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Buchbesprechung: Will Gmehling „Freibad. Ein ganzer Sommer unter dem Himmel“

Cover: Will Gmehling „Freibad“Lesealter 10+(Peter-Hammer-Verlag 2019, 156 Seiten)

Ich bin kein großer Fan von Chlorwasser, und das war wohl der Grund, warum ich etwas Zeit gebraucht habe, bis ich mir doch noch Will Gmehlings „Freibad“ vorgenommen habe. Normalerweise bespreche ich außerdem lieber Bücher für Leser/innen ab 12 Jahren; doch weil ich dieses Jahr schon einige gute Bücher für Jüngere gelesen habe, weil „Freibad“ außerdem gut von anderen rezensiert wurde, war ich dann doch neugierig auf das Kinderbuch. Immerhin passt es thematisch gut zu den Rekord-Hitzewerten dieses Sommers, bei denen es einen ins kühle Nass zieht.

Inhalt:

Weil Alf und seine jüngeren Geschwister Katinka und Robbie im Hallenbad ein kleines Kind vor dem Ertrinken retten, bekommen die drei als Belohnung eine Freikarte fürs Freibad geschenkt – für die ganze Sommersaison. Das verändert bei den drei Bukowski-Geschwistern so einiges im Leben. Sie beschließen, wirklich jeden Tag des Sommers dort zu verbringen, egal, wie das Wetter ist. Und deswegen ist dann im Sommer auch einiges geboten …

Alf zum Beispiel verliebt sich auf den ersten Blick in Johanna, die Tochter des Bademeisters, den sie seiner nicht gerade schmächtigen Figur wegen nur „Walross“ nennen. Das Walross ist nicht gerade freundlich und macht ihnen manchmal das Leben schwer. Nicht nur, weil er Johanna beeindrucken will, beschließt Alf, sich langsam bei den Sprungtürmen nach oben zu arbeiten – ob er es bis auf den 10-Meter-Turm schaffen wird, weiß er selbst nicht.

Katinka dagegen lernt auf eigene Faust Französisch und redet für die anderen Kauderwelsch, wenn sie „Wu parlee frangssä?“ und Ähnliches sagt … Vorgenommen hat sie sich außerdem, bis zum Saisonende so viel trainiert zu haben, dass sie es schafft, 20 Bahnen am Stück zu kraulen. Robbie, der Jüngste, schließlich will überhaupt erst mal schwimmen lernen. Und dann haben die drei auch noch ein gemeinsames Ziel vor Augen: Sie wollen einmal nachts – verbotenermaßen, klar – im Freibad schwimmen und übernachten …

Bewertung:

Tja, was soll man sagen: Will Gmehling ist mit „Freibad“ eine erfrischende Geschichte geglückt, die unverbraucht und lebendig erzählt wird. Das liegt vor allem an dem Ich-Erzähler: Alf ist 10 Jahre alt und wird nach dem Sommer die Grundschule verlassen. Wie es Will Gmehling gelingt, Alf eine glaubwürdige kindliche Stimme zu geben, ist beeindruckend: Alf sieht die Welt arglos, er ist von vielem begeistert, schaut die Dinge – wie seine jüngeren Geschwister auch – unvoreingenommen an. Und das ist auch der Grund, weswegen die drei Bukowski-Kinder während ihres Freibad-Sommers viele neue Erfahrungen machen und andere Leute kennenlernen.

Da ist zum Beispiel Konrad, ein Mann, der zu wenig Geld zum Leben hat und unter anderem vom Flaschensammeln und dem Pfandeinlösen lebt. Dass Konrad Platz in der Geschichte hat, ohne dass über ihn geurteilt wird – im Gegenteil, Robbie sieht ihn als Vorbild und will später auch Flaschensammler werden –, zeigt, wie unverstellt und unbedarft hier die kindliche Sicht eingebracht wird. Genauso ist es mit Adil (dem Helfer des Bademeisters), der ein syrischer Flüchtling ist und einfach da ist, ohne dass sein Schicksal groß beleuchtet wird.

Schön auch: Im Leben der Bukowski-Kinder geht es um die kleinen Dinge, nicht um große Lebensentwürfe. Haben wir noch Geld für ein Eis oder Pommes? Mag Johanna mich genauso wie ich sie? Springe ich heute wirklich vom 7,5-Meter-Brett oder klettere ich wieder runter? Das sind die Fragen, die Alf wie seine Geschwister beschäftigen. Allein deswegen muss man Alf, Katinka und Robbie mögen, aber auch, weil sie nicht anspruchsvoll und verwöhnt sind, sondern weil sie ihr Leben selbst – ohne Helikopter-Eltern – organisieren … Die Eltern der drei sind übrigens trotzdem nicht absent, sondern da, wenn sie benötigt werden. Als Katinka zum Beispiel wegen einer unbedachten Aktion im Freibad Hausverbot bekommt, ist es ihr Vater, der sich das nicht gefallen lassen will und mit dem Walross verhandelt.

„Freibad“ ist darüber hinaus ein kleiner Entwicklungsroman, denn das Schwimmbad ist für Alf und seine Geschwister eine kleine Lebensschule, in der sie lernen, sich durchzubeißen. Die Erfahrungen, die sie im Schwimmbad gemacht haben, werden ihnen – das wird am Ende des Buchs angedeutet – auch im späteren Leben weiterhelfen. Alf weiß, was er nach der Freibadsaison machen will, Katinka wird an Französisch dran bleiben, und Robbie bleibt einfach, wie er ist. Sie werden durchs Leben kommen.

Was unterm Strich bleibt, ist, dass Will Gmehling mit seinem Buch Lebensfreude vermittelt. Es tut gut zu lesen, wie Kinder zufrieden mit Kleinigkeiten sind – ein fast altmodischer Gegenentwurf zu einer Welt, die zu oft von Dingen bestimmt wird wie, welches Handy mit welchem Vertrag man hat … Man könnte einwerfen, dass das alles viel zu schön ist, um wahr zu sein, aber ich glaube, man braucht Bücher, die vom eigentlichen Glück im Leben erzählen: frei zu sein, Zeit zu haben, sich an Kleinigkeiten zu freuen. Da kommt ein bisschen Pipi-Langstrumpf-Feeling auf …

Fazit:

5 von 5 Punkten. So toll das Buch ist – eins hat Will Gmehling bei mir nicht geschafft: Es wird mich weiterhin eher ans Meer, an Flüsse oder Seen ziehen als ins Schwimmbad. Aber durch „Freibad“ verstehe ich ein wenig mehr, was die Faszination an Schwimmbädern für Kinder und Jugendliche sein kann. Will Gmehling beschwört in seinem Buch einen Lebensraum herauf, den viele kennen dürften und mit dem Geruch von Chlorwasser, sonnengebleichten Haaren, braungebrannter Haut, vollgestopften Liegewiesen und vielem mehr verbinden dürften.

Was mir an „Freibad“ neben der schon erwähnten unverstellten Kindersicht auf die Erlebnisse eines Sommers gefällt, sind die Figuren im Roman – jede ist eine kleine Karikatur real lebender Menschen: das Walross (der dicke brummelige Bademeister) oder Alfonso Blassio (der etwas minderbemittelt wirkende Fußballstar, den Katinka anhimmelt). Sie alle werden mit einem großen Augenzwinkern dargestellt: leicht ironisiert, aber immer liebevoll. Weder den wohlbeleibten Bademeister noch den blassierten Fußballstar (nomen est omen) kann man nicht nicht mögen … Alles fügt sich in dem Buch zusammen, und Will Gmehlings „Freibad“ ist eine – ich muss es noch mal sagen – erfrischende Geschichte: zum Selbstlesen und zum Vorlesen, für Leser/innen ab 9 oder 10 Jahren und für Erwachsene.

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(Ulf Cronenberg, 30.07.2019)

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