(Loewe-Verlag 2025, 446 Seiten)
Ich war mir nicht sicher, ob es irgendwann einen dritten Band von „Erebos“ geben wird – aber nachdem die Jugendromane ja doch sehr erfolgreich waren, gibt es sowohl auf Seite von Verlag und Autorin, aber auch auf Seiten der Leser/innen ein großes Interesse daran. Nun hat Ursula Poznanski jedenfalls den dritten Band lanciert, und er kommt in der Anfangsauflage mit einem knalligen Buchschnitt in Pink mit dem Aufdruck „Erebos 3“ daher. Für Aufmerksamkeit ist gesorgt. Und ich war gespannt, wie die Geschichte um das geheimnisvolle Computerspiel weitergehen wird.
Inhalt:
Erneut nimmt das Computerspiel Erebos mit Nick, inzwischen Fotograf, der mehr schlecht als recht von seinen Aufträgen leben kann, über seinen Computer Kontakt auf. Nick hat absolut null Interesse, wieder in das Spiel und seine gefährlichen Aufträge hineingezogen zu werden. Doch das Spiel setzt ihn so unter Druck, dass er nicht anders kann. Dabei hatte er Emily, seiner Freundin, die gerade im Rahmen ihres Psychologie-Studiums für mehrere Wochen in den USA weilt, versprochen, sich nie wieder darauf einzulassen.
Wie immer ist alles sehr geheimnisvoll. Nick soll in Erebos eine Horde, die er später Galgenvögel nennt, zusammenstellen und mit anderen Horden in einem Wettstreit gegeneinander antreten. Um was genau es geht, was der Lohn für den Sieg im Wettstreit ist, liegt im Dunkeln. Aber der gruselige Bote in Erebos setzt, wie er mehrmals betont, große Hoffnungen in Nick und macht auch deutlich, dass es um Leben und Tod geht. Das hatte Nick wegen seiner bisherigen Erfahrungen mit Erebos nicht anders erwartet.
Immerhin findet er mit Victor einen Mitstreiter, mit dem er sich auch außerhalb des Spiels austauschen darf – ansonsten wird jegliches Reden über das Spiel und die Geschehnisse sanktioniert. Doch beide tappen lange im Dunkeln, können sich auf die Aufträge, die das Computerspiel ihnen im Spiel und im realen Leben gibt, keinen Reim machen. Es gibt geheimnisvolle Zeichen – virtuell wie real –, die beide aber nicht zu deuten wissen. Und mehrmals kommt Nick in brenzlige Situationen. Vor allem macht er sich auch Sorgen um Derek, Emilys Bruder, der sich zurückgezogen hat, Nick vermutet, dass das mit einer Freundin von Derek, die verschwunden ist, zusammenhängen könnte. Und eventuell geht es auch in Erebos um die Verschwundene … Doch letztendlich steht viel mehr auf dem Spiel.
Bewertung:
Um gleich mit der Tür ins Haus zu fallen: Man bekommt in „Erebos 3“ geliefert, was man erwartet – und das ist eine gute Nachricht. Die beiden bisherigen Erebos-Bücher hatten viele Fans, weil das Ineinandergreifen von Computerspiel und Lebenswirklichkeit eine faszinierende Idee ist und im Jahr 2010, als Band 1 erschienen ist, völlig neu war. In unserem realen Leben sind wir gottseidank noch nicht so weit, dass Computerspiele direkt in unser Leben eingreifen, auch wenn es Computerspieler/innen gibt, die sich lieber in der Gaming-Welt als im Realleben bewegen.
In „Erebos 3“ begegnet man erneut bekannten Figuren aus den Vorgängerbänden – allem voran Nick, der inzwischen fest mit Emily zusammen ist. Auch Derek, der in Band 2 eine wichtige Rolle spielt, ist mit dabei, allerdings lange eher im Hintergrund. Doch auch viele neue Figuren haben ihren Auftritt – im Computerspiel wie in der erzählten Realität. Dass Erebos, das Spiel, sich wieder Nick & Co. aufdrängt, in ihr Leben eingreift, sie nicht entkommen lässt, ist außerdem etwas, was man schon kennt. Alles in allem wird man also mit viel Vertrautem konfrontiert.
Was den Spannungsgrad angeht, so tue ich mich schwer, die drei Bände miteinander zu vergleichen – meine Erinnerungen an die Vorgängerbände sind doch etwas verblasst. Der neue Band braucht jedenfalls etwas Zeit, bis er so richtig in Fahrt kommt. Die Andeutungen, worum es eigentlich geht, die das Computerspiel Nick gegenüber macht, sind kryptisch, sind für ihn wie für uns als Leser/innen lange nicht verständlich. Man befindet sich hier letztendlich als Leser/in auf dem gleichen Stand wie Nick, aus dessen Sicht konsequent personal erzählt wird: Man weiß und ahnt nicht mehr als die Hauptfigur, und daraus resultiert auch ein Großteil der Spannung im Buch.
Es sei nicht zu viel verraten: Aber es geht um eine wirklich große und gefährliche Sache, bei der Erebos Nick und seine Computerspielgefährten die Chance geben will, Schlimmes zu verhindern. Das Computerspiel gibt sich hier völlig neutral, was ich etwas irritierend finde: Wenn Nick mit seiner Spielfigur Sarius und seiner Horde im Spiel scheitert, wird etwas Tragisches, dem viele Menschen zum Opfer fallen werden, passieren. Das Computerspiel hat hier keinerlei moralische Haltung – das Rätselhafte und Geheimnisvolle um Erebos bleibt bestehen.
Es macht einerseits den Reiz aus, dass man auch als Leser/in überhaupt nicht weiß, was oder wer hinter Erebos steht; es ist andererseits schon ein etwas artifizielles Konstrukt, weil es keinerlei Realitätsprüfung standhalten würde. Aber wer weiß, was künstliche Intelligenz, sollte sie sich in der Tat verselbständigen können, wovor manche Forscher warnen, in den kommenden Jahrzehnten so alles anrichten kann … (vgl. Artikel „Mir scheint, dass wir auf eine Katastrophe zusteuern“ in: Die Zeit vom 27.07.2025 – leider nur für Abonnenten zugänglich)
Der Spannungsbogen in „Erebos 3“ steigt, wie schon gesagt, langsam an, und so richtig Zug bekommt das Buch auf den letzten 150 Seiten. Das heißt aber nicht, dass der Jugendroman vorher langatmig ist; es ist eine subtilere Spannung mit gefährlichen Situationen im Spiel, aber auch im realen Leben, mit denen Nick und andere Figuren schon vorher konfrontiert sind. Schon bevor der ausführliche Showdown folgt, wird Nick in einige brenzlige Situationen hineingezogen. Und wie man das von Thriller-Showdowns kennt, wird am Ende manches schon etwas artifiziell auf die Spitze getrieben: Es wird eine hochkomplexe Dynamik zwischen unglücklichen Verkettungen, ungewöhnlichen Zufällen und einem Wettlauf gegen die Zeit aufgebaut.
Im Zentrum des Buchs steht der spannende Plot, die Figuren sind – das ist mein Eindruck – eher Nebensache. Sehr geschickt wird allerdings in „Erebos 3“ am Ende aufgeklärt, wer hinter den Computerspiel-Figuren steht: Nick und Victor begegnen den wichtigsten Mitspieler/inne/n am Ende auf einer Party. Und hier wird geschildert, was in der Realität bei Computerspieler/inne/n nicht anders sein dürfte: Hinter kampferprobten Computerfiguren, die im Spiel Anführer/innen sind, stehen oft ganz andere Menschen: zierliche junge Frauen oder unscheinbare Schüler/innen. Mir hat Gefallen, dass das Buch das aufgreift.
Fazit:
4-einhalb von 5 Punkten. „Erebos 3“ reiht sich nahtlos in die Reihe der Vorgängerbände ein. Ich kenne einige Leute, die vom zweiten Band im Vergleich zum Debüt enttäuscht waren – mir ging es allerdings nicht so. Und was Band 3 betrifft, so würde ich nicht sagen, dass er nicht mit den beiden ersten Bänden mithalten kann. Klar, die Erebos-Idee hatte im ersten Buch natürlich den größten Reiz; doch dort fand ich die Computerspielwelt noch etwas blass – das hat sich im vorliegenden Band wie schon in Band 2 geändert.
Ursula Poznanski weiß auch in „Erebos 3“ eine packende Geschichte mit Thrillerelementen zu erzählen. Wie die Computerspielwelt und das im Buch erzählte Leben ineinandergreifen, ist nach wie vor etwas Besonderes und macht den Reiz der Bücher aus. Der Plot im Buch ist sehr komplex – dass Ursula Poznanski so was meisterhaft aufziehen kann, hat sie schon in vielen Jugendromanen bewiesen. „Erebos 3“ ist einmal mehr ein Buch, das man computeraffinen Lesemuffeln vorlegen und mit dem man sie sicher auch zum Lesen bringen kann. Das allein freut mich ja schon immer …
(Ulf Cronenberg, 29.08.2025)
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