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Buchbesprechung: Neal Shusterman „Scythe – Der Zorn der Gerechten”

Cover: Neal Shusterman „Scythe – Der Zorn der Gerechten"Lesealter 14+(Sauerländer-Verlag 2018, 524 Seiten)

Band 1 der „Scythe“-Trilogie hatte ich gelesen, weil ich gebeten wurde, eine Veranstaltung mit Neal Shusterman zu moderieren. Das Buch hat mich trotz anfänglicher Skepsis so gefesselt, dass ich beschlossen hatte, irgendwann auch Band 2 anzugehen – normalerweise lasse ich schon früher erschienene Jugendromane liegen, weil mein Lesestapel mit aktuellen Büchern viel zu groß sind. Aber die Faschingsferienwoche war passend, um die gut 500 Seiten möglichst schnell wegzulesen; und bereut habe ich es – das sei vorweggenommen – nicht.

Inhalt:

Citra ist inzwischen Scythe, nennt sich Anastasia und hat ihren ganz eigenen Weg gefunden, Menschen nachzulesen, also zu töten. Sie taucht bei den ausgewählten Menschen auf und gibt ihnen einen Monat Zeit, ihren Nachlass zu regeln und sich von anderen zu verabschieden. Auch bei der Art des Todes dürfen die Ausgewählten mitreden. Andere Scythes sehen das als falsch an, aber es gibt auch kein Gesetz, das das Vorgehen verbietet.

Rowan, der mit Citra die Scythe-Ausbildung absolviert hat, aber am Ende nicht Scythe wurde (siehe Band 1), verfolgt ein eigenes Ziel: Er verfolgt unmoralisch und selbstsüchtig handelnde Scythes, damit diese nicht ihr blutrünstiges Treiben fortführen können. Dazu zieht er eine schwarze Scythe-Robe an – eigentlich für die Roben eine verbotene Farbe –, und tötet sie. Er nennt sich selbst Scythe Luzifer und führt ein gehetztes und gefährliches Leben, denn nicht wenige Scythes sind hinter ihm her und wollen sein Leben beenden, da sie in ihm einen Verräter sehen.

Doch auch Citra ist gefährdet. Mit ihrer Mentorin Scythe Curie entkommt sie gerade noch einem Anschlag, der auf die beiden verübt wurde – und das nur, weil sich jemand anderes opfert: ein bisher unbekannter Mann namens Greyson Tulliver. Interessanterweise – aber das wissen Citra und Scythe Curie nicht – steht hinter der Rettungsaktion der Thunderhead, die künstliche Intelligenz, die auf der Welt die Regierungen ersetzt hat und das Leben regelt. Das ist insofern ungewöhnlich, als der Thunderhead nicht in die Belange der Scythes eingreifen darf. Citra und Scythe Curie sind nach wie vor in großer Gefahr, denn die Anhänger des getöteten und blutrünstigen Scythe Goddard planen weiterhin, unter den Scythes die Führerschaft zu übernehmen.

Bewertung:

Lange hat es nicht gedauert: Nach nur wenigen Seiten war ich wieder vollkommen in der Scythes-Welt drin, auch wenn seit dem Lesen von Band 1 vier Monate vergangen sind. Dass das so war, liegt vor allem an zweierlei: Zum einen ist Neal Shusterman ein begabter Schriftsteller, der zu erzählen weiß; zum anderen ist das Szenario der Scythes-Welt etwas ganz Besonderes: einerseits faszinierend, andererseits aber auch etwas unheimlich.

Was „Scythe – Der Zorn der Gerechten” (Übersetzung: Kristian Lutze und Pauline Kurbasik; amerikanischer Originaltitel: „Thunderhead – Arc of a Scythe“) im Vergleich zu Band 1 auszeichnet, ist, dass der Thunderhead in den Mittelpunkt rückt. Die Idee der durch eine künstliche Intelligenz regierten Welt bietet dabei ein interessantes Gedankenspiel, durch das man immer wieder zum Nachdenken über unsere Welt angeregt wird. Durch den Thunderhead ist vieles besser geworden. So gelingt es zum Beispiel, die Lebensmittel auf der gesamten Welt gut zu verteilen, alle Menschen haben außerdem eine Arbeit, obwohl sie nicht unbedingt gebraucht würde, da alles Notwendige auch maschinell erledigt werden kann. Neal Shustermans Grundidee war es ja, eine Utopie, also eine positive Zukunftsvision, und nicht eine Dystopie zu entwerfen. Positiv, das wird allerdings schnell klar, ist jedoch auch in der Scythe-Welt nicht alles …

Dem Buch tut es jedenfalls gut, dem Thunderhead eine wichtige Rolle zu geben. Es gab nämlich in Band 1 etwas, was mir nicht so ganz gefallen hat: Es waren die Tagebuchaufzeichnungen verschiedener Scythes, die zwischen den Kapiteln zitiert wurden. In Band 2 stehen hier Selbstreflexionen des Thunderheads, und sie sind deutlich interessanter als die Scythes-Ausführungen. Das Buch wird immer wieder fast politisch, wenn der Thunderhead über das Wohl der Menschheit nachdenkt und sein Handeln erklärt.

Das Buch funktioniert darüber hinaus aber auch, weil die Geschichte gut aufgebaut spannend erzählt wird. Man folgt personal verschiedenen Figuren: Citra natürlich, Rowan ebenso, neu in Band 2 ist der schon erwähnte Greyson Tulliver, eine recht tragische Figur. Sehr geschickt werden die unterschiedlichen Handlungsstränge aufgebaut, immer wieder miteinander verzahnt. Wie sich das für spannende Bücher gehört, wird man als Leser manchmal auch am Ende eines Kapitels hängengelassen und muss bis zum übernächsten Kapitel warten, bis man weiß, wie es bei einem Strang weitergeht. Neal Shusterman beherrscht sein Handwerk.

Die Geschichte steuert auf ein großes Finale zu – das ist klar. So 100 Seiten vor dem Ende gibt es schon mal einen großen Paukenschlag, aber was dann noch auf den letzten 50 Seite passiert, stellt alles, was man erwartet, in den Schatten. Da wird ordentlich aufgeräumt mit der bisherigen Weltordnung. So bleibt man nach der letzten Seite perplex, aber vor allem gespannt zurück und fragt sich, was in Band 3 folgen wird.

Fazit:

5 von 5 Punkten. Ich habe mich schwer damit getan, nicht gleich zu Band 3 der Scythe-Trilogie, der schon bereit liegt, zu greifen und weiterzulesen. Doch ich habe einige aktuelle Bücher, die ich unbedingt bald lesen will, außerdem möchte ich den Lesegenuss an der „Scythe“-Reihe ein wenig verlängern. Band 2 hat mir jedenfalls noch mal deutlich besser als Band 1 gefallen, den ich ja von kleinen Schwächen abgesehen, auch schon richtig gut fand. „Scythe – Der Zorn der Gerechten” ist eine fulminant, immer wieder auch mit subtilem Witz erzählte und packend inszenierte Geschichte, die einen nie langweilt. Und das will bei einem Umfang von etwas über 500 Seiten ja schon was heißen.

Ich bin jedenfalls neugierig, wie die Scythe-Geschichte fortgeführt und enden wird. Nach allem, was ich bisher gehört habe, soll der Abschlussband den vorherigen beiden Bänden in nichts nachstehen. Ich werde es sehen – wahrscheinlich in den nächsten Ferien, auf die ich mich allein schon deswegen freue.

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(Ulf Cronenberg, 10.03.2020)


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Kommentar (1)

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