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Buchbesprechung: Jan de Leeuw „Roter Schnee auf Thorsteinhalla“

Cover de LeeuwLesealter 13+(Gerstenberg-Verlag 2010, 302 Seiten)

Von Jan de Leeuw, einem belgischen Jugendbuchautor, ist dieses Jahr schon ein anderes Buch bei Gerstenberg erschienen, das ich auch gelesen habe. „Schrödinger, Dr. Linda und eine Leiche im Kühlhaus“ ist eine ziemlich skurrile Geschichte, die es mir angetan hat. Ein ganz besonderes Buch …

Der Buchumschlag von „Roter Schnee auf Thorsteinhalla“, den man schon fast altmodisch nennen könnte und der mich irgendwie an die Zeichentrickserie „Wicki“ erinnert, lässt vermuten, dass es hier um etwas ganz anderes geht. Und so ist es auch. Jan de Leeuws neues Buch, das auf Niederländisch zwei Jahre vor „Schrödinger, Dr. Linda und eine Leiche im Kühlhaus“ veröffentlicht wurde, spielt zur Zeit der Wikinger.

Inhalt:

Hallgerd ist die Tochter eines Wikingerfürsten und einer irischen Prinzessin. Ihr Mutter hat sich jedoch selbst das Leben genommen, weil sie sich abseits ihrer Heimat nicht wohl gefühlt hat. Hallgerds Vater hat daraufhin wieder geheiratet, doch mit seiner Stiefmutter kommt das Mädchen überhaupt nicht zurecht. Mit ihren roten Haaren und ihrem ungestümen Temperament ist Hallgerd außerdem den meisten Menschen suspekt – hinter vorgehaltener Hand wird sie nicht selten als Hexe bezeichnet.

Eines Tages kommt ein früherer Kampfgefährte auf den Hof von Hallgerds Vater. Dieser will seinen früheren Weggefährten davor warnen, dass er bald überfallen wird. Er bietet ihm Unterstützung an, nicht jedoch ohne eine Gegenleistung zu verlangen. Er will Hallgerd als Frau für seinen Sohn Magnus.

Als Hallgerd davon Wind bekommt, beschließt sie zu fliehen. Sie macht sich auf und davon, bemerkt jedoch auf dem Weg in ihr Versteck, wie nachts eine Schar vermummter Reiter in Richtung des Hofs ihres Vaters galoppiert. Sie will die Menschen auf dem Hof warnen, kommt jedoch zu spät. Der Hof ist niedergebrannt und die Menschen liegen niedergemetztelt auf dem Schnee.

Als sie sich umschaut, bemerkt sie, dass der Sohn des früheren Kampfgefährten zwar schwer verwundet ist, aber noch lebt. Sie schafft es, den Jungen zu Verwandten zu schleppen und kommt dort selbst, ohne dass jemand weiß, wer sie ist, unter. Jahre später – inzwischen ist Hallgerd eine junge Frau – sinnt sie auf Rache, denn sie hat in der Nacht des Überfalls gesehen, wer die vermummte Reiterschar angeführt hat.

Bewertung:

„Roter Schnee auf Thorsteinhalla“ (Übersetzung: Rolf Erdorf) ist ein völlig anderes Buch als „Schrödinger, Dr. Linda und eine Leiche im Kühlhaus“. Jan de Leeuw hat einen Zeitungsartikel, der am Ende des Buches abgedruckt ist, zum Anlass genommen, eine historische Geschichte um einen archäologischen Fund herum zu erfinden. Ich gehe davon aus (weiß aber nichts Genaues), dass die Personen im Buch sowie die Begebenheit erfunden sind.

Historischen Roman stehe ich insgesamt ja oft eher skeptisch gegenüber. Allerdings entfaltet „Roter Schnee auf Thorsteinhalla“ schon nach kurzer Lesezeit einen ganz eigenen Reiz. Die Geschichte ist spannend, ohne richtig vorhersehbar zu sein, und die Figuren sind vielschichtig und interessant gezeichnet. Das gilt insbesondere für Hallgerd, die eine starke und eigenwillige Frau ist und die ihre Ziele mit großer Ausdauer verfolgt, ohne dabei vor Gräueltaten zurückzuschrecken.

Überhaupt steht das Buch, was schreckliche Geschehnisse angeht, vielen Fantasy-Büchern in nicht allzu vielem nach. Das Leben der Wikinger ist alles andere als zartbesaitet. Es wird gemordet und geschändet, es werden Ränke geschmiedet – und all das wird in dem Buch auch beschrieben, jedoch so, dass man es auch Jugendlichen vorsetzen kann.

Gut gelungen ist Jan de Leeuw die Anlage des Buches. Auf den Leser wartet nicht nur die ein oder andere Überraschung, sondern die Kapitel beginnen oft aus einer ganz anderen Perspektive als das vorhergehende. Man braucht immer ein paar Seiten, bis man wieder in die Geschichte hineinkommt und die Erzählstränge miteinander verbinden kann. Das setzt eine gewisse Reife beim Leser voraus, erhöht aber den Lesegenuss.

Ein wenig gehadert habe ich bei „Roter Schnee auf Thorsteinhalla“ mit zwei Dingen: Das Buch hat die ein oder andere kleine Länge (z. B. wenn auf Hallgerds Hof auf einen Angriff gewartet wird), zum anderen endet das Buch etwas abrupt. Der Schluss ist zwar meisterhaft inszeniert, aber zugleich bricht die Geschichte für meinen Geschmack zu plötzlich ab.

Fazit:

4 von 5 Punkten. „Roter Schnee auf Thorsteinhalla“ ist mal etwas anderes als die vielen Fantasy-Bücher, die den Büchermarkt seit vielen Jahren überschwemmen, und bietet vor einem historischen Hintergrund eine Geschichte, die Fantasy-Fans durchaus auch gefallen könnte. Wikinger statt Orks – das Konzept geht jedenfalls, das ist meine Meinung, auf. Jan de Leeuws Buch ist gut geschrieben, bietet Spannung und ist intelligent erzählt. Die kleinen Schwächen (siehe oben) fallen gegenüber den positiven Gesichtspunkten nicht allzu sehr ins Gewicht.

Ich war angesichts dieses zweiten Buches von Jan de Leeuw, das in diesem Jahr auf Deutsch erschienen ist und das so viel anders als „Schrödinger, Dr. Linda und eine Leiche im Kühlhaus“ ist, anfangs etwas irritiert. Man würde nicht vermuten, dass hier der gleiche Autor am Werk ist, wenn man die beiden Bücher vergleicht. Aber warum nicht … Diese Vielseitigkeit kann man einem Schriftsteller ja durchaus zugutehalten.

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(Ulf Cronenberg, 06.07.2010)


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