(Carlsen-Verlag 2023, 159 Seiten)
Was für ein stilvolles Cover – das muss gleich zu Beginn mal gesagt werden. Ich bin ganz hin und weg davon … Und was den Buchtitel von Tamara Bachs neuem Jugendroman angeht, kann man zumindest mutmaßen, dass es um widerstreitende Gefühle geht, denn Salz und Honig passen ja nicht so richtig zusammen (auch wenn man süßem Gebäck meist eine Prise Salz hinzufügt). An Tamara Bachs dünne Bändchen, einmal pro Jahr, hat man sich inzwischen fast gewöhnt – diesmal hat es sogar einige zehn Seiten mehr also die letzten …
Inhalt:
Ari ist mit ihren Eltern verreist: nach Griechenland auf eine Insel; und so richtig spannend, fürchtet das Mädchen, wird dieser Urlaub nicht. Lieber wäre sie mit ihrer besten Freundin Elif in den Urlaub gefahren; aber die ist nicht dabei, immerhin halten die beiden übers Handy Kontakt.
Auch wenn Aris Eltern sich bemühen, toll ist der Urlaub nicht, und er bekommt eine noch schlimmere Wendung, weil eine Arbeitskollegin ihrer Mutter ausfällt und sie deswegen von Griechenland aus alles abfangen muss. So sitzt Aris Mutter ständig am Laptop, schreibt Mails, hält Videokonferenzen ab; und genervt ist vor allem Aris Vater, der sich den Urlaub anders vorgestellt hat. Er versucht stattdessen mit Ari etwas zu unternehmen; aber auf seine Frau ist er trotzdem nicht gut zu sprechen.
Die schlechte Stimmung zwischen den Eltern spitzt sich immer mehr zu, Ari versucht das auszuhalten, indem sie sich über eine Leiter aufs Dach des Ferienhauses zurückzieht. Außerdem geht sie ins Dorf, wo sie von einem hübschen griechischen Jungen, der Pegasos heißt, angesprochen wird. Ein Lichtblick angesichts des faden Urlaubs … Als dann aber Elif nicht mehr auf Aris Nachrichten reagiert, macht sich Ari große Sorgen um ihre beste Freundin.
Bewertung:
Wer ein Buch von Tamara Bach liest und die Autorin ein wenig kennt, weiß, dass er sich oft auf etwas Experimentelles einlässt. Die Autorin wagt in ihren Büchern gerne etwas: sprachlich allemal, erzählerisch immer wieder und dramaturgisch durchaus auch. Das gilt auch für „Honig mit Salz“, und was das Buch diesmal auszeichnet, ist der Schreibstil in Kurzsätzen. Aber dazu weiter unten mehr.
„Honig mit Salz“ erzählt die Geschichte eines Mädchens, das die Kinderjahre verlassen hat. Urlaube mit den Eltern ohne Geschwister (die Ari nicht hat) oder Freundinnen sind an sich eigentlich schon eine Zumutung. Doch was dann für Ari in Griechenland passiert, toppt alles: Die Eltern liegen, weil die Mutter in einer Notlage die ganze Zeit nur arbeitet, ständig im Streit. Sie versuchen das mehr schlecht als recht vor ihrer Tochter zu verbergen. Ari spürt jedoch ziemlich genau, was da los ist. Die überspielende Bemühtheit des Vaters hilft jedenfalls wenig.
Immerhin taucht dann Pegasos auf, ein griechischer Junge, der sich – passend zur sprachlich Konzeption des Romans – nur spärlich mit englischen Kurzsätzen auszudrücken vermag. Ari spürt, dass Pegasos sich für sie interessiert, und das wiederum schmeichelt ihr. Immer wieder treffen sie sich, es gibt erste Annäherungsversuche, dann erste Küsse. Für Ari ist das alles neu und aufregend, und Tamara Bach weiß den Reiz an diesen ersten Gehversuchen des Verliebtseins einfühlsam darzustellen.
Überhaupt bleibt das Buch ganz konsequent in der Sicht Aris, obwohl der Roman nicht aus der Ich-Perspektive, sondern personal, manchmal mit auktorialen Anklängen erzählt wird. Was in den Eltern vorgeht, erfährt man nicht direkt, kann es nur aus den beschriebenen Verhaltensweisen und den wiedergegebenen Dialogen herauslesen. Und trotzdem entstand – das hat Tamara Bach wirklich gut gemacht – vor meinem inneren Auge ein klares Bild, was sich zuträgt und zwischen den Figuren passiert.
Der Kurzsatzstil hat mich allerdings immer wieder irritiert. Nebensätze gibt es nur wenige: nur hier und da mal ein Relativsatz, ab und zu mal ein Nebensatz mit „dass“, „als“ oder „ob“ eingeleitet, damit ein vollständiger Satz entsteht. Der Rest sind kurze Hauptsätze, die manchmal mit Komma oder einem „und“, oft mit Punkt dazwischen aneinandergereiht sind. Viele der Sätze sind elliptisch – da fehlt z. B. das Subjekt, das aus dem vorherigen Satz ergänzt werden muss. Und manchmal sind es nur Einzelwörter, die durch einen Punkt getrennt aufeinanderfolgen.
An vielen Stellen funktioniert das gut, manchmal aber wirkt es auch etwas verkrampft. Beim Lesen habe ich mich ab und zu in die Zeit zurückversetzt gefühlt, als ich meiner damals 2- oder 3-jährigen Tochter Bücher wie Olaf und Lena Landströms „Nisse“-Bücher vorgelesen habe. Die haben genau diesen sachlichen Kurzsatzstil und werden personal erzählt; die Mutter heißt dort – wie in „Honig mit Salz“ – auch immer nur „Mama“. Manchmal ist mir dieser Stil in Tamara Bachs Roman aufgestoßen – wie im folgenden Zitat bei den letzten beiden Sätzen, die dann doch sehr banal und nach Kinderbuch klingen:
„Sein [Papas] Blick bleibt an der Zeitung hängen, die immer noch vor ihm auf dem Tisch liegt. Er nimmt seine Speisekarte, die von Ari, und legt sie auf den Tisch nebenan. Er lächelt Ari zu, dann liest er einen Artikel. Ari greift in ihre Tasche und zieht das Buch heraus.
Ari und Papa essen zu Mittag.
Papa schaut zum Strand beim Kauen.“ (S. 35f)
Wenn man sich in das Buch eingelesen hat, länger am Stück dranbleibt, fällt das alles nicht mehr so auf – man gewöhnt sich an den Schreibstil. Und gegen Ende, wenn das Buch auch eine gewisse Spannung entfaltet – leider etwas spät –, bleibt man bei dem Kurzsatzstil auch nicht mehr hängen. Seine Stärken spielt er immer aus, wenn Tamara Bach ihn mit ihrer Wortgewandtheit kombiniert:
„Ari sieht sich im Spiegel an. Nah. Mitessernah. Wirddasetwaeinpickelnah. Ari sieht eine Sommersprosse. Die einzige, die sie jedes Jahr bekommt. Die niemand außer ihr Sommersprosse nennt.“ (S. 46)
Gefragt habe ich mich, welchen Zusammenhang es zwischen der Handlung im Buch und der sprachlichen Gestaltung gibt. Ist es eine schlüssige Antwort, dass die Sprachlosigkeit zwischen Ari und den Eltern, aber auch zwischen den Eltern darin widergespiegelt wird? Ich weiß es, ehrlich gesagt, nicht …
Fazit:
4 von 5 Punkten. Sagen wir es so: Tamara Bach hat in „Honig mit Salz“ etwas gewagt. Aus meiner Sicht ist das nur zum Teil aufgegangen. Zu oft bin ich über den Kurzsatzstil gestolpert und fand ihn etwas krampfhaft durchgezogen. Die Geschichte an sich braucht außerdem recht lange, bis sie in die Gänge kommt. Es ist erst das letzte Drittel, das mich wirklich gepackt hat. Da spitzt sich zwischen Aris Eltern alles zu; mit Pegasos passiert auch etwas Unerwartetes; und man bekommt mit, warum Elif mehrere Tage nicht mehr aufs Aris Nachrichten reagiert hat. Man kann da vieles vermuten, aber den wirklichen Grund wird man wohl kaum erraten.
Auch wenn ich „Honig mit Salz“ nicht rundum gelungen finde – ich finde es gut, dass es mit Tamara Bach eine deutsche Autorin gibt, die immer wieder etwas auslotet. Und da sind dann mal sensationelle Bücher darunter oder welche, die auffallen, mir aber nicht so hundertprozentig gefallen. Wie Jugendliche den Schreibstil in „Honig mit Salz“ finden, tu ich mich schwer zu beurteilen. Vielleicht stören sie sich ja weniger daran als ich.
(Ulf Cronenberg, 21.02.2023)
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