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Buchbesprechung: Kevin Brooks „Deathland Dogs“

Cover: Kevin Brooks „Deathland Dogs“Lesealter 14+(dtv 2019, 538 Seiten)

Born Scared“ hieß der letzte Jugendroman von Kevin Brooks, und es war ein Buch, von dem ich nur mäßig begeistert war. Das hat mich richtig gewurmt, war Kevin Brooks früher doch einer meiner Lieblingsautoren … Pünktlich zum 60. Geburtstag des Engländers (er wurde am 30.3.1959 geboren) kam nun auf Deutsch sein neuer Jugendroman heraus. Mit „Deathland Dogs“ beschreitet Kevin Brooks Neuland, denn das Buch ist eine eigenwillige Dystopie – das sei schon mal verraten. Ob der Genrewechsel geklappt hat, darauf war ich gespannt …

Inhalt:

Die Welt in einer düsteren Zukunft: Es leben nicht mehr viele Menschen. In den Deathlands, einem verwüstetem Gebiet am verseuchten Meer, leben zwei Clans, die sich gegenseitig bekriegen. Die Kämpfe haben ihren Grund vor allem darin, dass die Ressourcen – vor allem Wasser und Lebensmittel – extrem knapp sind. Außer den Menschen bevölkern viele gefährliche Tiere die Gegend – darunter die Deathland Dogs, Clans von wilden Hunden.

Die Hunde überfallen, wenn es Nahrungsmangel gibt, durchaus auch Menschen, und immer wieder kommt es vor, dass kleine Kinder so in die Hände von Hunden fallen und von diesen großgezogen werden. Werden diese Kinder irgendwann wieder von Menschen zurückerobert, versuchen die Menschenclans sie zu rehumanisieren; ein aufwändiges Verfahren, das nicht immer glückt. Jeet ist so ein Hundskind, das von Starry, einem älteren Mann, aufgezogen wurde.

Die Ressourcen von Jeets und Starrys Clan werden immer begrenzter, so dass ihr Anführer Gun Sur schon lange an einem Plan feilt, wie man den eigentlich überlegen Clan der Dau besiegen kann. Nur so scheint das Überleben des Clans gesichert werden zu können. Doch Jeet und Starry merken bald, dass irgendetwas nicht stimmt. Als Chola Se, ebenfalls ein Hundskindmädchen, zu dem sich Jeet seit kurzem hingezogen fühlt, in Gefangenschaft der Dau landet, ahnt Jeet, dass das nicht mit rechten Dingen zugegangen ist. Es muss einen Verräter in ihren Reihen geben. Jeet will versuchen, Chola Se zu befreien – da kommt der Auftrag von Gun Sur, dass Jeet etwas aus dem Lager der Dau stehlen soll, gerade recht …

Bewertung:

Ich habe fast alle Jugendromane von Kevin Brooks gelesen, und meine Favoriten sind vor allem vor knapp 10 Jahren entstanden: „Black Rabbit Summer“ und „The Road of the Dead“ – um mal zwei zu nennen. Von Kevin Brooks‘ Jugendromanen der letzten Jahre war ich nicht mehr ganz so begeistert: „Bunker Diary“ war sehr düster, „Born Scared“ hatte einige Schwächen. Dass Kevin Brooks sich jetzt mal an ein etwas anderes Genre gewagt hat, fand ich erst mal gut. „Deathland Dogs“ (Übersetzung: Uwe-Michael Gutzschhahn; englischer Originaltitel „Dogchild“) ist eine Dystopie, ein düsterer Zukunftsroman in einer zerstörten und beschädigten Welt, in der nur noch wenige Menschen mehr schlecht als recht und im Clan-Krieg leben.

Dass es in den Deathlands Zwischenwesen – halb Hund, halb Mensch – gibt, ist schon eine etwas seltsame Idee. Ich musste da erst mal an Mowgli aus dem „Dschungelbuch“ denken, der als Menschenkind von Wölfen großgezogen wurde. Jeet ist jedenfalls auch ein als Kleinkind zu den Wildhunden gekommener Mensch, von einer Hunde-Mutter adoptiert und großgezogen, nach einigen Jahren von den Menschen zurückerobert und resozialisiert. Als Hundskind wird er in seinem Clan jedoch von vielen Menschen nur geduldet – man traut den Hundskindern nicht so ganz, braucht sie aber, um das Überleben der Menschen zu sichern, weil die Geburtenraten so gering sind. Jeet ist noch immer ein bisschen Hund von seinem Wesen her: Er riecht und sieht unter anderem besser als die meisten Menschen.

Was Jeet außerdem auszeichnet – und das ist ein Topos, der in meinen Lieblingsbüchern von Kevin Brooks auch eine Rolle spielte –, sind seine Visionen und sein Gespür. Er hat (wie z. B. Ruben in „The Road of the Dead“) einen siebten Sinn. Für Jeet öffnet sich manchmal ein Fenster in die Zukunft, er sieht Szenen, er hat Ahnungen, dass etwas nicht stimmt, er kann Hunden und Menschen, die ihm nahestehen, nachspüren, ja, Hunde sogar über eine Art Telepathie beruhigen, so dass sie nicht bellen. Die Visionen sind vor allem an tragische und schlimme Erfahrungen gekoppelt. Und schlimme traumatische Erfahrungen gibt es in Jeets Leben sehr viele. Jeet drückt das – recht weit hinten im Buch – selbst so aus:

„Ich kenne Gewalt. Ich habe mein ganzes Leben mit ihr gelebt. Ich weiß was sie bedeutet und wieso es Gewalt geben muss.“ (S. 497)

Gewalt ist ein Thema, das sich durch Kevin Brooks‘ Bücher zieht – gewaltfrei ist keines davon. Im Gegenteil: Gewalt ist in den Romanen fast allgegenwärtig, und damit sind das ganz bestimmt nicht Bücher für alle Jugendlichen (und Erwachsenen). Dass es Kevin Brooks in „Deathland Dogs“ ab und zu mal in Actionszenen etwas übertreibt – gerade wenn sich Jeet und Chola Se durch eine große Menge von Dau-Kriegern kämpfen müssen – gehört zu den kleinen Minuspunkten in dem Buch. Ansonsten passt die Gewalt allerdings zu dem Endzeit-Szenario, wo die Menschen wieder zu Tieren werden. „Homo homini lupus“ – frei übersetzt: „Der Mensch ist der gefährlichste Feind des Menschen …“ Es sind in dem Buch die Hunde (Jeet trifft auch seinen früheren Hundeclan und seine Mutter wieder), die letztendlich fürsorglicher und menschlicher sind als die meisten Menschen.

Spannend ist das Buch – sofern man das Szenario akzeptieren kann (das mit den Hundskindern ist schon recht eigenwillig) – allemal. Kevin Brooks versteht es noch immer fesselnd und vorantreibend zu schreiben, dazu gehört, dass er in Stressmoment alles verdichtet und die Winkelzüge der Psyche seiner Figuren minutiös zu beschreiben vermag. Es ist eben nicht nur Action, die der Geschichte ihren Reiz verleiht, sondern es sind auch psychologische Momente. Hinzu kommt, dass das Geschehen voller Intrigen ist; selbst im eigenen Clan vertrauen sich die Menschen nur vordergründig. Es ist vor allem eine Figur, die ein doppeltes Spiel zu spielen scheint: Pilgrim, der Stellvertreter des Clan-Chefs Gun Sur. Pilgrim ist ein Mensch, der Gefallen an geheimen Winkelzügen und am Schmerzzufügen hat und der nur seinen Vorteil kennt. Immerhin gibt es im Buch auch kleine Inseln des Vertrauens: gute Seelen wie Starry, Jeets Ziehvater.

„Deathland Dogs“ hat übrigens eine Besonderheit, die noch erwähnt werden sollte. Die Geschichte um Jeet spielt in 200 bis 300 Jahren, und um zu zeigen, dass in dieser Zeit die Schreibkultur fast verloren gegangen ist, hat Kevin Brooks im englischen Original die Zeichensetzung reduziert und eine rudimentäre Schreibweise verwendet (statt „he has“ oder „he is“ z. B. „hese“). Uwe-Michael Gutzschhahn hat fürs Deutsche in der Übersetzung einen eigenen Weg gefunden, das abzubilden. Die Rechtschreibung bleibt im Deutschen korrekt, aber es fehlen so gut wie alle Kommas. Das ist anfangs kurz ungewohnt, liest sich dann aber überraschend gut. Am meisten stört es übrigens bei Aufzählungen … Dass Kevin Brooks hier mal anderes wagt, gefällt mir jedenfalls gut, auch wenn es im Deutschen leider nur zum Teil abgebildet wird. Ähnliches kennt man allerdings schon von Kevin Brooks‘ „Kissing the Rain“, das den Soziolekt eines Jugendlichen nachzubilden versucht und ebenfalls in oft unkorrekter Sprache (auch im Deutschen) verfasst ist.

Fazit:

4 von 5 Punkten. „Deathland Dogs“ ist ein Buch, das etwas polarisieren dürfte. Neben der Gewalt ist es vor allem auch das Grundszenario, das manchem aufstoßen wird. Einen Plausibilitätscheck für das Szenario, aber auch für manche Teile des Plots dürfte der Roman nicht bestehen. So darf man das Buch nicht lesen, sondern sollte sich frei davon machen – mich haben diese Einwände dann auch nicht gestört.

Abgesehen von den überbordenden Kampfszenen hier und da, wo es Kevin Brooks wie viele Action-Autoren übertreibt, fand ich Kevin Brooks‘ neuen Roman ein packendes Buch, das ich nicht so schnell aus der Hand legen konnte, hatte ich zu lesen angefangen. Für mich hatte diese etwas abstruse und hochdüstere Welt ihren Reiz – sie wirft allerdings auch einen nicht gerade positiven Blick auf die Menschheit.

An Highlights seines Schaffens wie die schon erwähnten Jugendromane oder auch „iBoy“ und „Being“ kommt Kevin Brooks mit „Deathland Dogs“ nicht heran – aber mich hat es gefreut, dass er sich mal an was anderes gewagt hat. Herausgekommen ist jedenfalls ein extrem spannender Genremix, der am ehesten Jungen zwischen 14 und 16 Jahren ansprechen dürfte.

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(Ulf Cronenberg, 14.04.2019)


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Kommentar (1)

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