
(dtv 2025, 216 Seiten)
Ein Jugendroman, der in Malaysia spielt, ist schon etwas Besonderes. Im Original ist er allerdings auf Englisch geschrieben, die Autorin kommt aus Sarawak in Malaysia – einer Stadt mit fast 2,5 Mio. Einwohnern, die wahrscheinlich kaum jemand kennt –, studiert allerdings inzwischen in London Jura. Malaysia ist für uns ein eher unbekanntes Land, in dem es, wenn man Fotos anschaut, sehr malerische Landschaften gibt, dessen Großstädte allerdings (wie die Hauptstadt Kuala Lumpur) mit vielen Hochhäuser sehr modern aussehen.
Inhalt:
Aisha ist 17 Jahre alt und lebt mit ihrer Mutter alleine, und hinter der Familie liegt eine schwere Zeit. Erst ist Aishas Vater schon vor längerer Zeit an Krebs gestorben; Aishas Mutter hat das nicht verkraftet und sich apathisch völlig zurückgezogen. June, Aishas ältere Schwester, hat das irgendwann nicht mehr ausgehalten und ist einfach abgehauen, ohne Bescheid zu geben, wohin; seitdem hat June sich (das Ganze ist gut zwei Jahre her) nicht mehr gemeldet.
Vor 3 Monaten war eine schreckliche Nachricht verbreitet worden: Es wurde bekanntgegeben, dass die Welt in einem Jahr untergehen werde. Ein Meteorit rase auf die Welt zu, alle Überlegungen, wie man ihn am Aufschlag auf der Erde hindern könnte, wurden von Wissenschaftlern als aussichtslos dargestellt. Die Menschen hat dadurch eine seltsame Lethargie erfasst. Aisha hat bisher allerdings versucht, sich nicht zu sehr davon anstecken zu lassen, und sie ist zumindest glücklich mit ihrem Freund Walter, der sich gut um sie kümmert und ein ruhiger, einfühlsamer Mensch ist.
Aishas Mutter nimmt sich dann aber doch etwas vor: Sie will vor dem Weltuntergang nach June suchen – es gibt auch eine Vermutung, wo June sich aufhalten könnte: im Haus der verstorbenen Großeltern in einer Stadt am anderen Ende des Landes. Weil Aisha und ihre Mutter die Reise nicht alleine unternehmen wollen, fragen sie Walter und dessen Eltern, ob diese mitkommen. Sie sagen zu, und so machen sie sich die fünf Personen inklusive Katze Flohsack mit einem alten Wohnmobil, das Walters Vater von einem Freund bekommen hat, auf den Weg.
Bewertung:
Es ist schon ein eigenwilliges Szenario, das in „Katzen, die wir auf unserem Weg trafen“ (Übersetzung: Uwe-Michael Gutzschhahn; engl. Originaltitel: „The Cats We Meet Along The Way“) den Hintergrund bildet – eigenwillig vor allem, weil der Weltuntergang fast beiläufig erwähnt wird und dann gar nicht so häufig direkt thematisiert wird. Es hat mich zugegebenermaßen das ganze Buch über etwas irritiert, dass nicht mehr auf die Weltuntergangsstituation eingegangen wird. Denn es hätte mich wirklich sehr interessiert, was es mit einer Gesellschaft, was es mit den Menschen macht, wenn sie wissen, sie haben nur noch ein Jahr zu leben. Doch das Buch setzt andere Schwerpunkte, ist eben keine reißerische Dystopie.
Nadia Mikail stellt stattdessen die Familiendynamik in den Vordergrund, und die hat weniger mit dem Weltuntergang als mit dem Tod des Vaters zu tun, der die Mutter in eine tiefe Depression gestürzt hat. Weil sie sich danach nicht mehr um ihre Kinder gekümmert hat, war es lange Zeit June, die für Aisha da war; dass June dann ohne Ankündigung verschwunden ist, war für Aisha eine schlimme Sache. Immerhin hat sie in ihrem Freund Walter mit seinem sonnigen Gemüt einen großen Halt.
Das Buch besteht aus Kapiteln, meist mit einem Umfang zwischen 5 und 12 Seite, und unter deren Überschrift steht in Klammern immer, aus welcher Zeitebene berichtet wird. Der Großteil spielt sich in der erzählten Gegenwart ab, doch es gibt auch Kapitel, in denen vergangene Begebenheiten oder Träume von Aisha wiedergegeben werden. Erzählt wird übrigens personal aus der Sicht von Aisha, was einen mit etwas mehr Distanz als bei der Ich-Form auf die Geschehnisse blicken lässt.
Wie die junge malaysische Autorin erzählt, wirkt ungeschliffen – es ist schwer zu fassen und zu beschreiben. An einigen Stellen wird manches fast kindlich vorgetragen, an anderen werden die Gefühle der Figuren distanziert und sehr erwachsen dargestellt. Es ist eine seltsame Mischung, die auf der einen Seite ihren Reiz hat, auf der anderen Seite manchmal etwas unbeholfen wirkt. Das betrifft übrigens auch das Motiv der Katzen, das ja sogar in den Buchtitel aufgenommen wurde, aber irgendwann im Buch dann auch mal lange Zeit völlig vergessen wird.
Wie dagegen die Familiendynamik dargestellt wird, hat mir gefallen. Vor allem Aisha trägt viel Wut in sich, die das Buch durch Rückblenden zu erklären versucht; und Aisha – da ist das Buch ganz Entwicklungsroman – lernt, lange Unterdrücktes endlich rauszulassen und das eröffnet, dass sich etwas verändert: Aishas Mutter sieht, mit der Wut konfrontiert, irgendwann ein, dass sie nach dem Tod ihres Mannes nicht mehr für ihre Töchter da war. Hier geht es dann auch um Vergebung; die schwierigen Familienverhältnisse kommen langsam in Ordnung.
Fazit:
3-einhalb von 5 Punkten. Beim Lesen von „Katzen, die wir auf unserem Weg trafen“ spürt man immer wieder, dass man einen Debütroman vor sich hat, dass man den ersten Roman-Versuch einer jungen Autorin liest. Oft hatte ich beim Lesen außerdem das Gefühl, keinen typischen Jugendroman in den Händen zu halten. An einigen Stellen wird so erzählt, dass wohl eher Erwachsene andocken können; und das Thema der Familiendynamik und das Alter der Hauptfiguren sprechen auch dafür.
Und trotzdem ist es interessant, einen so ungefilterten Roman aus einem fremden Land zu lesen und in eine etwas andere Art zu denken einzutauchen. Einiges fühlt sich vertraut an; aber wie zum Beispiel die Erwachsenen von den Jugendlichen angesprochen werden, wie man in den Familien miteinander umgeht, ist dann doch ganz anders als hier in Mitteleuropa. Mit dem Weltuntergangsszenario hat Nadia Mikail ihr Buch einerseits auf einer ungewöhnlichen Idee aufgebaut, andererseits ist das Szenario für meinen Geschmack nur angerissen und hat zu wenig Raum bekommen. Da hätte ich mir mehr Tiefe gewünscht.
Wer sich nun fragt, ob der Trip mit dem bunt angemalten Wohnmobil zu June geführt hat, den muss ich leider vertrösten. Lest das Buch selbst – das wollte ich dann doch nicht vorwegnehmen …
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(Ulf Cronenberg, 10.10.2025)
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Was ich besonders spannend finde, ist, wie viel man aus solchen Besprechungen und Kritiken lernen kann – nicht nur als Leser, sondern auch als Autor. Es hilft, verschiedene Perspektiven zu sehen und zu verstehen, was bei einer Geschichte funktioniert und was nicht. Ich finde, dass solche Einsichten auch sehr wertvoll sind, wenn man an einem eigenen Buch arbeitet. Es gibt immer etwas zu lernen, sei es über Familiendynamiken, Erzähltechniken oder wie man ein einzigartiges Szenario umsetzt. Ich werde definitiv weiterhin solche Besprechungen verfolgen, um mein eigenes Schreiben weiterzuentwickeln!