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Buchbesprechung: Peter Cocks „Long Reach“

Cover Peter CocksLesealter 14+(dtv 2012, 446 Seiten)

Ab und zu muss man einfach – wenn man die Gattung mag – mal einen Thriller lesen, auch wenn es sich dabei vielleicht nicht um eine ganz so anspruchsvolle Lektüre handelt. Aber das Schöne an Thrillern ist, dass sie der Spannung wegen einfach von sich aus weitergelesen werden wollen. Von daher war ich dankbar, dass vor kurzem mal ein waschechter Thriller bei mir gelandet ist. Peter Cocks, ein britischer Autor, der bisher vor allem Fantasy-Romane geschrieben hat, hat einen Thriller für Jugendliche herausgebracht – und den habe ich mir angeschaut.

Inhalt:

Steve Palmer hat Selbstmord begangen – ein schlimmer Schlag für seinen jüngeren Bruder und für seine Mutter. Dass Steve als V-Mann für den Geheimdienst gearbeitet hat, wusste keiner von beiden. Steves Bruder erfährt es erst, als er von der Schule abgeht und selbst von einem Freund der Familie für den Geheimdienst angeworben wird. Unter dem neuen Namen Eddie Savage soll er verdeckt ermitteln und bekommt eine völlig neue Identität verliehen.

Eddie soll sich an ein unnahbares Mädchen namens Sophie Kelly heranmachen. Dazu wird er als neuer Schüler in deren Schule eingeschleust. Dort bekommt er schon nach kurzer Zeit mit, dass Sophie gefährliches Terrain ist. Ihrem Vater – offiziell ein erfolgreicher Geschäftsmann – werden dunkle Machenschaften nachgesagt, ein früherer Freund von Sophie wurde nach Beendigung der Beziehung tot aufgefunden. Eddie schafft es tatsächlich nach und nach das Vertrauen von Sophie zu gewinnen und wird schließlich sogar in die Familie eingeführt.

Er lernt Sophies Vater Tommy Kelly kennen, dem der Geheimdiest seit Jahren auf der Spur ist, ohne ihm etwas anhängen zu können. Eddie schmuggelt Wanzen in das Haus der Kellys, es gelingt ihm sogar, das Vertrauen von Sophies Vater zu erlangen, der ihn nach und nach in seine Geschäfte – allerdings zuerst in die harmloseren – einweiht. Doch die Gefahr, als Maulwurf enttarnt zu werden, wächst von Tag zu Tag.

Bewertung:

Bei „Long Reach“ (Übersetzung: Nina Frey) handelt es sich zumindest mal um einen echten Thriller – das zeigt schon die Inhaltszusammenfassung –, und nicht um ein Buch, das das Prädikat nur zu Werbezwecken verliehen bekommen hat. Jedenfalls findet man in dem Jugendroman alle Elemente eines Thrillers: Die Situation spitzt sich für Eddie zunehmend zu, er läuft Gefahr, dass sein Doppelspiel enttarnt wird, und es gibt einige brenzlige und haarsträubende, vor Spannung knisternde Situationen, in die Eddie hineingezogen wird. Gewalt – aber für Jugendliche in erträglichen Dosen – enthält das Buch natürlich auch.

Größtenteils wird das Buch aus der Sicht von Eddie erzählt – in nur wenigen kursiv gedruckten Passagen folgt man auch einmal zwei Ganoven, die für Tommy Kelly die Drecksarbeit machen. Die Figur Eddies ist vielschichtig angelegt: Es wird beschrieben, wie er nach einer einwöchigen Ausbildung langsam seine neue Identität verinnerlicht, wie er mit zunehmender Dauer auch die Distanz zu Sophie und ihrer vordergründig sehr wohlwollenden Familie verliert, dem Luxus der Kellys nach und nach etwas abgewinnen kann, dann aber auch wieder von einer Kollegin auf Spur gebracht wird. Dass das gelingt, hängt damit zusammen, dass der Tod seines Bruders auch mit den Machenschaften von Tommy Kelly zusammenhängt.

„Long Reach“ ist ein solide geschriebenes Buch – so könnte man das zusammenfassen. Als Zuckerli für den jugendlichen Leser bietet es ab und zu auch die ein oder andere eher triviale Nebengeschichte, wenn Eddie von einer Geheimdienstkollegin verführt wird. Die trivialen Anteile lesen sich dann (um die schlimmste Stelle zu zitieren), als Eddie das erste Mal zu Sophie nach Hause kommt, so (S. 177):

Die Hunde honorierten das, indem sie an meinen Eiern herumschnüffelten und dann wieder in den Korb kletterten, als hätten sie beschlossen, dass ich keine Bedrohnung darstellte. Da lagen sie richtig. Meine Eier waren auf Haselnussgröße geschrumpelt. Nie im Leben habe ich mich unbedrohlicher gefühlt.

Da merkt man dann eben doch, dass Peter Cocks kein Kevin Brooks ist, sondern dass das Buch etwas trivialer als die Thriller des britischen Kollegen daherkommt. Gottseidank halten sich solche Ausrutscher auf Bildzeitungsniveau aber in Grenzen.

Fazit:

4 von 5 Punkten. Peter Cocks liefert mit seinem Jugendthriller das ab, was man sich davon verspricht – nicht mehr, nicht weniger. Der 17-jährige Eddie Savage ist ein sympathischer und plausibel-stimmiger Ermittler, der eher aus Versehen beim Geheimdienst landet und von daher auch immer wieder daran zweifelt, ob er das Richtige tut und dem Job gewachsen ist. Für Jugendliche stimmt die Hauptfigur, beim Rest der Figuren (das gilt gerade für die Schergen von Tommy Kelly) wurde ab und zu etwas stark in die Klischeekiste gegriffen. Aber „Long Reach“ ist eben ein Unterhaltungsthriller und hat nicht den Anspruch, hochstehende Literatur zu sein.

„Long Reach“ taugt damit insbesondere als Lektüre für Jungen, die unterhalten werden wollen, die Spannung brauchen, um ein Buch zu lesen. Ob Mädchen das Buch auch gut finden, wage ich dagegen eher zu bezweifeln. Aber das muss ja auch nicht sein.

Vier Punkte für dieses Buch? Bei jungentauglichen Büchern darf man auch mal etwas gnädig sein …

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(Ulf Cronenberg, 18.05.2012)

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Kommentare (2)

  1. Linda Ziegler

    Hallo,
    weiß zufällig jemand, ob es den zweiten Eddie-Savage-Thriller „Body Blow“ schon auf Deutsch gibt?

    Antworten
    1. Ulf Cronenberg

      Gibt es noch nicht (warum schaust du nicht selbst z. B. bei Amazon?) und ist auch noch nicht angekündigt. Ich gehe aber davon aus, dass dtv auch den nächsten Band rausbringen könnte.

      Antworten

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