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Buchbesprechung: Juliane Pickel „Krummer Hund“

Cover: Juliane Pickel „Krummer Hund“Lesealter 14+(Beltz & Gelberg 2021, 259 Seiten)

Der Peter-Härtling-Preis ist einer der renommiertesten Jugendbuchpreise in Deutschland; er wird allerdings – anders als andere Preise – für nicht veröffentlichte Manuskripte vergeben, und zwar alle zwei Jahre. Das Siegerbuch erscheint dann bei Beltz & Gelberg als Buch. Gabi Kreslehner oder Martina Wildner sind vergangene Preisträgerinnen, die durch den Preis als Autorinnen eine erste Aufmerksamkeit bekommen haben und dann bekannt wurden. In diesem Jahr ging der Preis an Juliane Pickel, die mit dem nun erschienenen Jugendbuch „Krummer Hund“ ihr Debüt gibt.

Inhalt:

Daniels Vater hat die Familie schon vor einiger Zeit verlassen, seitdem stürzt sich seine Mutter von einer Beziehung in die andere; nach einer Hochphase sind bisher alle Beziehungen in die Brüche gegangen, und Daniels Mutter ist dann immer am Boden zerstört. Als Daniels Hund Ozzy, eine der wenigen Erinnerungen an seinen Vater, in einer Tierarzt-Praxis eingeschläfert wird, ist das für Daniel ein traumatischer Moment. Er spürt dort aber zugleich, dass seine Mutter an Dr. König, dem Tierarzt, interessiert ist. Und es dauert nicht lange, da geht dieser bei ihnen zu Hause ein und aus.

Daniel stellt sich darauf ein, dass das übliche Muster seinen Verlauf nimmt; auch erwartet er, dass er wie von allen bisherigen Verehrern der Mutter altväterlich und anbiedernd behandelt wird. Doch der Doc, wie Daniel den Tierarzt nur nennt, stellt sich als gar nicht so verkehrt heraus, auch wenn Daniel es sich nicht so richtig eingestehen will.

Doch es gibt noch anderes in Daniels Leben: Mit seinem besten Freund Edgar hat er eine besondere Mission: Sie beobachten Alina aus ihrer Klasse, ein bildhübsches Mädchen, das allerdings alles andere als nett ist, weil es in der Klasse andere ständig drangsaliert und mobbt. Edgar und Daniel schmieden schon lange Pläne, wie sie an Alina, von ihnen nur Prinzessin Evil genannt, Rache nehmen können.

Auf einer Party sehen sie das erste Mal Alinas Bruder Pascal, den sie anfangs für ihren Freund halten. Pascal ist ein kauziger Typ, den Gerüchte um Drogen und anderes umwehen. Daniel beginnt auf der Party immer mehr zu trinken, und am nächsten Morgen weiß er nicht mal mehr, wie er nach Hause gekommen ist. Er erfährt, dass in der Party-Nacht Alinas Bruder von einem Auto totgefahren wurde; und als er sich dunkel erinnert, dass ihn nachts der Doc von der Party abgeholt hat, kommt ihm ein schlimmer Verdacht …

Bewertung:

„Krummer Hund“ – was für ein schräger Titel, unter dem man sich erst mal nicht so richtig was vorstellen kann. Seine Vielschichtigkeit erschließt sich einem erst, wenn man das Buch gelesen hat. Ehrlich gesagt, hat mich Juliane Pickels Jugendroman anfangs auch nicht so ganz gepackt – er kam mir etwas eindimensional und durchschaubar angelegt vor: Schon lange bevor in Daniel der Verdacht aufkommt, dass der Doc Alinas Bruder Pascal totgefahren haben könnte, sieht man das als Leser/in vor seinen Augen.

Doch je weiter man liest, desto differenzierter entfaltet sich die Geschichte des Romans, und meine Bewunderung für das Buch ist gewachsen. Der Roman wird vielschichtiger, und ich konnte – anders als auf den ersten 50 Seiten – verstehen, warum er mit dem Peter-Härtling-Preis ausgezeichnet wurde (und auch schon andere Auszeichnungen bekommen hat). Die Vielschichtigkeit betreffen sowohl den Plot, der gottseidank doch nicht so einfach gestrickt ist, wie man es zu Beginn befürchtet, als auch die Figuren, die sich entwickeln.

Interessant finde ich auch die Figur Daniels als Ich-Erzähler: Weil er ist an vielen Stellen begrenzt sympathisch rüberkommt, ist er fast schon so etwas wie eine Ausnahmeerscheinung in Jugendromanen. Oft empfindet man so etwas wie Mitgefühl für ihn, weil sein Vater ihn in Stich gelassen hat und weil seine Mutter im Leben schwimmt. Aber die Ausraster, die ihn immer wieder überkommen, bei denen er Dinge von Unschuldigen kaputtmacht und einmal sogar einen Unschuldigen vermöbelt – sie lassen ihn nicht gut dastehen. Irgendwann merkt man, dass Daniel ziemlich viel mit Alina, die andere schikaniert, gemeinsam hat; und es ist schon fast perfide, wenn Daniel mit seinem besten Freund plant, Alina aus Rache übel mitzuspielen.

Alina dagegen hat – das gehört zu den vorhersehbareren Momenten des Buchs – auch andere Seiten, als die, die sie in der Klasse an den Tag legt. Das zeigt sich irgendwann, als Daniel sie ein wenig kennenlernt: Unter dem Vorwand, ihr die Hausaufgaben vorbeizubringen, will er sie im Auftrag von Edgar eigentlich für die Planung ihres Rachefeldzugs ausspionieren, erfährt dabei jedoch, dass Alina auch anders sein kann … Und dass der Doc auch nicht der ist, für den Daniel ihn anfangs halten will, tut dem Roman ebenfalls gut.

Wie seine Figuren entwickelt sich auch der Roman und wird von Seite zu Seite komplexer; ja er enthält sogar Krimi-Elemente, weil man als Leser/in wissen will, wie sich die Dinge um Pascals Tod verhalten haben. Einfache Antworten bleiben Daniel und auch dem Leser bzw. der Leserin aber verwehrt; ich kann mir gut vorstellen, dass manche/r Leser/in das Buch deswegen etwas unzufrieden aus den Händen legt, weil das halboffene Ende einiges nicht abschließend klärt. Doch eigentlich ist das raffiniert und passt meiner Meinung nach sehr gut dazu, wie die das Buch angelegt ist.

Fazit:

4-einhalb von 5 Punkten. „Krummer Hund“ ist kein Jugendroman, der mich von Anfang an überzeugt hat – der Einstieg wirkt etwas spröde, holzschnittartig und vorhersehbar. Doch der Spannungsbogen, der dann aufgezogen wird, passt: Die befürchtete Eindimensionalität des Buchs wird aufgelöst und weicht einer konsequent auf allen Ebenen durchgezogenen Vielschichtigkeit. Es sind vor allem die Figuren, an denen das deutlich wird. Sie sind deutlich dynamischer gestaltet, als man es zu Beginn einschätzt.

Juliane Pickels Debütroman wird jedenfalls mit jeder Seite unterhaltsamer, und irgendwann wird er so packend, dass man das Buch nicht mehr aus der Hand legen will. Von daher braucht man ein bisschen Durchhaltevermögen, um in das Buch hineinzukommen – aber es lohnt sich eindeutig. Was mich ansonsten an dem Buch fasziniert hat, ist die Figur Daniels als Ich-Erzähler. Es kommt nicht oft vor, dass man eine erzählende Hauptfigur im Buch hat, die in einigem so wenig sympathisch rüberkommt. Gut, dass eine Autorin sich das so traut!

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(Ulf Cronenberg, 16.08.2021)


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