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Buchbesprechung: Tara Sullivan „The Bitter Side of Sweet“

Cover: Tara Sullivan „The Bitter Side of Sweet“Lesealter 14+(Peter-Hammer-Verlag 2025, 308 Seiten)

Was auf dem Titelbild zu sehen ist, dürften vielleicht nicht alle Betrachter gleich erkennen: Es sind Kakaobohnen, die angedeutet sind. Kakao ist ein wichtiges Handelsgut für Afrika, doch leider wird viel davon unter Ausbeutung von Kindern und Jugendlichen produziert. Der Roman der Amerikanerin Tara Sullivan beleuchtet das Schicksal von zwei Kindern, die auf einer Plantage nicht nur ausgenutzt werden, sondern denen ziemlich übel mitgespielt wird. Ein Jugendroman, über den man gerne sagen würde, dass er historisch ist; doch er spielt in unserer Zeit.

Inhalt:

Amadou und sein jüngerer Bruder Seydou stammen eigentlich aus Mali und sind bei ihrem Großvater aufgewachsen. Doch dort war ein gutes Leben ohne Hunger und Durst nicht mehr möglich, und so wollte Amadou mit seinem Bruder einen Sommer lang Geld verdienen. Doch gelandet ist er auf einer Plantage in Côte d´Ivoire, wo beide Jungen gnadenlos ausgebeutet werden: Das Erntesoll ist viel zu hoch, wer es nicht schafft, wird geschlagen, und untergebracht sind die Jungen in Barracken, die nachts zugesperrt werden. Geld hat Amadou noch nicht bekommen, und die anderen Jungen auf der Plantage erzählen, dass noch nie jemand wieder in die Freiheit entlassen wurde.

Eines Tages wird auf die Plantage, auf der sonst nur Jungen arbeiten, ein Mädchen gebracht, das ziemlich auf Krawall gebürstet ist. Gleich am ersten Tag versucht das Mädchen zu fliehen – ein aussichtsloses Unterfangen, das nicht nur nicht gelingt, sondern für das auch Amadou und Seydou büßen müssen. Amadou wird genauso wie das Mädchen, das Khadija heißt, brutal von den Aufpassern zusammengeschlagen, weil Seydou das Verschwinden nicht gemeldet hat, und Amadou deckt seinen jüngeren Bruder.

Amadou ist, als er mit Khadija in eine Hütte gesperrt wird, dermaßen wütend, dass er mit dem Mädchen absolut nichts zu tun haben will. Doch in den nächsten Tagen reden sie zumindest irgendwann miteinander und freunden sich zaghaft an. Khadija wartet weiterhin auf die nächste Fluchtchance, auch wenn Amadou es ihr aus guten Gründen auszureden versucht. Doch dann wird Seydou bei der Ernte lebensgefährlich am Arm verletzt, und weil Amadou Angst um seinen Bruder hat, beschließt er, mit Khadija doch die Flucht zu planen.

Bewertung:

„The Bitter Side of Sweet“ (Übersetzung: Jessika Komina und Sandra Knuffinke; gleichlautender amerikanischer Originaltitel) ist ganz bestimmt kein Wohlfühlbuch. Ganz im Gegenteil, es gibt Stellen im Jugendroman, wo auch ich als Erwachsener ganz schön geschluckt habe und es einfach nur grausam fand, was mit Amadou und Seydou passiert – und das, obwohl manche wirklich heftige Sachen (wie z. B. eine Vergewaltigung) nicht mal ausgeführt, sondern nur angedeutet werden.

Was Amadou und sein gerade mal 8 Jahre alter Bruder Seydou, später auch Khadija mitmachen, ist heftig. Leider gibt es da auch nichts zu beschönigen: Solche Dinge passieren durchaus in der Wirklichkeit, auch wenn der Jugendroman sicher einiges verdichtet. Kinder- und Jugendarbeit unter übelsten Bedingungen sind in Afrika nach wie vor an der Tagesordnung; und leider schauen wir Menschen aus den reichen Ländern da kaum hin.

Tara Sullivan hat für ihr Buch viel recherchiert, sie hat, wie sie in ihrer Danksagung am Ende des Buchs ausführt, Fachleute zu Rat gezogen. Aber ihre Leistung ist vor allem auch, dass der Jugendroman dramaturgisch gekonnt alle Register zieht. Die Momente, in denen sich alles zuspitzt, sich die Lage weiter verschlechtert, üble Dinge passieren, sind gut gesetzt – oft am Ende von Kapiteln, so dass man einfach weiterlesen muss. Manchmal habe ich das Buch trotzdem zur Seite gelegt, weil ich vor der nächsten schlimmen Entwicklung eine Pause nötig hatte.

Was mir an „The Bitter Side of Sweet“ gefällt, sind die Figuren im Buch. Das Brüderpaar Amadou und Seydou ist gut gewählt, aber vor allem die ungezähmte Khadija bringt noch mal zusätzlich Energie in den Roman. Dass Amadou sie „Wildkatze“ nennt, ist absolut passend, und man kann sich das Mädchen sehr gut vorstellen. Wie die Figuren miteinander umgehen, wenn sich zum Beispiel aus der Wut Amadous auf Khadija nach und nach so etwas wie Zuneigung oder am Ende gar Sorge entwickelt, wird außerdem nachvollziehbar beschrieben. Tara Sullivan hat da ein zuverlässiges Gespür, weiß die zwischenmenschliche Dynamik gut darzustellen, und das gilt auch für Figuren, die nicht zu den Guten im Buch gehören. Moussa als schillernder Aufpasser, der mehrmals brutal auftritt, aber auch empathische Züge zeigen kann, ist ein gutes Beispiel dafür.

Der Roman spielt bis kurz vor der Hälfte auf der kleinen Kakaoplantage, auf der Amadou und Seydou gefangen gehalten werden. Man verrät kein Geheimnis, dass die beiden irgendwann mit Kjadija auf der Flucht sind (was allein der Dramaturgie wegen wichtig ist). Dass die Geschichte hier eine neue Wendung nimmt, tut ihr gut. Doch auch wenn die drei Flüchtenden einmal gute Erfahrungen mit einem anderen Menschen machen: Das Buch bleibt spannend bis zur letzten Seite und verliert sich bis zum Ende nicht in Wohlgefallen und bleibt stimmig.

Fazit:

5 von 5 Punkten. Tara Sullivans „The Bitter Side of Sweet“ ist ein Jugendroman, den man nicht als Abenteuerroman bezeichnen möchte. Das Wort umschreibt nicht ansatzweise, obwohl das Buch sehr spannend ist, was in dem Buch passiert. Nein, hier wird eine Geschichte erzählt, die mich ziemlich schockiert hat und die meinen Blick auf Kakaoprodukte verändert hat. Und so geht es hoffentlich auch Leser/innen, die (anders als ich) viel Schokolade essen oder Kakao trinken. Man sollte wirklich nur Fair-Trade-Produkte kaufen, die ein verlässliches Qualitätssiegel haben.

Amadou, Seydou und Khadija sind Figuren, die man als Leser/in schnell ins Herz schließt, und die man angesichts ihres Durchstehvermögens, mit schlimmsten Sachen umzugehen, bewundern muss. Natürlich sind sie erdachte Figuren, die auch hier und da vielleicht ein wenig zu sehr westliche Gedanken und Gefühle haben (das ist immer das Problem mit Romanen, die in wohlhabenden Ländern lebende Autor/inn/en über fremde Kontinente wie Afrika schreiben). Doch wie sonst soll Leser/inne/n in Nordamerika und Mitteleuropa die schlimme Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen in Afrika nahegebracht werden? „The Bitter Side of Sweet“ ist ein wichtiges Buch, und es hat trotz seiner klaren Botschaft auch eine große literarische Kraft. Dass beides so gut Hand in Hand geht, ist durchaus nicht selbstverständlich.

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(Ulf Cronenberg, 18.08.2025)


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