(Gerstenberg-Verlag 2010, 126 Seiten)
Jan, der Löwe – so würde der Name des belgischen Autoren Jan de Leeuw auf Deutsch heißen, wenn man ihn übersetzt. Das klingt so richtig mittelalterlich … Jan de Leeuw ist von Beruf Psychologe, sehr viel mehr erfährt man über ihn in den Autoreninformationen dann allerdings nicht.
Der Titel des Jugendbuchs, aber auch das Buchcover machen den Leser und Betrachter zumindest neugierig. Verraten sei zumindest schon, dass die Geschichte dem in nichts nachsteht …
Inhalt:
Jonas‘ Leben ist alles andere als geordnet. Sein Vater ist seit einiger Zeit in der Psychiatrie – der Metzger konnte von einem Tag auf den anderen kein Fleisch mehr sehen und fühlte sich verfolgt. Und dann findet Jonas eines Tages seine Mutter tot in ihrem Bett auf – neben dem Bett steht ein leeres Fläschchen mit Schlaftabletten. Weil Jonas‘ kleine Schwester Sarah natürlich wissen will, wo ihre Mutter ist, schleift er die Tote Hals über Kopf in das Kühlhaus der Metzgerei, anstatt die Polizei zu rufen. Sarah gegenüber sagt er, dass ihre Mutter verreist sei.
Doch dass Jonas‘ Mutter verschwunden ist, bemerken bald verschiedene Leute. Zum einen ist da die neugierige Nachbarin Ernestine, die mit ihrem Hund vor dem Haus herumschnüffelt, etwas ahnt und ständig nach Jonas‘ Mutter fragt. Zum anderen meldet sich eine Redakteurin der Zeitschrift, für die Jonas‘ Mutter schrieb, wo denn deren Texte bleiben. Für die Zeitschrift hatte Jonas‘ Mutter auf einer Kummerseite als Dr. Linda die Fragen von Lesern beantwortet, die Probleme mit der Liebe haben. In seiner Not beginnt Jonas am Computer fortan selbst auf die E-Mails an Dr. Linda zu antworten …
So lernt er auch Heleen kennen, der er auf ihre Kummer-Mail, dass sie sich nicht wie andere verlieben könne, kurz und knapp antwortet, dass sie zufrieden sei solle, weil sie zu den wenigen Glücklichen zähle. Heleen bekommt heraus, wo Dr. Linda wohnt, und will ihr gehörig die Meinung sagen. Doch am Ende ist sie die Einzige, die Jonas in das Geheimnis um seine Mutter einweiht. Heleen hilft ihm auch bei der Organisation von Sarahs Geburtstag – bis dahin will Jonas den Tod seiner Mutter geheimhalten, um Sarah den Tag nicht zu verderben …
Bewertung:
Buchtitel und Cover halten Wort: Jan de Leeuws Jugendroman ist wahrhaftig eine skurrile Geschichte, in der ungewöhnliche Dinge passieren, ohne dass das Ganze jedoch aus dem Ruder läuft. „Schrödinger, Dr. Linda und eine Leiche im Kühlhaus“ ist irrwitzig und bizarr, schafft es aber trotzdem, stimmig zu bleiben – und das ist angesichts des Feuerwerks an Ideen gar nicht so einfach.
„Schrödinger, Dr. Linda und eine Leiche im Kühlhaus“ (Übersetzung: Rolf Erdorf) hat mir vom Anfang bis zum Ende wirklich gut gefallen. Man muss lachen angesichts der Dinge, die passieren, man wird nachdenklich, man fühlt sich bei eigenen Gedanken und Gefühlen ertappt … – die Spannbreite dessen, was das Lesen des Buches bei einem auslöst, ist groß. Letztendlich klingt das Buch, so wie es oben zusammengefasst wurde, vielleicht etwas seltsam, man könnte meinen das Buch sei grausam – aber das ist es ganz und gar nicht. Die absurden Dinge, die geschehen, sind so überzeichnet, dass man sie problemlos schmunzelnd wegstecken kann.
In die linear in der Er-Form erzählte Geschichte von Jonas eingestreut sind vier Abschnitte, in denen der Junge den Leser anspricht. Damit beginnt das Buch auch, und sofort wird man in das Geschehen hineingezogen. Diese Abschnitte lockern den Jugendroman auf und sie sind virtuos gemacht, weil sie mit dem Geschehen spielen – aus meiner Sicht hätte es durchaus noch mehr solcher Reflexionen geben können (aber vielleicht täusche ich mich auch und das hätte dann eher genervt).
Fazit:
5 von 5 Punkten. Was soll ich sagen? „Schrödinger, Dr. Linda und eine Leiche im Kühlhaus“ ist eine kurzweilige Geschichte – nicht nur der geringen Seitenzahl wegen, sondern auch was die Story betrifft. Selbstmord, Tod, Psychiatrie – das sind Themen, bei denen man ein trauriges und schweres Buch erwartet. Jan de Leeuw schafft es, über all das einen Roman zu schreiben, der genau das nicht ist. Die Geschichte ist so überzeichnet, hat so viel Slapstick, dass man trotz der problematischen Dinge, die dort passieren, immer wieder grinsen muss. Und dennoch ist Jan de Leeuws Buch nicht oberflächlich, sondern hat zwischen dein Zeilen eine nicht vermutete Tiefe. Ich finde es erstaunlich, wie gekonnt Jan de Leeuw es geschafft hat, diese Balance aus Humor und Nachdenklichkeit herzustellen.
Dieses Buch werde ich irgendwann bestimmt ein zweites Mal lesen. Und ich bin schon jetzt gespannt, ob es den großen Reiz, den es beim ersten Lesen auf mich hatte, behält. Ansonsten kann ich nur sagen: Lest das mit 12,90 Euro nicht gerade günstige Bändchen! Mit Logik und Ernst darf man an dieses Buch nicht herangehen, sondern man sollte ihm mit Humor begegnen. Wer anfängt nachzudenken, ob das alles stimmig ist, hat schon verloren.
(Ulf Cronenberg, 07.03.2010)
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