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Buchbesprechung: Susin Nielsen „Peanuts und andere Katastrophen“

Cover: Susin Nielsen „Peanuts und andere Katastrophen“Lesealter 11+(Urachhaus-Verlag 2023, 235 Seiten)

Die Kanadierin Susin Nielsen ist im deutschen Sprachraum eine der großen Neuentdeckungen der letzten Jahre gewesen – in Kanada ist sie schon länger bekannt, hat sich dort auch einen Namen als Drehbuchautorin für Serien gemacht. Ihre Bücher sind immer erfrischend, handeln mit Humor und Witz zugleich von schwierigen Lebenssituationen, in denen sich Kinder und Jugendliche befinden. Kurz, die Mischung stimmt einfach. „Peanuts und andere Katastrophen“ ist eigentlich ihr Erstling als Kinderbuch (auch wenn sie schon anderes geschrieben hatte), der aber erst jetzt übersetzt auf Deutsch vorliegt.

Inhalt:

Ambrosius wird von seiner Mutter alleine großgezogen, sein Vater ist vor seiner Geburt gestorben. Seine Mutter hat ganz viele Ängste, was ihren Sohn angeht: Sie versucht ihn vor allem zu bewahren, ist überbehütend, wenn die Schwierigkeiten zunehmen, zieht sie mit Ambrosius um. Viel Geld haben sie auch nicht, weil sie immer nur Zeitverträge als Literaturwissenschaftlerin an der Uni bekommt, aber keine Festanstellung.

In der Schule wird Ambrosius von drei Jungen heftig schikaniert. Höhepunkt ist, dass sie ihm, der eine massive Erdnussallergie hat, eine Erdnuss auf das Pausenbrot schmuggeln. Ambrosius kollabiert, wird ins Krankenhaus gebracht; es dauert lange, bis er sich wieder erholt. Die Folge davon ist, dass Ambrosius aus der Schule genommen und im Homeoffice unterrichtet wird.

Eines Tages steht bei ihren Vermietern, einer griechischen Familie, nach längerer Zeit im Gefängnis deren Sohn Cosmo wieder vor der Tür. Bei Ambrosius‘ Mutter schrillen alle Alarmglocken, auch wenn sie nicht weiß, warum Cosmo verurteilt worden war. Sie will absolut nicht, dass Ambrosius Kontakt zu Cosmo hat. Doch es kommt anders, allerdings so, dass die Mutter es nicht mitbekommt. Die beiden freunden sich an: Cosmo will Ambrosius zeigen, wie man sich wehrt, Ambrosius bringt Cosmo dazu, heimlich mit ihm zu einem Scrabble-Kurs zu gehen. Anfangs will Cosmo nicht, aber als er dort die hübsche Amanda trifft, ändert er seine Meinung.

Bewertung:

„Peanuts und andere Katastrophen“ (Übersetzung: Anja Herre; kanadisch-englischer Originaltitel: „Word Nerd“) ist ein typisches Susin-Nielsen-Buch; davon, dass das ihr erstes richtiges Kinderbuch ist, ist absolut nichts zu merken. Es geht gleich in die vollen und letztendlich – das sie vorweggenommen – stimmt an dem Buch einfach alles.

Die Rezepte, die dem Buch zugrunde liegen, lassen sich durchaus analysieren und dechiffrieren: Da sind zum einen die originellen Figuren. Ambrosius ist ein Nerd, der leicht zum Mobbing-Opfer wird, sich nicht gut wehren kann, aber schlau ist. Cosmo ist eigentlich ein guter junger Mann mit dem Herz auf dem richtigen Fleck, der aber mit Drogen auf die schiefe Bahn gekommen war und dafür gebüßt hat. Er versucht sein Leben zu ändern, ein besserer Mensch zu sein, aber das wird ihm auch nicht ganz leicht gemacht. Beide sind auf ihre Art sperrig. Gut konstruiert sind aber nicht nur die Hauptfiguren (zu denen noch Ambrosius‘ Mutter und Amanda gehören), sondern das geht bis in die Nebenfiguren, wenn Ambrosius im Scrabble-Club auf viele Leute trifft. Man folgt ihnen einfach gerne, und die Dialoge zwischen den Figuren haben Charme.

Zum anderen hat die Geschichte einen typischen Kinderbuchplot: Ein Junge will sich endlich freischwimmen, weil er gefunden hat, was ihn begeistert und was ihm gut tut. Aber es gibt Hindernisse. Allem voran ist da Ambrosius‘ überängstliche Mutter zu nennen, aber auch Cosmo ist in Gefahr, seinen guten Weg zu verlassen. Und so spitzt sich vieles immer wieder zu, wird kompliziert, manches löst sich wieder auf – erst am Ende wird alles gut. „Peanuts und andere Katastrophen“ ist da eindeutig ein typischer Vertreter des Kinderbuchs: Man ahnt eigentlich von Anfang an, dass die Geschichte nicht im Desaster enden kann.

Wie Susin Nielsen all das inszeniert, ist herzerfrischend bis in die feinsten Poren. Die kanadische Autorin zeigt wie in ihren anderen Büchern viel Humor, an vielen Ecken lauert ein subtiler Witz, und trotzdem kennen ihre Bücher Tragik. In Fall von „Peanuts und andere Katastrophen“ ist der Tod von Ambrosius‘ Vater der tragische Hintergrund. Seine Mutter hatte ihn sehr geliebt, weil er ein sehr zugewandter und lebensfroher Mensch war. Ambrosius‘ Mutter hat das nicht gut verkraftet. Sie will zwar auf der einen Seite das Beste für Ambrosius, auf der anderen Seite beschränkt sie Ambrosius aber mit den großen Ängsten, dass ihm etwas passieren könnte, massiv. Hinzu kommen die Geldsorgen, die sie wegen ständig wechselnder Jobs mit kurzen Verträgen hat, und die häufigen Umzüge, die für ein Kind eine große Belastung sind. Manchmal haben Ambrosius und seine Mutter es gut, sie halten zusammen, aber sie sind oft auch auf eine ungute Art miteinander verstrickt und stehen sich öfter im Weg.

Gut gefällt mir auch der kreative Umgang mit dem Spiel Scrabble, das im Buch eine wichtige Rolle spielt und quasi der Schlüssel zu Ambrosius‘ Selbstfindung ist. Jedem Kapitel sind ein paar wild durchmischte Buchstaben vorangestellt, in der Zeile darunter sind dann mit diesen Buchstaben mögliche Wörter zu sehen, bevor die passende Einwort-Überschrift mit allen dieser Buchstaben folgt. Eine nette Idee.

Die Botschaft, die das Buch am Ende bereithält, lautet, dass trotz vieler Probleme alles gut werden kann. Die Irrungen und Wirrungen gehören dazu, aber man muss dran bleiben, und das kann Ambrosius nicht alleine schultern, sondern er bekommt Hilfe von guten Menschen: Cosmo und Amanda sind das vor allem.

Fazit:

5 von 5 Punkten. Wie schon alle anderen Susin-Nielsen-Bücher kann man auch „Peanuts und andere Katastrophen“ uneingeschränkt empfehlen. Das Buch hat all das, was man an guten Kinderbüchern schätzt: einen wohldurchdachten Plot, keine 0815-Figuren und vor allem immer ein Augenzwinkern, obwohl es einiges Tragische zu überwinden gibt. Die Mischung der Zutaten stimmt, Susin Nielsen weiß, wie man sie kredenzt.

Letztendlich erzählt „Peanuts und andere Katastrophen“ auch, wie ein Junge es schafft, aus der Rolle als Mobbing-Opfer zu kommen. Es ist ein steiniger Weg, aber er gelingt. Wäre es im richtigen Leben doch auch so schön …

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(Ulf Cronenberg, 23.07.2023)


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