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Buchbesprechung: Jason Reynolds „Ghost“

Cover: Jason Reynolds „Ghost“Lesealter 12+(dtv 2018, 193 Seiten)

„Love oder Meine schönsten Beerdigungen“, vor einem guten Jahr erschienen, war das erste Buch, das ich von Jason Reynolds gelesen habe. Ein packender, humorvoller wie tiefsinniger Roman, der das nicht immer leichte Leben eines schwarzen Jungen in den USA beschreibt – ein wirklich sympathisches Buch. Nun ist von Jason Reynolds in einer neuen Reihe der erste von vier Bänden erschienen – es geht um vier Jugendliche, die sich kennen und zusammen in einem Lauf-Team sind. Jeder Band soll eine Person in den Mittelpunkt stellen … Und los geht es eben mit „Ghost“, der eigentlich Castle Cranshaw heißt.

Inhalt:

Eigentlich interessiert sich Castle überhaupt nicht fürs Laufen – was er lieber machen möchte, ist Basketball spielen. Doch er traut sich letztendlich nicht mitzuspielen, wenn die anderen Jungen sich auf dem Basketballplatz treffen … Ja, Selbstvertrauen ist eines von Castles Problemen – das ist in der Schule nicht anders. Ziemlich oft muss er zum Direktor, weil er sich nicht an Regeln hält, ausfällig oder aggressiv wird. Allerdings geht dem meist voraus, dass andere ihn getriezt haben.

Mit seiner Mutter, die in einem Krankenhaus arbeitet, lebt Castle in einem berüchtigten Viertel. Sein Vater sitzt im Gefängnis, was wohl besser so ist, denn mit ihm gab es ständig Probleme. Ins Gefängnis ist er gekommen, weil er seine Frau und seinen Sohn mit einer Waffe bedroht und aus dem Haus gejagt hat. Geschossen hat er dabei auch, aber gottseidank niemanden verletzt.

Durch Zufall beobachtet Castle das Training einer Laufmannschaft mit mehrere Jungen und Mädchen. Dabei fällt ihm ein Junge auf, der ganz schön angeberisch auftritt und ein riesiges Tamtam ums Laufen macht. Lu, wie der Junge heißt, meint wohl, er sei besonders schnell. Castle kann seine Klappe nicht halten und gibt damit an, dass er Lu locker abhängen würde – Laufen hat er ja gelernt, als sein Vater ihn bedroht hat … Der Trainer der Mannschaft lässt Castle, der sich als Ghost vorstellt, gegen Lu laufen und sieht sofort Ghosts Talent. Und auch wenn Ghost zögert, von da ab trainiert er mit. Doch so schnell er ist, Probleme macht er auch dort immer wieder.

Bewertung:

Heimisch fühlt man sich in „Ghost“ (Übersetzung: Anja Hansen-Schmidt, englischer Originaltitel: „Ghost“) recht schnell, und das bleibt die ganze Geschichte über so. Jason Reynolds versteht es, seine Geschichten einfach und trotzdem interessant und vor allem sehr sympathisch zu schreiben. Wie schon in „Love oder Meine schönsten Beerdigungen“ geht es in dem Jugendroman um einen schwarzen Jungen aus nicht gerade einfachen Verhältnissen und mit einem Packen Problemen.

Das Thema von Jason Reynolds ist in „Ghost“ vor allem, wie ein Junge, der nicht gerade pflegeleicht ist, sich weiterentwickelt und ein Stück weit zu sich selbst findet – das Laufen kann man da schon fast als Metapher dafür verstehen, im Leben vorwärtszukommen … Castle hat es jedenfalls gar nicht leicht: Er wird vor allem von einem Mitschüler schikaniert, und das Erlebnis mit seinem Vater sitzt noch traumatisch tief in ihm fest.

Dafür, dass Castle alias Ghost weiterkommt, ist vor allem ein Mann verantwortlich: sein Trainer Brody, der im Laufe des Buchs zu einer Art Ersatzvater für ihn wird. Brody erkennt das Talent von Ghost, doch was wichtiger ist: Er hat vor allem die richtige Mischung aus Zugewandtheit und Strenge, die Castle braucht. Castle baut nämlich mehrfach Mist, auch wenn der Trainer mit ihm vereinbart hat, dass damit Schluss sein muss. Brody ist streng, lässt Castle spüren, dass er sich so nicht verhalten darf, fordert Wiedergutmachung – aber er bleibt dran. Und das ist das, was Ghost benötigt.

Was mir an „Ghost“ gefallen hat, sind vor allem die erfrischenden Figuren im Buch. Neben Brody sind da vor allem Lu, Patina und Sunny aus der Laufmannschaft zu nennen. Sie schenken sich anfangs nichts – gerade Lu und Ghost –, aber sie wachsen zu einem Team zusammen. Dass jeder von den Vier so seinen Packen zu tragen hat, wird in „Ghost“ angedeutet – der Stoff für die nächsten Bände ist also bereits angelegt. Band 2, der im November 2018 erscheinen soll, wird dann Patina als Hauptfigur haben.

„Ghost“ wird recht unprätentiös – linear, ohne großen Schnickschnack – erzählt, was den Einstieg für jüngere Leser, die keine großen Leseratten sind, erleichtern dürfte; und mit Ghost als Figur kann mich sich auch recht schnell identifizieren. Ja, „Ghost“ ist keine hochanspruchsvolle Lektüre, sondern man hält ein Buch in Händen, das ehrlich und glaubwürdig ist. Dass darin eine Botschaft vermittelt wird („Man kann sich aus widrigen Umständen befreien“), stört nicht, denn es ist nicht die platte amerikanische Vom-Tellerwäscher-zum-Millionär-Botschaft, also dass jeder was aus seinem Leben machen kann, wenn er nur will. Jason Reynolds ist da differenzierter: Castle schafft den Schritt zu mehr Selbstbewusstsein und in ein anderes Leben nur mit Hilfe anderer Menschen.

Fazit:

5 von 5 Punkten. „Ghost“ ist ein hochsympathisches Buch, das ich gerne gelesen habe. Das liegt vor allem an den Hauptfiguren Castle und Trainer Brody, es liegt aber auch daran, dass Jason Reynolds es schafft, trotz der vielen Probleme, die im Hintergrund da sind, in seinem Buch immer wieder Unbeschwertheit zu erzeugen. Damit mag das Leben in einem Problemviertel vielleicht etwas gut wegkommen, aber man muss 12-jährigen Lesern ja nicht die ganze Packung mitgeben. Und wer etwas genauer liest, der sieht auch, dass die Schwierigkeiten durchaus nicht verschwiegen, sondern angedeutet werden. Das kann man an Trainer Brody erkennen, der relativ spät im Buch etwas von seinem bisherigen Leben erzählt.

Band 2 „Patina“ lässt ja nicht lange auf sich warten – aber am liebsten hätte ich ihn gleich im Anschluss gelesen. Patty, wie das Mädchen genannt wird, ist ein schwarzes adoptiertes Mädchen mit weißen Eltern, und so, wie sie in „Ghost“ auftritt, verspricht auch Band 2 ein gutes Buch zu werden. Ich bin gespannt. „Ghost“ kann ich in jedem Fall schon mal empfehlen.

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(Ulf Cronenberg, 20.09.2018)

Lektüretipp für Lehrer!

Meiner Einschätzung nach ist „Ghost“ ein Buch, das man gut in der zweiten Hälfte der sechsten Jahrgangsstufe des Gymnasiums oder in einer siebten Klasse anderer Schularten lesen kann. Es setzt jedenfalls keine große Leseerfahrungen voraus, ist niederschwellig und bietet viele Themen an: Es geht um Mobbing, ob und wie man sich dagegen wehren kann, es geht um schwierige Familienverhältnisse, und es geht um die Frage, wie man etwas aus seinem Leben machen kann. Wenn dann auch mal der zweite Band „Patina“ erschienen sein wird, kann man in der Klasse die Mädchen deren Geschichte und die Jungen „Ghost“ lesen lassen. Da lassen sich sicher spannende Projekte aufziehen.


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Kommentare (4)

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