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Buchmesse und Verleihung des Deutschen Jugendliteraturpreises 2008 – Eindrücke …

Gestern und heute war ich auf der Buchmesse in Frankfurt – und natürlich auch am Freitagabend ab 17.30 Uhr bei der Verleihung des Deutschen Jugendliteraturpreises 2008 im Saal Harmonie des Congress Centers der Messe Frankfurt. Interessant, habe ich doch das erste Mal das große Event live mitverfolgt.

Meine Eindrücke von der Verleihung und von der Buchmesse allgemein habe ich in dem folgenden längeren Bericht zusammengefasst – und auch ein paar der Fotos, die ich gemacht habe (beim Draufklicken werden sie übrigens vergrößert), angefügt. Na ja, und eine Bewertung, ob und wie ich mit der Auswahl der mit dem DJLP 2008 prämierten Bücher zufrieden bin, kann ich mir natürlich auch nicht verkneifen … 🙂

Die Preisträger wurden ja schon gestern Abend über Presse, Funk und Fernsehen bekannt gegeben. Für die, die das noch nicht mitbekommen haben, hier noch mal die Zusammenfassung der Juryentscheidungen für die einzelnen Sparten:

  • Zunächst wurde der Sonderpreis für Übersetzer vergeben – und zwar an Gabriele Haefs, die vor allem aus den nordischen Sprachen Bücher ins Deutsche übertragen hat, darunter z. B. „Sofies Welt“ von Jostein Gaarder.

Die Übersetzerin Gabriele Haefs mit Moderator Marc Langebeck
Foto: Die Übersetzerin Gabriele Haefs mit Moderator Marc Langebeck

  • In der Sparte Bilderbuch ging das Buch „Hänsel und Gretel“ von Susanne Janssen als Sieger hervor. Die Ausschnitte aus den Illustrationen Susanne Jannssens zu dem Märchen der Gebrüder Grimm, die bei der Preisverleihung gezeigt wurden, haben mir jedenfalls gut gefallen (sie sind sehr skurril und zugleich ästhetisch), und ich werde mir das Buch noch kaufen.
  • Als bestes Kinderbuch wurde „Ein Bild von Ivan“ von Paula Fox (Übersetzung: Brigitte Jakobeit) prämiert. Die über 80-jährige Autorin war jedoch leider gestern Abend nicht anwesend, um den Preis in Empfang zu nehmen. Ich habe nicht alle der anderen nominierten Kinderbücher gelesen – aber „Ein Bild von Ivan“ fand ich nicht sonderlich toll. Meiner Meinung nach ist das kein richtiges Kinderbuch, sondern eher ein Erwachsenenbuch über die Kindheit. Und – wie man in der Buchbesprechung bei Jugendbuchtipps.de nachlesen kann: Ich fand das Buch, ehrlich gesagt, eher langatmig – auch wenn es einen hohen literarischen Anspruch hat. Aber der ist in dieser Form eher für erwachsene Leser interessant.
  • Der Preis für das beste Sachbuch wurde an Andres Veiels „Der Kick. Ein Lehrstück über Gewalt“ verliehen. Ein schockierendes, aber auch mutiges Buch über den Mord an dem 16-jährigen Marinus Schöberl, der von drei Freunden im brandenburgischen Potzlow ermordet worden war. Andres Veiel hat hierfür lange in dem brandenburgischen Städtchen mit den Menschen gesprochen – aber so richtig zu fassen hat er, wie er auf Nachfrage meinte, die Gründe für die Tat nicht bekommen. Das Buch als bestes Sachbuch zu prämieren, ist jedenfalls eine mutige und einleuchtende Entscheidung der Jury.

Andres Veiel bedankt sich für die Verleihung des Preises
Foto: Andres Veiel bedankt sich für die Verleihung des Preises.

  • Die Jugendjury, die übrigens die nominierten Bücher aufgelockert und spannend in Kurzszenen auf der Bühne selbst vorstellte, hat als bestes Kinder- und Jugendbuch „Simpel“ von der französischen Autorin Marie-Aude Murail (Übersetzung: Tobias Scheffel) ausgewählt. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich das Buch bisher nicht gelesen habe (Christoph, ich weiß, du – und andere – hatten mir das Buch längst empfohlen … 😉 ).

Die Jugendjury präsentiert \"ihren\" Sieger.
Foto: Die Jugendjury präsentiert „ihren“ Sieger.

Die französische Autorin Marie-Aude Murail und ihr Übersetzer Tobias Scheffel nehmen den Preis entgegen.
Foto: Die französische Autorin Marie-Aude Murail und ihr Übersetzer Tobias Scheffel nehmen den Preis entgegen.

  • Den Preis für das beste Jugendbuch schließlich bekam Meg Rosoff für „Was wäre wenn“ (Übersetzung: Brigitte Jakobeit) – und das war für mich doch eher eine Enttäuschung. Für mich war klar, dass diesen Preis Anthony McCarten für „Superhero“ verdient hätte – aber die Kritikerjury hatte anders entscheiden. Ich kenne zwar viele Leute, denen Meg Rosoffs Buch gut gefallen hat, aber ich selbst hatte eher, wie in der Buchbesprechung nachzulesen ist, meine Schwierigkeiten mit dem Jugendbuch. Auch Meg Rosoff, die an dem Tag Geburtstag hatte, konnte an der Verleihung leider nicht teilnehmen.

Und sonst?

Was habe ich auf der Buchmesse noch gesehen? Von allem kann ich nicht berichten. Nur drei Highlights seien noch erwähnt:

Gestern Nachmittag hat Kevin Brooks mit seinem Übersetzer Uwe-Michael Gutzschhahn aus „Kissing the Rain“ vorgelesen. Das war sehr spannend, und sowohl Kevin Brooks als auch Uwe-Michael Gutzschhahn haben gezeigt, dass sie sehr sympathische und reflektierte Menschen sind. Kevin Brooks gehört für mich wirklich zu den großen Autoren der Jugendbuchszene – und Uwe-Michael Gutzschhahn übersetzt seine Bücher einfach kongenial.

Kevin Brooks (links) und sein Übersetzer Uwe-Michael Gutzschhahn
Foto: Kevin Brooks (links) und sein Übersetzer Uwe-Michael Gutzschhahn

Auch Anthony McCarten war auf der Buchmesse und las heute Nachmittag leider nicht aus „Superhero“, sondern seinem neuen Buch „Englischer Harem“, einem Erwachsenen-Buch. Vor lauter Fotografieren habe ich wenig von der Lesung mitbekommen, aber in der Fragerunde hinterher hat der Autor gezeigt, dass er auch in Interviews Humor hat.

Anthony McCarten beim Beantworten von Fragen (rechts daneben Alina Bronsky)
Foto: Anthony McCarten beim Beantworten von Fragen (rechts daneben Alina Bronsky)

Und schließlich sollten heute am Nachmittag im Lesezelt noch Andreas Steinhöfel, Bart Moeyaert und Zoran Drvenkar auftreten. Das konnte ich mir nicht entgehen lassen. Die Enttäuschung war jedoch groß, als am Anfang gesagt wurde, dass Zoran Drvenkar wegen einer Autopanne nicht rechtzeitig in Frankfurt eintreffen würde. Dennoch hat sich der Besuch im Lesezelt gelohnt. Andreas Steinhöfel las witzig und gekonnt aus „Rico, Oskar und die Tieferschatten„. Das ganze Zelt wackelte immer wieder fast vor Lachen … (ein bisschen Übertreibung gehört zum Geschäft). Auch Bart Moeyaert, der sein Erstleser-Buch „Mut für Drei“ vorstellte, war mit seinem flämischen Akzent, in dem er aus dem Buch auf Deutsch vorlas, für viele Lacher gut – und das, obwohl sein Buch eine Mobbing-Geschichte zum Inhalt hat. Tja, und dann musste ich leider zum Zug. Meine Hoffnung, dass Zoran Drvenkar doch noch vor meiner Abreise auftauchen könnte, hatte sich zerschlagen.

Andreas Steinhöfel liest aus \"Rico, Oskar und die Tieferschatten\".
Foto: Andreas Steinhöfel liest aus „Rico, Oskar und die Tieferschatten“.

Ach ja (fast hätte ich’s vergessen), was ich noch gelernt habe: Dass die Übersetzer(innen) von Jugendbüchern meist recht schlecht bezahlt und viel zu wenig gewürdigt werden. Und da muss ich mir auch selbst an die Nase fassen. Ich gelobe, dass ich in Zukunft bei übersetzten Jugendbüchern in den Buchbesprechungen auch die Übersetzer(innen) namentlich nennen werde. Birgitt Kollmann, selbst Übersetzerin, hatte mich neulich schon per Mail drauf hingewiesen, dass ich das doch tun solle – und nun mache ich hoffentlich auch wirklich ernst damit. Ermahnt mich, wenn ich es mal vergesse …

Mein Fazit

Die zwei Buchmessetage waren richtig anstrengend, aber auch interessant. Ich habe viele neue Leute aus den Verlagen, aber auch einzelne Autoren kennen gelernt. Mit den Preisen für das Kinder- und Jugendbuch bin ich nicht so glücklich … Für mich ist trotzdem „Superhero“ das Buch des Jahres 2007 – da bin ich mir mit Frank Maria Reifenberg (dem Autor von „Landeplatz der Engel“, der unter den letzten Buchmesse-Artikel einen Kommentar gesetzt hat) und vielen anderen einig. Und jetzt muss ich mich für den Rest des Abends erst einmal erholen …

Kommentare (0)

  1. Christoph Enzinger

    Hallo Ulf! Es ist kein großes Geheimnis, dass auch ich statt „was wäre wenn“ lieber „Superhero“ oder „Eine wie Alaska“ auf dem Siegespodest gesehen hätte.

    Aber auch mit der Jugendjury bin ich nicht ganz zufrieden: „Simpel“ ist, obgleich witzig und mit message (erinnert einerseits an „Rainman“ oder „Forrest Gump“ und andererseits an französische Komödien wie „Hase Hase“ von Coline Serreau), literarisch etwas flach. Es ist in einem Drehbuchstil geschrieben.

    Nun, die nominierten Bücher sind ganz schwer zu vergleichen. Daher ist eine Reihung auch schwierig.
    „Der Junge im gestreiften Pyjama“ ist eigentlich kein Jugendbuch. Eher eine Mischung aus Kinder- und Erwachsenenbuch.
    „Nick & Norah. Soundtrack einer Nacht“ hat mich schon auch fasziniert. Das ist wirklich ein Jugendbuch. Aber die Thematik ist wohl zu wenig prämierungswürdig: Eine Liebesgeschichte, die genau eine Nacht lang geschildert wird.
    „Running Man“ fand ich ein bisschen langweilig, „Die Minute der Wahrheit“ lese ich gerade. Sehr interessante Thematik, wohl aber nicht jedermanns Sache.
    Also, mein klarer Favorit wäre „Eine wie Alaska“ gewesen. Das ist einer der „Knaller“, die sich normalerweise bei der Jugendjury durchsetzen. „Simpel“ ist dagegen zu harmlos. „Simpel“ könnte auch als Theaterstück für Senioren erfolgreich sein.

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  2. Ulf Cronenberg

    Hallo Christoph,
    „Theaterstück für Senioren“ – da musste ich dann doch lachen … So ging es mir ein wenig mit „Ein Bild von Ivan“ von Paula Fox. Da stelle ich mir immer eine hoch gebildete Deutschlehrerin vor, die gemütlich bei einem Glas Rotwein abends auf dem Sofa sitzt und begeistert in dem Buch liest, dabei an die eigene, nicht leichte Kindheit zurückdenkt. In meinem Bild haben da Kinder (am ehesten noch feinfühlige Mädchen, wenn man Ihnen das Buch vorliest und mit ihnen darüber spricht) gar keinen Platz.
    Dass die Jugendjury „Eine wie Alaska“ auswählt, hatte ich mir auch gewünscht. Aber meiner Tochter hat das Buch seltsamerweise nicht sonderlich gut gefallen (während sie von „Superhero“ begeistert war).
    Gruß, Ulf

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  3. Michaela Braun

    Hallo Ulf,

    bei der Suche nach einem ausführlichen Bericht über die Verleihung des Jugendliteraturpreises bin ich auf deine Seite gestossen und ehrlich freudig überrascht.
    1. Endlich mal ausführliche Eindrücke über die Preisverleihung (danach habe ich im Fernsehen und auf anderen Kulturseiten vergeblich gesucht!!!!) – danke!
    2. Insgesamt eine tolle Website, die ich bestimmt auf der Suche nach Lesetipps für meine Kinder demnächst noch öfter besuchen werde.

    Herzlichen Dank für das tolle Engagement,

    Grüße, Michaela Braun

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  4. Ulf Cronenberg

    Hallo, Michaela,
    danke für die freundlichen Worte… Ganz gelungen finde ich übrigens auch diese Zusammenfassung von der Preisverleihung bei HR-online.
    Gruß, Ulf

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  5. Christoph Enzinger

    Ja, sehr guter Bericht bei HR-online. Es werden spannende Beurteilungen der Preisbücher abgegeben. Ich finde auch gut, dass die Autorin des Berichts ihre Kritik an der Veranstaltung nicht verheimlicht.

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  6. Toni Wehrhahn

    Hi Ulf,
    nun habe ich deinen Bericht der Frankfurter Buchmesse auch gelesen. Deine Eindrücke bzw. Zusammenfassung der Verleihung des DJLPs finde ich sehr interessant, vor allem die Bilder (auch die Bilder, die die übrige Messe bezeugen) sind echt klasse geworden (es geht doch nichts über ein Teleobjektiv).
    Ich muss nur mal noch eine Anmerkung machen. Die Übersetzer(innen) anderer Rubriken verdienen ebenfalls sehr wenig, das ist nicht nur im KJL-Bereich so. Das musste ich einfach mal loswerden, auch wenn’s klugscheißerisch rüberkommt. 😉
    Liebe Grüße von der begeisterten Messebesucherin Toni

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  7. Pingback: Jugendbuchtipps.de» Blogarchiv » Buchbesprechung: Alina Bronsky “Scherbenpark”

  8. Brita

    Hallo Ulf Cronenberg,
    zunächst: Ich bin erst heute auf Ihre Seite gestoßen und begeistert. Nicht nur, weil Sie die gleichen Bücher wie ich mögen, sondern auch, weil ich viele neue Anregungen bekommen habe und es einfach genial finde, dass Sie die Buchtipps auch nach Alter sortiert haben. Ich mag Ihren Stil und kann viele Kommentare gut nachvollziehen.

    Zu „Simpel“ möchte ich sagen, es ist das Lieblingsbuch meiner Töchter (13 und 15 Jahre alt) und von mir für dieses Jahr! Allerdings haben wir zuerst die Hörbuchfassung gehört, die ganz exzellent von Martin Baltscheit gelesen wird. Ich finde es keineswegs literarisch flach, und ich kann gut nachvollziehen, dass es der Jugendjury am besten gefallen hat. Alle Achtung übrigens für die allgemeine Auswahl der Jugendjury, die hat mich beeindruckt.
    Herzliche Grüße, Brita

    Antworten
    1. Ulf Cronenberg

      Hallo Brita,

      danke für das Lob – es freut mich, wenn die Buchbesprechungen Anregungen geben und die Kommentare nachvollziehbar sind.

      Viele Grüße, Ulf

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  9. Anjin

    „Rico und Oskar“ – super super super super …

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