Jugendbuchtipps.de

Buchbesprechung: Frank Maria Reifenberg „Genesis rebooted“

Cover: Frank Maria Reifenberg „Genesis rebooted“Lesealter 14+(dtv 2024, 173 Seiten)

Der Titel von Frank Maria Reifenbergs neuem Jugendroman klingt eindeutig nach einer Dystopie. Auch wenn Dystopien nicht unbedingt erbauliche Bücher sind, so mag ich diese düsteren Zukunftsvisionen. Schließlich gibt es viele Gründe, sich Sorgen um den Zustand der Welt zu machen – seien es Kriege, Umweltkatastrophen, Pandemien, Techniken wie Künstliche Intelligenz, die außer Kontrolle geraten könnten (wovor Experten durchaus warnen) oder anderes … Um was es in „Genesis rebooted“ mit dem reißerischen Untertitel „Wir müssen hier raus. Schnell“ (den es, finde ich, nicht gebraucht hätte) geht, werdet ihr gleich erfahren.

Inhalt:

Rafael kann sich an nicht mehr viel erinnern außer an seinen Namen und sein Alter. Was er vermutet, ist, dass er entführt wurde und festgehalten wird, auch wenn ihm gesagt wird, dass er eigentlich gerettet worden sei. Sein Leben ist jedenfalls eintönig. Er lebt in einer kleinen Zelle, trägt hellgraue unpersönliche Kleidung, und die einzigen Menschen, denen er begegnet, sind Angestellte, die ihm das Essen bringen und dabei ein paar unpersönliche Worte mit ihm wechseln.

Erst nach und nach tauchen einige Erinnerung auf: dass Rafaels bester Freund Moussa hieß, dass dessen Schwester Assiata seine Freundin war. Ihm fällt der Name seines Lateinlehrers ein, und so geht es Stück für Stück weiter. Die Erinnerung, wie er an den Ort gekommen ist, an dem er sich befindet, kommt irgendwann auch zurück: Rafael wollte an einem sechswöchigen sozialpsychologischem Feldtest in der Südsee teilnehmen. Und anscheinend befindet er sich nun genau dort.

Als ihm die ersten Male erlaubt wird, einen gut ausgestatteten Fitnessraum zu besuchen, er hinterher duschen darf, bemerkt Rafael ein Lebenszeichen von einem weiteren Menschen: im Abfluss befinden sich Haare. Er beschließt, dass er unauffällig eine Nachricht hinterlässt will, und schreibt mit einer Seife „Hilfe!“ auf die Kacheln. Und tatsächlich, beim nächsten Duschen steht dort eine Antwort: „Wer bist du?“ Doch als Rafael einige Tage später auf den Kacheln „wir müssen hier raus. schnell“ liest, ist er ziemlich beunruhigt.

Bewertung:

„00110001“ – so lautet die Überschrift des ersten Kapitels. Wer sich damit auskennt, weiß, dass das der Binärcode für die Zahl 49 ist. Ähnlich mysteriös geht es weiter. Die Textseiten sind in Abschnitte unterteilt, neben denen Zahlen stehen, die nach oben gezählt werden, beginnend mit „001“. Doch gleich auf der ersten Textseite ist man irritiert, wenn der nächste Abschnitt „000 … reboot//“ heißt; und dann geht es wieder los mit 001, 002, 003 etc. Einen Reim kann man sich darauf erst mal nicht machen … Immerhin: Es war zu erwarten, dass das nächste Kapitel „00110010“ lautet – also 50.

Man wird da wirklich in eine mysteriöse Geschichte hineingeworfen: ein Junge, der keine Ahnung hat, wo er sich befindet und wer er eigentlich ist, der sich erst nach und nach ein paar Erinnerungen zurückholen kann. Und wie ein Mantra wiederholt Rafael noch dazu ein paar Grundfakten über sich und sein Leben, an die er sich erinnert, die nach und nach um die ein oder andere Information ergänzt werden. Man merkt als Leser/in, da stimmt etwas ganz und gar nicht.

„Genesis rebooted“ lebt davon, dass man Stück für Stück mehr über Rafael erfährt, weil seine Erinnerungen zurückkehren: dass er aus Berlin stammt, einen chronisch kranken Bruder hat, um den er sich aufopferungsvoll gekümmert hat. Außerdem kommen Erinnerungen zurück, wie er für das sechswöchige sozialpsychologische Experiment untersucht wurde, wie er auf der Reise in die Südsee andere junge Leute kennenlernt, die auch an dem Experiment teilnehmen …

Als Leser/in ist man jedoch auch immer wieder irritiert, weil es in der Geschichte Unstimmigkeiten gibt. Man bekommt zum Beispiel irgendwann einen Teil von Rafaels Leben zweimal erzählt; sind es aber anfangs nur Kleinigkeiten, die leicht verändert sind, weicht das Erzählte später immer mehr voneinander ab. Nicht nur Rafael ist verwirrt – als Leser/in kann man die Sachen, an die er sich erinnert, ebenso wie er nicht wirklich schlüssig zusammenbauen.

Erzählt wird Rafaels Geschichte recht distanziert, was aber die logische Folge aus der Situation, in der der Junge steckt, ist. Dadurch kann man zwar an Rafaels Verwirrung andocken, aber weil man sich ebenso wie er keinen Reim darauf machen kann, bleibt man als Leser/in ein wenig außen vor. Zugänglich sind am ehesten die Stellen, an denen Rafael, nachdem er sich daran erinnert, davon erzählt, wie er auf dem Weg in die Südsee die Bekanntschaft der anderen Experiment-Teilnehmer macht. „Genesis rebooted“ erzählt hier einige Zeit ganz normal eine Geschichte …

Der Jugendroman lebt ansonsten davon, dass er auf eine Auflösung zusteuert, und was Frank Maria Reifenberg da bereithält, ist überraschend, lässt die Geschichte zudem im Rückblick auch stimmig erscheinen. Hier weht ein Hauch von „Matrix“ durch das Buch – aber mehr sei nicht verraten. Gefallen hat mir das Ende jedenfalls definitiv.

Fazit:

4-einhalb von 5 Punkten. Wer geheimnisvolle dystopische Zukunftsromane mag, ist bei „Genesis rebooted“ gut aufgehoben. Es ist ein längeres Verwirrspiel, auf das man sich als Leser/in einlässt. Da muss man aushalten können, dass im Buch immer wieder wenig passiert, die Geschichte wegen einiger Wiederholungen außerdem ab und zu leicht redundant wirkt. Doch wer hier durchhält, wird mit einem gut inszenierten Showdown belohnt. Monieren könnte man, dass sich das Buch zu stark auf diesen Showdown verlässt, sonst zu wenig Leseanreize hat – ich kann mir vorstellen, dass einige Leser/innen das Buch aus genau diesem Grund irgendwann zur Seite legen. Doch des Ende wegen wäre das schade …

Darüber hinaus thematisiert das Buch gekonnt einige Entwicklungen, die einem heute Sorgen machen sollten: von Pandemien über Umweltkatastrophen bis hin zu Künstlicher Intelligenz. Das ist zugleich der Reiz an dem Buch: dass man ein wenig – aber wirklich sehr behutsam, denn der Plot steht im Vordergrund – zum Nachdenken über diese Themen herangeführt wird. Und das ist für mich das, was eine gute Dystopie ausmacht.

blau.giflila.gifrot.gifgelb.gifgruen_halb.gif

(Ulf Cronenberg, 29.09.2024) ></p>
<div class=


Entdecke mehr von Jugendbuchtipps.de

Subscribe to get the latest posts sent to your email.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert