(Beltz & Gelberg 2025, 138 Seiten)
Da ist mir doch im letzten Jahr glatt ein Buch von Stephan Knösel durch die Lappen gegangen: „Behalt Dein Herz. Ihr könnt mich mal“ war allerdings auch für jüngere Leser/innen ab 11 Jahren. Seinen neuen Jugendroman – „Das Leben ist nichts für Anfänger“ ist ein fast etwas abgedroschener Titel – habe ich nun aber gelesen. Das Buch kommt als recht schmales Bändchen daher – fast im Novellenumfang, zumal es noch einige leere graue Deckseiten an den Kapitelanfängen gibt – und hat ein aktuelles Thema: Messerstechereien unter Jugendlichen nehmen zu, und genau darum geht es in dem Roman.
Inhalt:
Ein Freund seines jüngeren Bruders Tree hat Flipper benachrichtigt, dass Tree schwer verletzt in einem Park liege. Und als Flipper mit seinem Rad zu der Stelle kommt, ist die Hose seines Bruders blutdurchtränkt. Flipper versucht die Blutung am Oberschenkel, die von einem Messer kommt, zu stillen; kurz darauf hört er Sirenen und ein Krankenwagen fährt vor. Die Sanitäter kümmern sich um Tree, der kaum noch ansprechbar und äußerst schwach ist; sie nehmen ihn mit ins Krankenhaus. Auf die Frage von Flipper, ob sein Bruder durchkommen werde, antworten die Sanitäter, dass nun jede Sekunde zähle; Tree habe schon sehr viel Blut verloren.
Flipper würde gerne im Krankenwagen mitfahren, doch das erlauben die Sanitäter nicht. Ein Polizist in Zivil, der inzwischen auch vor Ort ist ist, hält ihn zurück, sagt, er müsse den Rettungsleuten und Ärzten vertrauen. Als der Polizist jedoch mit Flipper sprechen und ihn befragen will, trifft Flipper eine Entscheidung: Er schwingt sich auf sein Rad und haut ab, denn er will seinem Bruder beistehen, außerdem herausfinden, wer seinem Bruder das angetan hat.
Bewertung:
In den letzten Jahren gibt es immer mehr Jugendliche, die ein Messer dabei haben, wenn sie unterwegs sind – entsprechend steigen auch Delikte, bei denen Menschen durch Messer verletzt oder getötet werden. Stephan Knösel schreibt im Nachwort, dass sein Sohn von einer tödlichen Messersticherei in der Nähe seiner Schule erzählt habe; danach sei Stephan Knösel noch weitere Male mit dem Thema konfrontiert worden, und hieraus ist dann die Idee für das Buch entstanden.
Erzählt wird das Buch im Wesentlichen personal aus der Sicht von Flipper – eine gute Entscheidung, die mir für die Story besser gefällt, als wenn es hier einen Ich-Erzähler gegeben hätte. Die Geschichte bleibt dadurch etwas distanzierter; das, was in Flipper vorgeht, kommt einem nicht ganz so nah. Eingestreut sind einige Male kurze Kapitel mit wenigen Seiten, in denen man den Gedanken von Tree in seiner halben Bewusstlosigkeit folgt, der sich an frühere Erlebnisse erinnert, Dinge verarbeitet, die um ihn herum geschehen.
Die Kürze des Buchs führt dazu, dass es Tempo hat; und vor allem, als Flipper sich auf die Suche nach den Tätern macht, nimmt die Geschichte Fahrt auf. Flipper stattet zunächst Alex, dem besten Freund seines Bruders, einen Besuch ab; doch der will ihn nicht in die Wohnung lassen. Flipper verschafft sich allerdings halb gewaltsam Zutritt, und dort erfährt er, nachdem er nicht lockergelassen hat, wer seinen Bruder mit dem Messer verletzt hat. Man kann sich vorstellen, dass Flipper das nicht so stehen lassen kann und beginnt, nach dem Täter zu suchen.
An „Das Leben ist nichts für Anfänger“ gefällt mir, dass die Story nicht voraussehbar ist. Was bei der Messerstecherei passiert, ist nicht das, was man am Anfang vermutet und sich ausgemalt hat. Und auch bei Flipper tut sich was. Er, der nicht gerade ein Freund der Polizei ist, stellt seine bisherige Meinung irgendwann in Frage. Überhaupt: Es gibt kein eindeutiges Gut und Böse in dem Buch, und das ist gut so.
Das Buch ist größtenteils – wenn man von den Einschüben aus der Sicht von Tree absieht – linear erzählt. Das ist durchaus passend, weil der Plot an sich genug Spannung bietet und das Buch trägt. Allerdings sind in dem Buch so einige Formulierungen zu finden, über die ich gestolpert bin, weil sie einfach nicht in ein Buch über und für Jugendliche passen. Da steht z. B. auf Seite 94, als Flipper auf Ricki, der an der Messerstecherei beteiligt war, trifft:
„Ricki war sehr hübsch für einen Jungen. Er hatte eine schicke Frisur, wie ein Kinderstar aus einer Disney-Serie.”
„Hübsch für einen Jungen“ und „schicke Frisur“ – das sind nun wirklich nicht Formulierungen, mit denen man – selbst in personaler Erzählperspektive – Flippers Gedanken beschreiben sollte. Das klingt nicht nur seltsam lahm, sondern wie aus dem letzten Jahrhundert. Oder eine weitere Stelle (hier aus der Sicht von Tree zitiert, der an einen Kroatien-Urlaub zurückdenkt): „Mutter saß danach immer noch oben auf der sandigen Terrasse unter den großen Kiefern und unterhielt sich mit einer Urlaubsbekanntschaft […].“ (S. 124) Das hätte vielleicht meine Oma so formuliert – aber ein Jugendlicher heute? Solche sprachlichen Fauxpas mögen einem als Autor mal unterlaufen; aber es sind schon einige, und außerdem gibt es dafür ja ein Lektorat, und das hat in dem Fall schlicht und ergreifend geschludert.
Fazit:
3-einhalb von 5 Punkten. Das Thema von „Das Leben ist nichts für Anfänger“ gefällt mir nicht nur, sondern finde ich wichtig. Es ist ein erschreckender Trend, dass Messer von Jugendlichen deutlich häufiger nicht nur mitgeführt, sondern auch für Gewaltdelikte verwendet werden. Stephan Knösel zeigt an einem durchaus realitätsnahen Beispiel, welche Folgen das haben kann; und sowohl Flipper als auch Tree sind durchaus realistisch beschriebene Jugendliche – auch wenn Flipper als großer beschützender Bruder vielleicht ein bisschen überzeichnet ist.
Der Plot passt jedenfalls, er kennt Spannung, hat unerwartete Wendung, er wirkt in sich rund und abgeschlossen. Doch sprachlich holpert es an vielen Stellen ganz schön. Das ärgert mich fast ein bisschen, weil ein gründliches Lektorat hier einiges hätte verhindern können. Mich hat es außerdem beim Lesen immer wieder aus der Spannung gerissen, wenn ich über unpassende Formulierungen gestolpert bin. Das Buch mit dem brisanten Thema hätte jedenfalls, finde ich, mehr Sorgfalt verdient gehabt.
(Ulf Cronenberg, 02.04.2025)
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