in die Geschichte hineingezogen gefühlt. Sicher, die Autorin hat außergewöhnliche Ideen: imaginierte Hunde, sprechdenkende Kleinkinder, sich mitteilen könnende tote Kaninchen, das Schicksal, das sich artikuliert, … Aber all das ist in eine Geschichte gepackt worden, die mich nicht genug gefesselt hat.

Man könnte „Was wäre wenn“ als ein modernes Märchen ansehen – ein faustisches Spiel zwischen dem Schicksal und einem Jungen. Aber das ändert nichts daran, dass diesem Buch für meinen Geschmack etwas Treibendes gefehlt hat. Ein Sog, der mich so richtig in diese Geschichte hineingezogen hat, der mich davon nicht mehr hat loskommen lassen. Schade – nach diesem guten Buchbeginn… Man hätte mehr aus diesem Spiel mit dem Schicksal machen können.

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(Ulf Cronenberg, 25.05.2008)

P.S.: Was mir übrigens schleierhaft ist: Wie man in dem Buch von „Langlauf“, den Justin macht, sprechen kann. Es geht ja nicht darum, dass sich Justin seine Langlaufskier umschnallt und durch die Schneelandschaft wandert. Nein, gemeint ist „Langstreckenlauf“… Eine kleine Schwäche in der Übersetzung, die aber auch das Lektorat eigentlich hätte bemerken müssen.

Kommentare (0)

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  2. Christoph

    Ein ärgerliches Buch.
    Was mich bei „Der Joker“ und „Die Bücherdiebin“ faszinierte, nämlich das Kommentieren und Lenken der Geschichte von außen, empfinde ich hier als aufgesetzt und nervend. Was wäre, wenn die Autorin einen überzeugenden Schluss für dieses Buch gefunden hätte? So sieht es aus, als ob ihr die Ideen ausgegangen sind. Die Hauptpersonen (ob 1, 11, 14 oder 19 Jahre alt) wirken altklug und unecht. Dieses Buch nimmt Jugendliche nicht ernst.
    Gefallen kann es meines Erachtens nur manchen Erwachsenen, die glauben, in ihrer Pubertät etwas versäumt zu haben.

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