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Buchbesprechung: Will Gmehling „Das Elser-Eck – die Bukowskis machen weiter“

Cover: Will Gmehling „Das Elser-Eck"Lesealter 10+(Peter-Hammer-Verlag 2022, 177 Seiten)

Freibad“ hieß der erste Band von Will Gmehlings Bukowskis-Büchern … Ob damals schon daran gedacht war, dass es mindestens zwei weitere Bände geben würde? Jedenfalls hat Will Gmehling für den Erstling gleich den Deutschen Jugendliteraturpreis bekommen – zu recht, denn die Geschichte ist erfrischend erzählt. Band 2 „Nächste Runde“ habe ich (vor)gelesen, aber nicht hier besprochen, und der nun vorliegende Band 3 dürfte das erste hier besprochene Buch sein, das ich nicht alleine gelesen, sondern vorgelesen habe. Kleiner Tipp am Rande: Alle drei Bücher eigenen sich hervorragend zum Vorlesen für Kinder ab 9 oder 10 Jahren.

Inhalt:

Bei den Bukowskis – den Eltern, dem ältesten Sohn Alf, der etwas jüngeren Johanna sowie dem Jüngsten Robbie – ist alles beim Alten: Robbie träumt sich durch die Welt, verdient sich mit Flaschensammeln weiter etwas Taschengeld; Katinka arbeitet nach wie vor daran, ihr Französisch zu verbessern, und will weiterhin als Modedesignerin groß rauskommen; Alf tut sich in der Schule noch immer schwer, beißt sich aber durch – wie das geht, lernt er beim Boxen. Und die Eltern haben nicht viel Geld, kämpfen sich aber für ihre Kinder durchs Leben.

Dann verändert sich auf einmal alles, denn Onkel Carl, der früher in Amerika gelebt hat, hat einen großen Batzen Geld geerbt. Niemand weiß, wie viel es ist, aber es scheint nicht wenig zu sein. Alfs Eltern wollen davon aber nicht profitieren, und doch entsteht mit der Zeit ein neuer Plan: Mit Carl und seine Frau Linda wollen sie eine runtergekommene alte Kneipe, das Elser-Eck, kaufen, sie herrichten und zu einem Büdchen umgestalten.

Das Elser-Eck soll zu einem Treffpunkt im Viertel werden – um dort etwas zu trinken und zu essen, um Kleinigkeiten wie Eis oder Chips einkaufen zu können. Nach Wochen der Renovierung, bei denen auch Alf mitgeholfen hat, wird die Eröffnung gefeiert. Die Eltern von Alf sind jedenfalls voller Elan, der ihnen am Ende in ihren früheren Jobs als Taxifahrer bzw. Bäckereiverkäuferin gefehlt hat. Für die Bukowskis beginnt eine neue Lebensphase.

Bewertung:

Wer die ersten beiden Bände von Will Gmehling gelesen hat (und das empfiehlt sich, weil es den Lesegenuss steigert), der fühlt sich nach ein paar Seiten sofort wieder in der Bukowski-Familie heimisch. Katinka nervt und verzaubert einen zugleich mit ihrem „Oh là là!“; Alf denkt weiterhin ständig an Johanna, das schöne Mädchen, mit dem er inzwischen zusammen ist; und Robbie ist verträumt und beginnt eines Tages schlafzuwandeln … Ja, man ist schnell wieder mittendrin im Leben der Bukowskis, und das allein ist schon mal ein gutes Zeichen.

Die Bukowskis, das sind kleine Helden des Alltags. Das Geld müssen sie gut zusammenhalten, sie müssen sich alles hart erarbeiten, und sie sind alles andere als verwöhnt; genau das macht sie so sympathisch. Dahinter steht auch ein großer Stolz; und es ist von daher kein Wunder, dass insbesondere die Mutter absolut kein Geld von Onkel Carls Erbe annehmen will. Es dauert lange, bis sie der Idee zustimmt, dass sie mit dem Geld gemeinsam das Elser-Eck herrichten, um sich dort eine neue Existenzgrundlage aufzubauen.

Alf, der Erzähler der Geschichte, ist einfach eine sympathische Figur. Vieles muss er sich erkämpfen – zum Beispiel, dass er in der Realschule nicht den Anschluss verliert. Das Boxen hilft ihm dabei, denn es lehrt ihn, ausdauernd an Sachen zu bleiben, nicht aufzugeben, auch Niederlagen wegzustecken. Es ist ein geschickter Winkelzug und sicher kein Zufall, dass Will Gmehling Alf genau diesen Sport treiben lässt. Das Boxen ist aber nicht nur Lebensschule, das Boxstudio ist für Alf auch ein Rückzugsort vor der Familie, quasi eine zweite Heimat. Denn manchmal ist er von der Enge zu Hause, vor allem von der quasseligen Schwester genervt.

Interessant ist, wie im Buch Alfs Gefühle ausgelotet werden; Johanna spielt hier eine große Rolle. Der erste Kuss mit ihr auf den Mund lässt lange auf sich warten, Alf ist danach hin und weg … Beeindruckend ist aber auch, wie Alf Johannas Schattenseiten (ihre Unpünktlichkeit und ihre Wortkargheit am Telefon) wegsteckt und akzeptiert. Johanna übrigens – das ist eine der Nebengeschichten im Buch – hat es mit ihren Eltern auch nicht gerade leicht. Alf hilft ihr jedoch, über diese schwere Zeit hinwegzukommen.

Dass es auch in Band 3 gegen Ende einen großen Boxkampf gibt, kann man sich denken. Das gehört zu den Bukowskis-Büchern dazu. Für Spannung ist grundsätzlich also gesorgt, wobei man schon ahnt, ob Alf gewinnt oder nicht (meine Vermutung war richtig). Will Gmehling hält aber in Bezug auf Spannung den Ball insgesamt flach: Er schreibt die Geschichte eher berichtartig als spannungsgeladen. Überhaupt ist die Sprache recht einfach gehalten (passend zu Alf als Erzähler): Sie bleibt eher nüchtern, kennt keine langen Sätze – dadurch können auch nicht so leseerfahrene Kinder andocken.

Neu ist, dass Alf in dem Buch Gedichte schreibt … Poetische Höhenflüge darf man da nicht erwarten; nein, die Gedichte sind sehr einfach gehalten, für meinen Geschmack hätte es sie, ehrlich gesagt, nicht gebraucht. So schön es ist, dass ein Junge sich an Gedichte heranwagt – ich kann mir nicht vorstellen, dass junge Leser/innen hier zur Nachahmung animiert werden. Denn die Gedicht sind doch etwas zu banal.

Fazit:

5 von 5 Punkten. Auch der dritte Band der Bukowskis-Bücher ist mehr als gelungen – man kann sich dem Charme der Bukowski-Familie mit den so unterschiedlichen Charakteren nicht entziehen, hat man Alf, Katinka und Robbie sowie ihre Eltern kennengelernt. Der Reiz von „Das Elser-Eck – die Bukowskis machen weiter“ liegt wie schon bei den vorausgegangen Bänden darin, dass wir es hier mit einer ungewöhnlichen Familie zu tun haben, die aus einfachen Verhältnissen stammt, in der vor allem Geld knapp ist, in der sich die Eltern aber trotzdem rührend um ihre Kinder kümmern, auch wenn sie selbst ab und zu von dem Trubel genervt sind.

Alf und seine Geschwister sind damit ein Gegenbild dazu, dass Eltern ihre Kinder überbehüten. Man bekommt als Leser/in sehr eindrücklich mit, wie Alf und Katinka davon profitieren und durch eine große Menge Selbstverantwortung viel lernen und fit fürs Leben werden. Das zu sehen, ist wohltuend.

Mit den Worten von Katinka kann man auch über den dritten Band nur „Oh là là!“ rufen … Und am Ende kann man sich nur wünschen, dass weitere Bukowskis-Bände folgen, in denen man sieht, wie es mit Alf & Co. weitergeht.

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(Ulf Cronenberg, 15.05.2022)

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