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Buchbesprechung: Andreas Eschbach „Zap“

Cover: Andreas Eschbach „Zap“Lesealter 14+(Arena-Verlag 2023, 297 Seiten)

Beim Nachforschen, bevor ich die Buchbesprechung begonnen habe, habe ich mich gewundert, dass ich noch keinen Jugendroman von Andreas Eschbach besprochen habe. Seltsam. Von daher gut, dass ich mir das neue Buch vorgenommen habe. Immer wieder gelesen habe ich Kurzgeschichten von Andreas Eschbach, und ich mochte sie (fast) immer. Meine Lieblingskurzgeschichte heißt „Die Fußballfans von Ross 780“, wurde im Auftrag des Organisationsteams für die Fußball-WM 2006 geschrieben und handelt von Außerirdischen, die zwar für Fußball nicht begabt sind, dafür davon aber umso begeisterter. Eine coole Geschichte.

Inhalt:

Finns Vater arbeitet für einen Fernsehsender, und wegen eines neuen Jobs ist die Familie vor kurzem nach Ostwaldau umgezogen. Begeistert ist Finn davon nicht, vor allem weil er seinen besten Freund Navid nun nicht mehr in der Nähe hat. Aber es hilft nichts, er muss sich an das neue Städtchen, die neue Klasse und Umgebung gewöhnen.

Als er von der Schule nach Hause geht, passiert etwas Höchstseltsames. Er findet zwar das Haus seiner Familie, aber die Adresse stimmt nicht. Finn versucht sich zu orientieren, ist sich eigentlich sicher, dass er vor seinem Zuhause steht, aber als er klingelt, öffnet nicht nur eine fremde Frau, sondern als diese ihn kurz in die Wohnung lässt, kommt er nicht umhin einzusehen, dass das nicht das Haus seiner Familie ist. Als er einen Postboten, dem er begegnet, nach der Adresse seiner Familie fragt, behauptet dieser, diese Adresse gäbe es in Ostwaldau nicht.

Auch als Finn ratlos in dem Städtchen herumläuft, merkt er, dass so vieles in Ostwaldau nicht mehr zu dem passt, was er kennt. Das Gebäude seiner Schule steht zwar noch, ist aber der Sitz einer Firma, die sich hinter einem Sicherheitszaun befindet; auch andere Stellen in der Stadt sind nicht so, wie er sie in Erinnerung hat. Finn fragt sich ernsthaft, ob er in ein Paralleluniversum katapultiert wurde und ist zunehmend verwirrt. Was er nicht weiß, ist, dass das, was ihm passiert, auf lange Hand von einem Fernsehsender geplant wurde …

Bewertung:

Gerne hätte ich die Buchbesprechung geschrieben, ohne hier allzu viel davon zu verraten, was einen als Leser/in in Erstaunen versetzt – aber das geht leider nicht. Beim Lesen ist man im ersten Drittel des Jugendbuchs genauso schlau und ähnlich verwirrt wie Finn, der überhaupt nicht weiß, wie ihm geschieht. Aber für eine Buchbesprechung muss man auf mehr eingehen. Und später im Buch werden dann nach und nach die Hintergründe für das, was Finn mitmachen muss, aufgedeckt.

Parallel zu den Erlebnissen von Finn gibt es noch eine zweite Erzählebene, die von Lea, einem Mädchen, handelt, das von ihrem Vater im eigenen Zimmer eingeschlossen wurde. Auch hier tappt man lange im Dunkeln, warum Lea eingesperrt wurde … Doch Lea, die findig ist, kann sich schließlich befreien, und weil sie mitbekommt, dass Finn von einem Fernsehsender an der Nase herumgeführt ist, macht sie es sich zur Aufgabe, Finn zu finden und ihn in den Komplott einzuweihen.

Andreas Eschbach erzählt die Geschichte in Abschnitten, zwischen denen mit Zwischenüberschriften gewechselt wird. Steht dort „Switch“, so wird zwischen Personen gewechselt (also zum Beispiel zwischen Finn und Lea); „Rewind“ meint, dass in der Geschichte in die Vergangenheit gesprungen wird, während „Fast forward“ wieder in die Gegenwart vorspult oder die Geschichte fortführt. Die Idee dafür ist nicht ganz neu, aber hat in dem Jugendroman ihren Reiz. Später im Buch wechselt man bei der Perspektive nicht nur zwischen Finn und Lea hin und her, sondern ist auch noch Zeuge der Live-Fernsehübertragung im Studio und wendet sich lesend noch ein paar anderen Figuren zu.

Was Andreas Eschbach in seinem Buch thematisiert, kann man letztendlich als Medienkritik ansehen. Formate wie „Big Brother“ oder „Dschungelcamp“ sind bekannt, sie setzen auf Sensationslust zu Lasten von für Geld beschnittenen Persönlichkeitsrechten … Andreas Eschbach treibt das mit seiner Idee von „Zap“ noch mal auf die Spitze: Ein ganzes Städtchen wird mit kleinen Kameras ausgestattet, in Finns Jacke befindet sich ein Mikrofon; jeder seiner Schritte wird aufgezeichnet, und das, ohne dass er selbst zugestimmt hat. Das haben, weil er nicht volljährig ist, allerdings seine Eltern. Seinem Vater winkt dafür ein lukrativer Job beim Sender.

Dass die Planungen des Fernsehsenders dann irgendwann durchkreuzt werden, weil Finn erfährt (obwohl das nicht passieren sollte), welches Spiel mit ihm gespielt wird, bestimmt die zweite Hälfte der Geschichte. Ob es Finn gelingt, das Ganze auszuhebeln, macht die Spannung bis zum Ende aus, auch wenn man ahnt, dass der Sender wohl nicht mit all dem durchkommt.

Der Schreibstil von „Zap“ erinnert oft an eine Satire. Das ist zugleich allerdings auch das, was mich an dem Buch dann doch etwas gestört hat: Die Figuren des Fernsehsenders sind deutlich überzeichnet: Der Erfinder der Sendung wird als völlig skrupelloser effekthaschender Fernsehmacher dargestellt, der Moderator der Sendung als schleimiger Typ zum Abgewöhnen. Für meinen Geschmack wären hier differenziertere Figuren interessanter und angemessen gewesen; sie hätten dem Buch mehr Tiefe gegeben. Stattdessen arbeitet das Buch einfach mit zu vielen Klischees.

Die Schwäche des Buchs ist eindeutig – auch über die Fernsehleute hinaus – die Charakterzeichnung. Selbst Finn und Lea bleiben irgendwie etwas blass, ihre Motive, ihre Gedanken und Gefühle werden nicht wirklich mit einer erhellenden Tiefe abgebildet; und damit verschenkt das Buch leider einiges. Auch bei der Medienkritik hätte man für meinen Geschmack durchaus noch analytischer das skrupellose Verhalten des TV-Senders darstellen und hinterfragen können.

Fazit:

3-einhalb von 5 Punkten. „Zap“ ist ein unterhaltsames Buch, das man gerne und schnell liest, dem es aber angesichts des Themas doch etwas an Tiefgang fehlt. Man kann natürlich sagen, dass die Kritik an allem dem Leser bzw. der Leserin überlassen bleibt. Aber aus der guten Idee hätte man mehr machen können, wenn man das Ausgenutztwerden von Finn gnadenloser dargestellt hätte. So regt der Junge sich auf, der Sender bekommt am Ende richtig Stress – aber das war es dann auch schon.

Was mich außerdem nicht überzeugt hat, ist die Beschreibung der Figuren. Hier gibt es zu wenig Tiefe, stattdessen werden zu viele Klischees bedient. Das ist schade, denn unsere Medienlandschaft mit ihren zweifelhaften Formaten und Entwicklungen zu hinterfragen, zu kritisieren, ja vielleicht auch bloßzustellen, ist ein ehrwürdiges Anliegen. Für Jugendliche in einem Jugendroman den Blick auf solche Entwicklungen zu richten, finde ich gut. Allerdings kann ich mir vorstellen, dass es auch Leser/innen gibt, die sagen würden: „Ist doch cool, wenn Finn dadurch berühmt wird – der soll sich mal nicht so anstellen.“ Das Buch bleibt mit den negativen Folgen für Finn eben doch zu harmlos.

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(Ulf Cronenberg, 08.12.2023)


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