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Buchbesprechung: Adwoa Badoe „Aluta“

Cover: Adwoa Badoe „Aluta“Lesealter 16+(Peter-Hammer-Verlag 2018, 220 Seiten)

Es ist länger her, dass ich den Roman eines afrikanischen Autors bzw. einer afrikanischen Autorin gelesen habe. Allzu viele Jugendbücher aus Afrika erscheinen auf Deutsch auch nicht (wahrscheinlich gibt es auch wenige), und selbst „Aluta“ von der ghanaischen Autorin Adwoa Badoe ist eigentlich auch kein Jugendbuch. Dennoch: Ich finde es wichtig, dass wir lesend immer wieder unseren Kontinent verlassen, und wenn ich auf ein Buch stoße, das man auch Jugendlichen empfehlen kann, so tue ich das gerne.

Inhalt:

Ghana war zwar das Land, das 1957 als erstes afrikanisches Land die Unabhängigkeit von der Kolonialmacht Großbritannien erlangt hat, aber die Jahrzehnte danach waren geprägt von mehreren Militärputschen. Charlotte beginnt 1981 in Kumasi im ghanaischen Binnenland – ziemlich weit entfernt von ihrem Elternhaus in Accra, das an der Küste liegt – ihr Studium. Anfangs ist sie fasziniert von ihrem neuen Leben, gerade der gut gemeinten väterlichen Strenge entkommen zu sein, gefällt ihr. Und so stürzt sie sich ins Studentenleben.

Eingeführt wird sie in das Studentenleben vor allem von ihrer Mitbewohnerin im Doppelzimmer. Mary ist schon länger Studentin, hat einen festen Freund, der nicht mehr Student ist. Über ihn lernt Charlotte auch Asare kennen, einen wohlhabenden Geschäftsmann, der Charlotte heftig umwirbt. Charlotte ist geschmeichelt, aber zögert, sich auf Asare einzulassen.

Das liegt auch daran, dass sie Banahene begegnet, einem Studenten, der sich politisch engagiert. Doch Charlotte ist sich nicht sicher, ob Banahene auch etwas von ihr will. Zumindest bringt er Charlotte jedoch dazu, sich ebenfalls für Politik zu interessieren und sich für ein studentisches Amt zu bewerben. Als einmal mehr die demokratische Regierung Ghanas durch einen Putsch gestürzt wird, ändert sich die Stimmung und Situation im Land: Drei Richter werden ermordet, und auch für Studierende beginnt eine bange Zeit, in der sie nicht wissen, wie es weitergehen wird. Das politische Engagement Charlottes wird immer gefährlicher.

Bewertung:

„Aluta“ (Übersetzung: Miriam Mandelkow; englischer Originaltitel: „Aluta“) beginnt mit einem Prolog, in dem fast schon das Ende der Geschichte vorweggenommen wird: Charlotte wird vom Geheimdienst verhört – eine ziemlich beängstigende Szene. Ihr wird vorgeworfen, dass sie die studentischen Proteste mitinitiiert hat und auf dem Weg zu einem Geheimtreffen war, was sie beides leugnet. Nicht alles, um was es bei dem Verhört geht, versteht man als Leser da schon … Man wird unvermittelt in die Geschichte hineingeworfen, ahnt, dass die sie nicht harmlos ist, doch nach diesem aufrüttelnden siebenseitigen Prolog wird die Dramatik runtergefahren und die Geschichte chronologisch von vorne aufgerollt.

Behutsam wird man im Folgenden in die Geschichte eingeführt: Charlotte beginnt ihr Studium, wohnt im 8. Stock eines Mädchenwohnturms, bei dem der Aufzug nicht geht – man bekommt viel vom Studentenalltag und -leben in den 1980er Jahren in Ghana mit. Das alles wird angenehm naiv von Charlotte erzählt, und man kann sich gut in die Erzählerin einfühlen, lernt sie kennen. Charlotte ist neugierig, sie ist intelligent, weiß Dinge zu hinterfragen, schwimmt allerdings ein bisschen im Leben, versucht sich zu orientieren. Das macht das Mädchen aber zu einer erfrischenden Erzählerin, der man alles abnehmen kann.

Sehr geschickt weiß Adwoa Badoe in „Aluta“ auch zu beschreiben, wie sich die politische Situation in Ghana durch den Putsch verändert. Die Bedrohung sickert erst Stück für Stück durch – am Anfang stehen noch vorsichtige Befürchtungen der eigenen Einschätzung, dass man an den politischen Zuständen etwas ändern kann, gegenüber, doch in Verlauf des Buchs entwickelt sich vieles zu einem Albtraum. Da werden von einem Tag auf den anderen die Unis geschlossen und die Studierenden zur Kakaoernte beordert. Und die Repressalien werden nach und nach schlimmer, bis Charlotte auf dem Weg zu einem Geheimtreffen der Studentenorganisation von einem Geheimdienstoffizier für eine Vernehmung festgesetzt wird.

Damit ist aber noch nicht das Schlimmste an dem Buch benannt, es passiert am Ende noch etwas wirklich Tragisches, das Charlotte völlig aus der Bahn wirft. Und hier spätestens wird auch klar, dass „Aluta“ eben doch kein typischer Jugendroman ist, sondern ein ziemlich heftiges Buch, das man erst lesen sollte, wenn man mindestens 16 Jahre alt ist. Beschönigt wird hier nichts, auch wenn das Buch nicht ins Detail geht – was Charlotte mitmacht ist schlimm, gerade auch weil einen der vom Prolog abgesehene naive Ton des Buchs bis dahin nicht so richtig darauf vorbereitet.

Ich habe mich beim Lesen oft gefragt, wie viele autobiografische Erlebnisse in dem Buch stecken – ich vermute, dass es einiges ist. Jedenfalls wirkt der Roman sehr authentisch, als hätte die Autorin die Zeit des Putsches selbst miterlebt. Ein Anhaltspunkt wäre gewesen, ob Adwoa Badoe, die seit längerem in Kanada lebt, 1982 so alt wie ihre Protagonistin war. Doch das Geburtsdatum der Autorin war im Internet nicht zu finden.

Fazit:

5 von 5 Punkten. Ein typischer Jugendroman ist Adwoa Badoes Buch ganz bestimmt nicht – „Aluta“ ist eher ein Buch für junge Erwachsene, die sich für die Lebenswelt und Geschichte afrikanischer Länder interessieren; und es ist ein Buch, das zeigt, in welches Chaos viele afrikanische Länder nach der Kolonialzeit, während der vieles brachial zugedeckt wurde, gestürzt sind, als sie „frei“ wurden.

„Aluta“ ist ein sehr eindrückliches, ein sehr beeindruckendes Romandokument, das vieles thematisiert, über das es sich zu lesen lohnt. Es geht jenseits der geschichtlichen Ereignisse um die Naivität junger Studenten, die – von zu Hause ausgezogen – lernen (müssen), wie kompliziert und oft erschreckend die Welt ist; es geht um Selbstfindung und Emanzipation, die durch verheerende politische Zustände erschwert werden; und es geht um die Frage, ob man sich gesellschaftlich und politisch einmischen will. Man mag sagen: Ist ja alles gut 35 Jahre her. Aber „Aluta“ hallt in einem gerade nach, weil die Perspektive einer jungen Frau in einem afrikanischen Land vor mehreren Jahrzehnten anders als bei uns ist und man trotzdem feststellt, dass darin viele universelle Themen stecken. „Aluta“ ist ein Buch, das anfangs den Eindruck hinterlässt, naiv eine Geschichte zu erzählen, das sich aber, je länger man sich damit beschäftigt, als ein Buch von großer Tiefe entpuppt.

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(Ulf Cronenberg, 30.04.2018)

P. S.: Wer sich übrigens fragt, woher das Buch seinen Titel hat: „Aluta“ bedeutet so viel wie Demonstration, und darauf steuert das Buch am Ende zu: dass die Studierenden demonstrieren.

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