Jugendbuchtipps.de

Buchbesprechung: Efua Traoré „Sister Spirit“

Cover: Efua Traoré „Sister Spirit“Lesealter 14+(Karibu-Verlag 2025, 310 Seiten)

Afrika ist ein geheimnisvoller Kontinent, und auch wenn ich ihn noch nie richtig bereist habe, so übt er eine gewisse Faszination auf mich aus. Allerdings habe ich vor dem Kontinent auch eine gehörige Portion Respekt – aus unterschiedlichen Gründen. Viele Ländern sind politisch alles andere als stabil; es gibt dort viel Leid; und dass wir westlichen Ländern Afrika nach wie vor ausbeuten, macht es nicht besser. Von daher war ich gespannt auf den Jugendroman von Efua Traoré (die übrigens in München lebt), weil dessen Hauptfigur nach Nigeria reist …

Inhalt:

16 Jahre ist Tara alt. In Nigeria geboren wurde sie mit zwei Jahren von englischen Eltern adoptiert und ist es gewohnt, dass sie mit ihren hellhäutigen Eltern auffällt. Von ihrer leiblichen Mutter kennt Tara gerade mal den Vornamen, von ihrem Vater nicht mal den – ihre Adoptiveltern wissen wahrscheinlich mehr über Taras Herkunft, geben aber nichts preis. Nachts wird Tara häufig von Alpträumen, die ihr zusetzen und die etwas mit ihrer Herkunft zu tun haben, heimgesucht.

Weil Tara sich erhofft, mehr über ihre leiblichen Eltern zu erfahren, überredet sie ihre Adoptiveltern, mit ihr Nigeria zu besuchen. Dort sieht sie in der Stadt Abeokuta den Olumo-Felsen und erkennt ihn wieder – es spielt in vielen ihrer Träume eine wichtige Rolle. In Nigeria werden ihre Visionen und Alpträume außerdem anschaulicher und schlimmer; und Tara versteht nicht wirklich, was sie darin erlebt.

Was Tara allerdings spürt, ist, dass sie unbedingt in Nigeria bleiben muss, um mehr herauszufinden. Und als sie am Fuße des Olumo-Felsen ein Internat entdeckt, weiß sie, dass sie dort Schülerin werden will. Ihre Adoptiveltern verstehen all das nicht, aber es gelingt Tara, sie davon zu überzeugen, dass sie in Nigeria bleiben darf. Und so wird Tara Schülerin in einem ziemlich streng geführten Internat, hat es dort aber erst mal schwer, weil eine Zimmergenossin ihr übel mitspielt.

Bewertung:

„Sister Spirit“ (Übersetzung aus dem Englischen: Dejla Jassim) ist ein ganz anderer Jugendroman als die Bücher, die man sonst kennt. Das liegt weniger daran, dass der Roman in Nigeria spielt, einem Land, das die meisten wohl nur vom Namen her kennen, als daran, dass der Roman eine stark mystische Seite mit Geistern und Visionen hat. Das sind dann doch Dinge, die uns hier in Mitteleuropa fremd sind.

Dass Tara, die Hauptfigur, ein nigerianisches Mädchen, mit zwei Jahren adoptiert, von Alpträumen geplagt wird, in denen immer wieder ähnliche Dinge passieren und die gleichen Personen auftauchen, ist vielleicht noch am wenigsten ungewöhnlich. Allerdings sieht sie in den Träumen auch Orte wie den Olumo-Felsen, von denen sie später erfährt, dass sie wirklich existieren. Mysteriös ist das.

Im Internat beginnt für Tara eine schlimme Zeit: Sie lebt mit mehreren Mädchen in einem Zimmer; es ist vor allem Lola, die dort den Ton angibt und über Tara herzieht, sie richtiggehend mobbt. Tara wird nur „London“ genannt, Lola lässt kein gutes Haar an ihr, nutzt jede Schwäche aus, die Tara zeigt. Immerhin lebt in dem Zimmer auch Bisi, die Tara anders behandelt und zu der sich eine Freundschaft entwickelt.

Das Buch zieht einen als Leser/in in mysteriöse Dinge hinein, wenn Taras Träume und Visionen immer wieder in Kapiteln beschrieben werden. Schreckliche Dinge passieren dort, auf die man sich lange keinen Reim machen kann. Erst gegen Ende des Buchs löst sich vieles auf, und das, was Tara herausfindet, gibt den Visionen und Träumen nachträglich einen Sinn. Tara bekommt irgendwann mit, dass mit der Schülerin, die vor ihr ihr Bett hatte, etwas Schlimmes passiert ist. Und sie entdeckt, dass es zwischen ihr und der Schülerin eine Verbindung gibt.

Fremd geblieben ist mir im Buch so manches – das liegt unter anderem daran, dass ich mit den Visionen und Träumen, die zum Teil Geschehnisse aufgreifen, die sich vor 150 Jahren zugetragen haben, nicht allzu viel anfangen kann. So richtig kann ich mich auf solche Dinge nicht einlassen … Allerdings gibt es viele Jugendliche, die gerne Mystery-Bücher lesen und die hier vielleicht besser andocken können.

Für mich lag der Reiz des Buchs eher darin, dass man etwas vom Leben in einem nigerianischen Internat mitbekommt; gerne hätte ich allerdings noch mehr über das Land und die Gegend um den Olumo-Felsen erfahren. Das Buch bleibt hier leider ein wenig blass; zu wenig wird geschildert, wie die Figuren, die Gebäude und die Umgebung aussehen – und so hat sich all das leider in meinem Kopf nicht zu einem lebendigen Gesamtbild zusammengefügt.

Fazit:

4 von 5 Punkten. Ich mag Bücher, die Leser/innen in fremde Kulturen und Länder führen, und das war auch meine Motivation, Efua Traorés „Sister Spirit“ zu lesen. Schade, dass das Buch für meinen Geschmack zu oberflächlich bleibt, wenn es um Nigeria und die Menschen dort geht. Die familiären Hintergründe von Taras nigerianischen Mitschülerinnen werden angedeutet, aber nicht wirklich ausführlich dargestellt. Aber klar, das Buch setzt einen anderen Schwerpunkt: Es geht um die Herkunft von Tara, hinter deren Visionen und Alpträumen eine tragische Familiengeschichte steht. Man muss als Leser/in akzeptieren, dass Tara Übersinnliches wahrnehmen kann, auch wenn man es nicht wirklich glauben kann.

Taras Wille, ihre Herkunft zu erkunden, ist groß, und es ist das Charakteristikum des Buchs, dass man miterlebt, wie ein adoptiertes Mädchen dem ohne Kompromisse nachgeht. Als Leser/in wird einem abverlangt, dass man die Träume und Visionen Taras lange nicht versteht – erst am Ende ergeben sie einen Sinn. Man braucht für „Sister Spirit“ also etwas Durchhaltevermögen. Doch wer mystisch angehauchte Geschichten mag, wird hier unterhaltsam, aber anders als sonst bedient: weil es um eine Geisterwelt in Afrika geht.

blau.giflila.gifrot.gifgelb.gif

(Ulf Cronenberg, 24.06.2025)


Entdecke mehr von Jugendbuchtipps.de

Melde dich für ein Abonnement an, um die neuesten Beiträge per E-Mail zu erhalten.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert