Jugendbuchtipps.de

Buchbesprechung: Lena Hach „Fred und ich“

Cover: Lena Hach „Fred und ich“Lesealter 12+(Beltz & Gelberg 2023, 95 Seiten)

Ein ganz schmales Bändchen ist der Jugendroman von Lena Hach: unter 100 Seiten. Das gibt es doch eher selten unter den Jugendbüchern. Großzügig, was die Seitenaufteilung sowie die Schriftgröße angeht, ist das Buch auch noch. Da bleibt zu hoffen, dass das Buch trotzdem viel zu sagen hat. Verraten sei schon mal das Thema des Buchs: In „Fred und ich“ geht es (wie schon im letzten besprochenen Buch, Jenny Jägerfelds „Best Bro ever!“) unter anderem um das Thema Transgender. Das Thema ist in Jugendbüchern eindeutig angekommen.

Inhalt:

Anni hat seit einiger Zeit (und es gibt auch einen Grund dafür) eine ganz besondere Art, in den Tag zu starten. Es ist Winter, aber sie geht immer erst zu einem See außerhalb der Kleinstadt, um dort im eiskalten Wasser zu baden – wovon aber niemand etwas weiß. Weil das Wasser derzeit von Eis bedeckt ist, hat sie auch einen Hammer dabei. Vorher geht sie immer zur Bäckerei und kauft etwas, das sie nach dem Eisbad essen kann.

In der Bäckerei trifft sie an einem Montagmorgen auf einen seltsamen Jungen, der Anni später an den See folgt, weil sie ihren Eis-Hammer in der Bäckerei vergessen hat. Das erste Gespräch zwischen den beiden ist etwas skurril. Fred, wie der Junge heißt, gibt ihr den Hammer, nicht ohne Witze darüber zu reißen.

Auch am nächsten Tag ist Fred zur Stelle, mit der Begründung, dass man Anni doch nicht alleine im eiskalten Wasser baden lassen könne – das sei doch viel zu gefährlich. Anni fordert Fred heraus und bringt ihn dazu, auch ins kalte Wasser zu steigen. Doch als Fred sich auszieht, fällt ihr auf, dass Fred eigentlich ein Mädchen ist …

Bewertung:

So ein dünnes Jugendbuch braucht schon etwas Besonderes, um gegen andere Bücher bestehen zu können. Epische Breite, langsam und stetig aufgebaute Spannung funktionieren bei nicht mal 100 Seiten nicht. Was Lena Hach dem Leser bzw. der Leserin mit dem Buch dagegen schenkt, ist eine pointiert erzählte Geschichte, in der in kurzen Schlaglichtern nur das Nötigste erzählt wird. Alles Unnötige wird weggelassen, das Buch konzentriert sich ganz auf die Begegnung der beiden Hauptfiguren Anni und Fred. Nur am Rande tauchen noch die Tante von Fred sowie Annis beste Freundin auf.

Wie das bereits oben erwähnte und verlinkte Buch von Jenny Jägerfeld beginnt die Geschichte erst mal unbedarft – das Transgender-Thema kommt erst nach einer Weile mit einem kleinen Paukenschlag hinzu: als Fred sich fürs Eisbaden auszieht. Für Leser/innen, die noch nichts über das Buch wissen (das war bei mir leider nicht so – ja, man sollte einfach den Klappentext nicht lesen; dort wird oft zu viel verraten), ist das eine Überraschung. Gut gesetzt ist sie in jedem Fall.

Was beide Figuren vereint, ist, dass sie etwas Tragisches mit sich herumtragen. Anni hat ihre Leichtigkeit verloren und ist in ihrem Selbstvertrauen stark erschüttert worden, weil vor kurzem ihr Onkel Franz bei einem Autounfall ums Leben gekommen ist. Das ist besonders tragisch, weil er nur Beifahrer war. Bei Anni hat das Ereignis dazu geführt, dass sie voller Ängste ist und zum Beispiel nicht in fremden Autos mitfahren will. Es ist Fred, der das instinktiv versteht und an einer Stelle extrem mitfühlend reagiert.

Was Fred angeht, so beschreibt der Roman behutsam und trotzdem klar und deutlich, dass dieser es wegen seiner neuen Geschlechtsidentität nicht leicht hat. Er verbringt nur eine Ferienwoche bei seiner Tante Mona, die in der Bäckerei arbeitet. Und Mona versteht das mit dem Transsein nicht so richtig. Auch zu Hause und in der Schule, das deutet Fred mehrmals an, hat er deswegen einiges zu erdulden. Zugleich weiß er aber auch, dass kein Weg daran vorbeigeht, dazu zu stehen, dass er ein Junge ist – weil er sich nicht selbst verleugnen kann und will.

Anni nimmt das alles als bewundernswert normal hin. Sie ist anfangs irritiert, als sie mitbekommt, dass Fred einen Mädchenkörper hat, aber richtig beeindrucken lässt sie sich davon nicht. Bloß daran, dass sie es ihrer besten Freundin gegenüber nicht gleich ausplaudert, merkt man, dass das auch für Anni nicht in allem ein einfaches Thema ist. Anni fühlt sich trotzdem zu Fred und seiner Art hingezogen, sie merkt, wie nah sie sich ihm fühlt und dass sie ihn mag. Es ist diese Selbstverständlichkeit, mit der sie das Transsein akzeptiert, die man an Anni bewundern kann; und ich schätze, dass es genau das ist, was sich Transmenschen wünschen.

Fazit:

5 von 5 Punkten. Knapp 100 Seiten: „Fred und ich“ ist nicht nur deswegen eine besondere Geschichte, die mich durch ihre Art, erzählt zu werden, fasziniert hat. In dem Jugendroman steckt viel Einfühlungsvermögen – den Figuren wie dem Transgender-Thema gegenüber. Das alles ist sprachlich gut in Worte gefasst. Von der Woche, in der sich Anni und Fred begegnen, wird in vielen kleinen Kapitelabschnitten konzentriert berichtet; und die Leerräume die angesichts der Knappheit bleiben, sind charmant und führen interessanterweise nicht dazu, dass man das Gefühl hat, dass man zu wenig erfährt.

Es gibt im Buch einige filmreiche Szenen, die zeigen, dass Lena Hach nicht nur sprachlich, sondern auch dramaturgisch gut zu schreiben vermag. Man nehme nur das Eisbaden, als Fred sich auszieht und auf einmal ein neues Thema ins Buch kommt. Man kann sich das in einem Film gut vorstellen. Etwas Ähnliches findet man am Ende des Buchs: eine Szene im Friseurladen von Annis Mutter, die man sich verfilmt vor Augen halten kann (mehr sei nicht verraten). Ich war anfangs etwas skeptisch, weil das Bändchen gar so dünn daherkommt; aber genau das macht den Reiz des Buchs aus. Und alles ist so einfühlsam und behutsam verpackt, dass man „Fred und ich“ Leser/inne/n ab 12 Jahren bedenkenlos in die Hand geben kann (auf der Verlags-Webseite wird das Buch sogar schon ab 11 Jahren empfohlen).

blau.giflila.gifrot.gifgelb.gifgruen.gif

(Ulf Cronenberg, 21.05.2023)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert