Jugendbuchtipps.de

Buchbesprechung: Jason Reynolds „Patina“

Cover: Jason Reynolds „Patina“Lesealter 11+(dtv 2018, 283 Seiten)

Vier jugendliche Sportler, die alle zu einem Laufteam gehören, will Jason Reynolds in seiner Jugendbuchreihe vorstellen – damit versucht er so etwas wie eine kleine Bestandsaufnahme von Jugendlichen in den USA. War in Band 1 eine Junge namens Ghost dran, so ist die Hauptperson des zweiten Bandes Patina, ein Mädchen, dem das Laufen hilft, mit dem Frust in ihrem Leben umzugehen, weil es den Kopf frei macht. Band 1 „Ghost“ war ein erfrischendes Buch über einen Jungen, der es nicht leicht hat – und das gilt so letztendlich auch für Patina.

Inhalt:

Patinas Vater ist schon vor längerer Zeit gestorben – er lag eines Morgens tot im Bett. Herzstillstand. Ihre Mutter hat, weil sie zuckerkrank ist, ihre beiden Beine verloren und kann sich deswegen nicht mehr um ihre zwei Töchter kümmern – außer Patina ist da noch die kleine Maddy, ein Wirbelwind, der ständig in Bewegung ist und nie aufhören kann zu reden. Die beiden Schwestern leben bei Onkel Tony und Momly und haben es dort gut. Während Patina und Maddy schwarz sind, sind ihre Pflegeeltern hellhäutig.

Patina besucht eine angesehene Schule, auf die vor allem Reiche und Weiße gehen. Wohl fühlt sie sich dort nicht so richtig – eher wie eine Außenseiterin. Das spürt Patina besonders beim Mittagessen in der Mensa, wo sie erst herumtigert, um dann schließlich meist alleine irgendwo zu sitzen. Ein Gruppenprojekt in ihrer Klasse hilft Patina jedoch, dass sie sich zögerlich mit drei Mitschülerinnen anfreundet. Fortan sitzt sie nicht mehr alleine in der Mensa, außerdem erfährt sie, dass nicht alle Mädchen in ihrer Klasse wirklich so reich sind, wie sie immer tun.

Das Laufteam, in das Patina seit kurzem gewechselt hat, ist für sie sehr wichtig. Patina braucht das Laufen, um Ruhe zu finden – gerade wenn sie Sorgen hat oder wütend ist. Doch beim ersten großen Wettkampf wird Patina nur zweite, und damit kommt sie überhaupt nicht zurecht. Sie will gewinnen … Außerdem steht eine große Herausforderung bevor: Beim nächsten Wettkampf soll das Team auch im Staffel-Wettbewerb mitlaufen, und das macht Probleme, weil es unter den Mädchen einige Konflikte gibt.

Bewertung:

Wer „Ghost“ gelesen hat, weiß in etwa, was einen erwartet. Auch in „Patina“ (Übersetzung: Anja Hansen-Schmidt; englischer Originaltitel: „Patina“) geht es um das Laufteam, dem neben Patina und Ghost einige andere Jugendliche angehören. Darüber hinaus wird die Lebenswelt Patinas beschrieben, und wie schon Ghost hat es auch Patina alles andere als leicht: Ihr Vater ist tot, der Mutter wurden wegen Diabetes beide Beine amputiert, weswegen Patina und ihre Schwester Maddy bei Pflegeeltern aufwachsen. Patinas Mutter hat sich außerdem nach dem Tod ihres Manns in eine übertriebene Religiosität geflüchtet und ist deswegen oft schlecht auszuhalten. Tony und Momly sind dagegen gute Seelen, die sich zuverlässig und aufopferungsvoll um die beiden Geschwister kümmern.

So interessant es ist, viel über das Leben von Patina zu erfahren – Spannung in das Buch bringen vor allem die Dinge, die im Laufteam (sei es im Training, sei es bei Wettkämpfen) passieren. Für meinen Geschmack wird in der ersten Hälfte des Romans zu wenig über das Team und zu viel über die Familie erzählt. Junge Leser könnten da unter Umständen den Impuls verspüren, das Buch aus der Hand zu legen, weil es ihnen zu langatmig wird.

Doch das wäre schade, denn in der zweiten Hälfte wird man fürs Durchhalten belohnt. Es gibt vor allem eine Szene beim Lauftraining, die es in sich hat: Als Patina und eines der anderen Mädchen sich anzicken, ja förmlich bekriegen, greift der Trainer ziemlich rabiat ein. Wie er es schafft, dass die beiden ihre Konflikte lösen, wird in einer beeindruckenden Szene beschrieben, die man sich auch gut in einem Film vorstellen könnte. Konkurrenz mag ja das Geschäft beleben, aber in einer Staffel, wo man zusammenarbeiten muss, hat sie nichts verloren – und das lernen die Mädchen im Team auf besondere Weise.

Wie schon Ghost ist auch Patina eine Jugendliche, die aufgrund ihrer traumatisierenden Familienerfahrungen nicht immer ausgeglichen ist. Einerseits ist sie schüchtern und hat nicht gerade ein großes Selbstwertgefühl, andererseits kann sie, wenn sie angestachelt wird, auch ziemlich aufgebracht sein. Das Laufen – das hat Patina bereits selbst erkannt – ist dann das, was ihr gut tun: Es ist eine Möglichkeit, mit Wut und Ärger sowie anderen negativen Emotionen besser zurechtzukommen. Ein Plädoyer fürs Sporttreiben im Team hat Jason Reynolds seinen Büchern zugrunde gelegt. Hier lernen sie einiges fürs Leben …

Auch „Patina“ ist leicht zu lesen ist, denn es wird linear erzählt und kennt keinen erzählerischen Schnickschnack. Die Geschichte ist dadurch glaubhaft, und sie ist authentisch, weil Jason Reynolds den Ton eines Mädchens gut trifft. Ja, man nimmt der Ich-Erzählerin ab, was sie berichtet, und neben dem Laufen und der Familie werden einige andere Themen gestreift. Es geht unter anderem darum, dass Patina als Farbige auf einer angesehenen Schule ausgegrenzt wird. Was das Buch außerdem sympathisch macht, ist, dass die Konflikte und Probleme dargestellt werden und sich dann im Buch vieles zum Positiven entwickelt. Jason Reynold zeigt hier glücklicherweise Augenmaß, denn am Ende löst sich nicht alles in Wohlgefallen auf, aber seine jugendlichen Hauptfiguren werden ein Stück reifer und lernen dazu.

Fazit:

4 von 5 Punkten. Patina ist eine Figur, die man als Leser schnell ins Herz schließt, und das liegt daran, dass sie Probleme und Schwächen hat und daran arbeitet. Das geschieht nicht immer freiwillig, manchmal muss da auch jemand nachhelfen. Wie schon Ghost in Band 1 der Reihe stammt auch Patina aus nicht gerade privilegierten Kreisen – im Gegenteil: Das Mädchen hat einiges mitgemacht, und neben den Pflegeeltern ist es seit kurzem das Laufteam, das ihm Halt gibt.

So liebenswert wie die Erzählerin ist auch die Geschichte, die in der ersten Hälfte ein wenig auf der Stelle tritt, dann aber im zweiten Teil deutlich packender wird. „Ghost“ war insgesamt ein bisschen spritziger (was vor allem an der komplexen Beziehung zwischen Ghost und Trainer Brody liegt), aber gut sind beide Bücher. Und so kann man auf Band 3 gespannt sein, der im Frühjahr erscheinen wird und Sunny, dem nächsten Läufer aus dem Team, gewidmet sein wird.

blau.giflila.gifrot.gifgelb.gif

(Ulf Cronenberg, 05.02.2019)

Kommentar (1)

  1. Pingback: Buchbesprechung: Jason Reynolds „Sunny. Der Sound der Welt“ | Jugendbuchtipps.de

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert