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Buchbesprechung: Karen M. McManus „Nothing more to tell“

Cover: Karen M. McManus „Nothing more to tell“Lesealter 14+(cbj-Verlag 2022, 425 Seiten)

Ich zögere immer ein wenig, ob ich das Buch lesen soll, wenn ich eine Neuankündigung von Karen M. McManus sehe. Die beiden Bücher, die ich bisher von ihr besprochen habe, waren spannend und raffiniert arrangiert; aber da ihre Jugendromane immer knapp 450 Seiten haben, nimmt mir das einiges meiner begrenzten Lesezeit weg. Was die Namensgebung der Bücher angeht, finde ich diese englischen Kurzsätze, die auch für die deutschen Buchtitel übernommen werden, immer etwas reißerisch. Man könnte das aber fast schon als Markenzeichen der amerikanischen Autorin ansehen.

Inhalt:

Brynn ist mit ihren Eltern zurück nach Sturgis in der Nähe von Boston gezogen, wo sie bis vor ein paar Jahren auf die Schule gegangen ist und noch einige Freunde von früher kennt. Doch bevor die Schule losgeht, sucht sie erst mal einen Praktikumsplatz und hat sich bei der aufstrebenden True-Crime-Produktionsfirma Motive beworben. Lange hat sie überlegt, wie sie es schaffen könnte, den begehrten Praktikumsplatz zu bekommen – eigentlich werden dafür nur Student/inn/en ausgewählt. Doch sie hat ein Ass im Ärmel.

Vier Jahren zuvor war an ihrer früheren Schule, die sie jetzt wieder besucht, einer ihrer Lieblingslehrer, Mr. Larkin, ermordet worden – ein Fall der nie aufgeklärt wurde. Und genau das anzugehen, schlägt sie der Chefreporterin beim Bewerbungsgespräch vor. Schließlich kennt sie von früher die drei Jugendlichen, die Mr Larkin im Wald in der Nähe der Schule tot gefunden haben; außerdem findet sie es seltsam, dass die drei nie als Verdächtige gehandelt wurden. Wegen ihres beherzten Auftritts bekommt sie das Praktikum und fängt dann an der Schule zu recherchieren an. Allerdings darf niemand davon wissen.

Einer der drei Jugendlichen, die Mr Larkins Leiche entdeckt haben, ist Tripp. Mit Tripp verband Brynn lange eine enge Freundschaft, doch dann hat Tripp sie nach dem Mord von Mr Larkin vor den Mitschüler/inne/n so bloßgestellt, dass Brynn nichts mehr mit ihm zu tun haben wollte. Jetzt wieder auf ihn zuzugehen und Informationen zu bekommen, fällt Brynn schwer – zumal auch Tripp sie meidet. Doch um weiterzukommen, muss Brynn mit Tripp sprechen und sein Vertrauen gewinnen.

Bewertung:

Dass Karen M. McManus ihr Handwerk versteht, merkt man schon auf den ersten Seiten – denn wie man als Leser/in in die Geschichte eingeführt wird, ist gut gemacht. Man liest, wie sich Brynn im Wartezimmer bei Motive vor dem Bewerbungsgespräch kurz mit einer anderen Bewerberin unterhält, dann aber zur Chefredakteurin gebracht wird, wo sie zeigen will, dass sie für den Job qualifiziert ist. Indem Brynn von den Ungereimtheiten in dem Mordfall an ihrem früheren Lehrer erzählt, wird man als Leser/in ins Bild gesetzt; und schwups, schon ist man in der Geschichte drin, die dann an der Schule und im Wohnort Brynns fortgeführt wird.

„Nothing more to tell“ (Übersetzung: Anja Galić; identischer Originaltitel im Amerikanischen) wird immer wieder wechselnd aus der Perspektive Brynns und Tripps in der Ich-Form erzählt. Das ist nicht unbedingt etwas Neues, aber funktioniert auch in diesem Buch gut, weil zwischen den beiden Hauptprotagonisten Spannungen bestehen. Dass sich dahinter eigentlich ein weggedrücktes Verliebtsein verbirgt, das zu einem verliebten Knistern führen wird, ahnt man schnell – Karen McManus weiß, wie man Leser/innen gewinnt.

Wie die Autorin darüber hinaus ihren Plot aufzieht, ist nach allen Regeln der Kunst gemacht. Die Geschichte nimmt einige unerwartete Wendungen, und Langeweile ist absolut nichts, was dieses Buch kennt. Nein, „Nothing more to tell“ hat immer wieder Zwischenhöhepunkte, und dazwischen gibt es keine richtigen Momente des Stillstands, sondern nur so etwas wie unterhaltsame Zwischenräume. Zugleich nimmt sich die Autorin immer auch genug Zeit für ihre Figuren, um ihr Handeln und das, was in ihnen vorgeht, zu erklären.

Man könnte natürlich an der Stelle ein wenig an der Konzeption der Figuren herummosern, weil sie bestimmten Klischees entsprechen: Der reiche, verwöhnte Schnösel aus erfolgreicher Unternehmerfamilie darf nicht fehlen, ebenso wenig das bildhübsche Mädchen, das alle bewundern. Doch die Kritik würde zu kurz greifen, weil viele, aber nicht alle Figuren im Laufe des Buchs ab und zu auch andere Seiten zeigen. Und gerade Brynn und Tripp sind durchaus vielschichtig angelegt.

Was ich – nicht nur an diesem Buch Karen M. Magnus‘, sondern auch an „One of us is lying“ und „One of us is next“ – immer ein bisschen gewöhnungsbedürftig oder, sagen wir, anstrengend finde, ist die amerikanische Highschool-Welt. Das ist schon ein ganz besonderes Soziotop, das mir fremd ist und wohl auch fremd bleiben wird. Das Getue um Schulpartys, das oberflächliche Perfektseinwollen mit allem Drum und Dran finde ich schrecklich. Zum Glück sind es nur einige Stellen, wo das in „Nothing more to tell“ in den Vordergrund tritt.

Fazit:

4-einhalb von 5 Punkten.
Wer eine kurzweilige, unterhaltsame und gut lesbare Lektüre für kalte oder verregnete Wintertage sucht, der ist mit Karen M. McManus‘ „Nothing more to tell“ gut bedient. Die amerikanische Autorin weiß, wie man packende Geschichten konstruiert und wie man sie von einem kleinen Höhepunkt zum nächsten führt. Darüber hinaus gelingt es der Autorin, ihre Hauptfiguren psychologisch plausibel darzustellen. „Nothing more to tell“ erzählt spannend, wie eine Schülerin die Hintergründe zu einem Mord aufdecken will und dabei Dinge in Gang setzt, die sie oft bereut.

Klar, man darf sich von dem Roman keine tiefgreifenden oder lebensanregenden Lesemomente erwarten – aber manchmal sind Bücher auch nur zur Unterhaltung da; und die Kunst der Unterhaltung beherrscht Karen M. McManus wie aus dem Effeff. Mir geht es jedenfalls so, dass ich solche Bücher ab und zu auch mal gerne lese und es hinterher auch nicht bereue. Wenn der Rest stimmt, nehme ich dafür sogar das Bisschen amerikanisches Highschool-Getue in Kauf.

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(Ulf Cronenberg, 04.01.2023)

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