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Buchbesprechung: Annette Herzog, Katrine Clante & Rasmus Bregnhøi „Herzsturm – Sturmherz“

Cover: Herzog et al. „Herzsturm"Lesealter 12+(Peter-Hammer-Verlag 2018, 128 Seiten)

Schmetterlinge im Bauch. Auf Wolke 7 schweben. Herzschmerz. Weiche Knie. Ein gebrochenes Herz. Im siebten Himmel. Irgendwann kommt das Alter, wo man mit solchen Gefühlen Erfahrungen macht – mehr oder weniger heftig. Mit Erwachsenen darüber reden, geht meist gar nicht. Eher mit Freundinnen oder Freunden. Und es gibt noch etwas, was einem auch helfen kann, mit solchen Stimmungslagen zurechtzukommen: Bücher. Annette Herzogs „Herzsturm – Sturmherz“, von den Dänen Katrine Clante und Rasmus Bregnhøi illustriert, könnte so ein Buch sein …

Viola hat sich in Storm verguckt, doch es scheint ihr so, als wäre das nur einseitig. Denn Storm verhält sich zurückhaltend, gibt sich cool und scheint dann irgendwann auch noch an Freja, dem schönsten Mädchen der Schule, interessiert zu sein. Auf einem Schulfest beobachtet Viola, wie Storm und Freja sich näherkommen, und schon steckt sie in tiefstem Liebeskummer.

Und Storm? Tja, der ist eigentlich auch in Viola verliebt, aber er kann es weder seinen Kumpel gegenüber zugeben noch kann er es Viola gegenüber zeigen. Im Gegenteil: Seinen Freunden gegenüber lästert er über Viola, spielt den Macker, während er zu Hause auf dem Bett liegt und sich zu nichts aufraffen kann, weil er ständig an Viola denken muss. Und beim Knutschen mit Freja merkt er, dass er eigentlich ja gar nichts von ihr will.

Annette Herzog, Katrine Clante & Rasmus Bregnhøi „Herzsturm - Sturmherz“

Doppelseite aus „Sturmherz“ | © Peter Hammer Verlag

Zwei Figuren, zwei Geschichten, zwei Bücher in einem. „Herzsturm“ – das ist die Geschichte aus der Sicht Violas. Und dreht man das Buch um, so kann man von hinten „Sturmherz“ lesen – die Geschichte aus dem Blick von Storm. Genial ist das gemacht, und weil beide Teile unterschiedliche Illustratoren (allerdings mit einem in einigen Grundzügen aufeinander abgestimmten Stil) gezeichnet haben, hat man auch wirklich den Eindruck, zwei verschiedene Erlebensberichte zu lesen.

Cover: Herzog et al. „Sturmherz“

Raffiniert – da hat sich das Schreib- und Illustrationsteam wirklich bewundernswert viel Mühe gegeben: In beiden Geschichten treffen Viola und Storm in der Mitte des Buchs auf Seite 64/65 aufeinander. Zack. Wie es danach mit Storm und Viola weitergeht, das bleibt der Fantasie des Lesers bzw. der Leserin selbst überlassen. Das Buch ist damit zu Ende – man liest es zweimal bis zur Mitte.

Schon letztes Jahr habe ich zwei Bücher besprochen, die ein ähnliches Thema hatten und in denen ein Mädchen und ein Junge von ihrem ersten Verliebtsein und den ersten Erfahrungen mit Sexualität erzählen: Mårten Melins „Viel mehr als ein Kuss“ / „Etwas mehr als Kuscheln“ haben mir gut gefallen. „Herzsturm – Sturmherz“ ist insofern ein anderes Buch, als es eine Graphic Novel ist und damit sicher für viele Jugendliche zugänglicher sein dürfte. Zu dem Buch kann man auch als Lesemuffel greifen …

Über die Illustrationen kann man immer wieder nur staunen. In beide Teilen sind grandiose Seiten eingeflochten: vom herzförmig gestalteten Würfelspiel „Wer erobert Traumboy?“ über eine Doppelseite zur Fortpflanzung in der Tier- und Pflanzenwelt bis hin zu Seiten, in denen berühmte Philosophen ihr Bestes zum Thema Liebe geben und über ihre Ansichten in Streitgespräche kommen. An letztgenannter Stelle wird einem vielleicht fast (für das Buch untypisch) etwas viel Sachinformation mitgegeben – es wird leicht pädagogisch. Aber wer sich drauf einlässt, erfährt eben auch, dass Verliebtsein und Liebe ein altes und kompliziertes Thema ist. Darüber hinaus sind viele weitere Ideen im Buch umgesetzt, und wie das Autorenteam so die Verliebtheitsgeschichte mit Sachinformationen verschränkt, das ist schon ganz ganz große Klasse, weil es nie aufgesetzt wirkt.

Annette Herzog, Katrine Clante & Rasmus Bregnhøi „Herzsturm - Sturmherz“

Doppelseite aus „Herzsturm“ | © Peter Hammer Verlag

Anne Herzog als Texterin trifft im Übrigen überragend gut den Ton Jugendlicher – da ist natürlich im Comicstil vieles plakativ formuliert, aber trotzdem bleibt alles passend und ist nicht anbiedernd. Genauso bewundernswert haben Katrine Clante und Rasmus Bregnhøi detailliert mit feinem Strich und immer kreativ die beiden Geschichten illustriert. Liebevoll gemacht sind auch die schön gestalteten Zwischenseiten mit Kapitelüberschriften wie „Bruchlandung“ oder „Bin ich eigentlich NORMAL?“, die das Buch untergliedern.

Annette Herzog, Katrine Clante & Rasmus Bregnhøi „Herzsturm - Sturmherz“

Doppelseite aus „Sturmherz“ | © Peter Hammer Verlag

Es ist jedenfalls einzigartig, wie das Buch das Thema Verliebtsein angeht. In der Geschichte Storms und Violas dürften sich viele Jugendliche wiederfinden, und die grafische Gestaltung wird – da bin ich mir ziemlich sicher – viele junge Leser ansprechen. Damit bietet die deutsch-dänische Teamarbeit, die hinter dem Buch steht, etwas, was man sonst selten findet: Ein gar nicht so einfach zu behandelndes Thema wird kreativ, liebevoll und bezaubernd aufbereitet.

Fazit:

5 von 5 Punkten. In dieses Buch muss man sich verlieben – es ist ein Gesamtkunstwerk, das mit seiner Mischung aus Sachbuch und als Graphic Novel erzählter Geschichte eine runde Sache ist. Mit großer Differenziertheit spannt das Buch den ganzen Bogen erster Verliebtheitsgefühle mit den damit verbundenen Fragen, Sehnsüchten, Selbstzweifeln und vielem mehr auf. Gendersensibel und politisch korrekt kommen – auch wenn Storm und Viola eher traditionelle Jugendliche sind – in Interviews bei einem Schülerprojekt auch andere Paare zu Wort (zum Beispiel auch gleichgeschlechtliche, ohne das überzubetonen).

Bleibt eine Frage: Warum habe ich das Buch erst jetzt, ein gutes halbes Jahr nach Erscheinen gelesen und damit entdeckt? Vielleicht ist es aber ja gut, wenn dieses Buch auch jetzt etwas später noch mal hervorgeholt und gerühmt wird … „Sturmherz – Herzsturm“ ist jedenfalls kein Buch, das im schnelllebigen Büchermarkt gleich wieder verschwinden sollte. Dafür ist es viel zu gut und wichtig. Das Buch hat es jedenfalls verdient, viele Leser/innen ab 12 Jahren zu finden. Und ein hervorragendes Geschenk ist es allemal.

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(Ulf Cronenberg, 07.10.2018)

Bildnachweise:
Die Auszüge aus dem Buch werden mit freundlicher Genehmigung des Peter-Hammer-Verlags hier wiedergegeben. Danke!

Lektüretipp für Lehrer!

Bei einem Preis von derzeit 18 Euro ist es schon ein Problem, „Herzsturm – Sturmherz“ als Klassenlektüre zu lesen. Aber das Buch gehört, finde ich, in viele Lesekisten für Siebt- und Achtklässler und in alle Klassen- und Schülerbibliotheken. Außerdem kann es hervorragend für Projekte in verschiedenen Fächern verwendet werden – sei es in Ethik oder Religion, wenn es um Fragen der Identität geht, sei es im Aufklärungsunterricht in Biologie oder wo auch immer sonst.

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