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Die Preisträger des Deutschen Jugendliteraturpreises 2017 – ein persönlicher Bericht von der Preisverleihung

Plakat Deutscher Jugendliteraturpreis 2017Auch wenn sie nichts mit Jugendliteratur zu tun haben – die Sätze des Abends waren für mich: „Hier hört ja niemand auf mich; im Ministerium ist das anders.“ Gesagt hat sie scherzhaft Dr. Katarina Barley, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, und zwar als Juror Ralf Schweikert sich nicht fürs Fotostelldichein auf Rat der Ministerin neben Autor Mario Fesler stellen wollte … Weil die Veranstaltung diesmal weniger verkrampft daherkam als die letzten Jahre, passte diese Bemerkung sehr gut zur diesjährigen Preisverleihung des Deutschen Jugendliteraturpreises. Die Ministerin hatte daran durchaus ihren Anteil – aber dazu später mehr.

Farblos war die Veranstaltung in diesem Jahr ganz bestimmt nicht – das galt in jedem Fall schon mal für die Bühne. Die farbwechselnden LED-Scheinwerfer waren diesmal in durchlöchterten Säulen untergebracht worden. Das sah schon sehr reizvoll, wenn auch nicht unbedingt dezent aus … Im Zentrum standen dennoch Kinder- und Jugendbücher, Autor/inn/en und Übersetzer/innen. Zum 61. Mal wurde der Deutsche Jugendliteraturpreis verliehen – wie immer am Buchmessenfreitagabend (in diesem Jahr am Freitag, den 13.) von 17.30 bis 19.00 Uhr.

Verleihung Deutscher Jugendliteraturpreis 2017

Über die Grußworte gibt es nicht viel zu berichten. Für den Arbeitskreis Jugendliteratur hieß diesmal die stellvertretende Vorsitzende Dr. Alexandra Ritter die Gäste willkommen, und so viele Zuschauer und Zuhörer waren noch nie im Congress Center untergekommen. Bis auf schmale Streifen an den Seiten war der Saal vollständig bestuhlt – Kinder- und Jugendliteratur schafft es mehr denn je, ein großes Publikum zu finden. Da passt nicht so ganz dazu, dass sich die Branche durchaus im Umbruch – ich vermeide mal das Wort Krise – befindet. Es gibt Bücher, die verkaufen sich als Bestseller, sind in aller Munde und werden sogar verfilmt; aber bei vielen sehr guten Büchern sind die Verlage auch manchmal ratlos, weil sie zu wenige Leser finden – trotz Werbekampagnen und positiven Rezensionen.

Moderiert wurde die Veranstaltung nun zum dritten Mal durch Vivian Perkovic – und sie macht das sehr souverän. Kein Problem ist es für die Moderatorin, mal schnell eine Frage für Autor/inn/en ins Englische zu übersetzen und zu dolmetschen, sie lächelt auf der Bühne gewinnbringend alle Gäste an und wirkt noch dazu gut informiert und kompetent. Mit Bundesministerin Dr. Katarina Barley zusammen bildete sie ein gutes Team. Von allen Politikerinnen und Politikern, die in den letzten Jahren bei der Preisverleihung auf der Bühne standen, hatte Frau Barley jedenfalls meiner Meinung nach den frischesten und zugleich kompetentesten Auftritt gezeigt. Ob es daran lag, dass sie erst seit kurzem und nicht mehr lange Ministerin ist, sei dahingestellt …

Los ging es diesmal bei der Vorstellung der Preisträger der Kritikerjury gleich mit dem Jugendbuch – eine ungewohnte Reihenfolge. Es folgten Sachbuch, Kinder- und Bilderbuch. Die ausgezeichneten Bücher in den vier Sparten sind:

  • Bilderbuch: „Hier kommt keiner durch!“ von Isabel Minhós Martins (Text), Bernardo P. Carvalho (Illustration), übersetzt aus dem Portugiesischen von Franziska Hauffe – Klett Kinderbuch Verlag
  • Kinderbuch: „Sally Jones. Mord ohne Leiche“ von Jakob Wegelius (Text, Illustration), übersetzt aus dem Schwedischen von Gabriele Haefs – Gerstenberg Verlag
  • Jugendbuch: „Der Geruch von Häusern anderer Leute“ von Bonnie-Sue Hitchcock, übersetzt aus dem Englischen von Sonja Finck – Königskinder Verlag
  • Sachbuch: „Bienen“ von Piotr Socha (Text, Illustration), übersetzt aus dem Polnischen von Thomas Weiler – Gerstenberg Verlag

Vier Übersetzungen also – ob das die alte Diskussion über die fehlende Berücksichtigung deutscher Autor/inn/en wieder entfachen wird? Hoffentlich nicht …

Von den sechs im Jugendbuch nominierten Titeln kannte ich immerhin drei, und ich war glücklich, dass eines der Bücher, die ich gelesen hatte, ausgewählt worden war (Buchbesprechung: Bonnie-Sue Hitchcock „Der Geruch von Häusern anderer Leute“). Damit hat die Jury ein wirklich tolles Buch prämiert. Ich hätte aus den mir bekannten Jugendromanen zwar eher das etwas gewagter-innovative „Vierzehn“ von Tamara Bach (Buchbesprechung) gewählt – aber gut, die Autorin hatte 2004 für „Marsmädchen“ bereits eine Momo (die Preisstatue) bekommen.

Von den Kinderbüchern kannte ich auch drei Titel – darunter vor allem „Gips“, dem ich den Preis gegönnt hätte. Aber da ich das prämierte Buch nicht kenne, kann ich ansonsten wenig zur Preisentscheidung sagen – wie bei den anderen Sparten auch.

Bleibt der Preis der Jugendjury. Die Jugendlichen entschieden sich für:

  • „Nur drei Worte“ von Becky Albertalli (Text), übersetzt aus dem Englischen von Ingo Herzke – Carlsen Verlag

Das scheint immerhin eine couragierte Entscheidung, weil es in dem Buch vor allem um das Thema der sexuellen Identität, aber auch andere Identitätsfragen geht. Begriffe wie Homo-, Hetero- und Bisexualität oder Transgender flogen jedenfalls durch den Raum, und die Ministerin bekannte, dass sich ihr Ministerium um diese Themen kümmere, und fragte bei der Autorin nach einem Tipp, wie man hier gute Aufklärungsarbeit leisten könne. Dass die ebenfalls von der Jugendjury nominierte Tamara Bach leer ausgeht, hatte ich erwartet. Dafür ist das Buch doch in manchem zu sperrig …

Doch es gab noch zwei Preise zu vergeben. Erstmals – ein Geschenk des Ministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zum letztjährigen 60. Jubiläum des Deutschen Jugendliteraturpreises und sicher eine Reaktion auf die Kritik an der mangelnden Würdigung deutscher Autoren durch den Preis – wurde ein deutscher Nachwuchsautor prämiert. Der Sonderpreis Neue Talente ging an Mario Fesler für sein Buch „Lizzy Carbon und der Klub der Verlierer“ (Magellan Verlag).

Den Sonderpreis für das Gesamtwerk, der dieses Jahr wieder verliehen wurde, erhielt Gudrun Pausewang – eine Entscheidung, die das Publikum mit langem, zum Teil stehendem Applaus würdigte. Der Vorsitzende der Sonderpreisjury und Laudator Ralf Schweikart hob noch einmal hervor, wie engagiert Gudrun Pausewang in ihren Büchern über Jahrzehnte hinweg politisch brisante Themen aufgegriffen hat – sei es die Aufarbeitung des Dritten Reichs, die schwierige Zeit im Nachkriegsdeutschland mit der Flüchtlingsproblematik oder die Gefahr eines Atomkriegs, von dem Pausewangs bekanntestes Werk „Die Wolke“ (1987) handelt. Die inzwischen 89-jährige Gudrun Pausewang, die nach einem Sturz nicht mehr gut laufen kann, erläuterte in ihrer Dankesrede, was sie zu ihrer schriftstellerischen Engagement bewegt hat.

Alles in allem war das in diesem Jahr eine vergleichsweise runde Preisverleihung – dass die Unterhaltungseinlage krankheitsbedingt entfiel, hat mich nicht gestört. In den letzten Jahren waren da zwar oft interessante Darbietungen zu sehen, auf der großen Bühne und in dem großen Saal kamen sie aber meist nicht allzu gut rüber und wirkten oft etwas aufgesetzt.

Was das nächste Jahr angeht: Sollte wieder ein Minister oder eine Ministerin auf der Bühne stehen, so wird es spannend, ob – nach derzeitigem Verhandlungsstand – jemand von der CDU, von den Grünen oder von der FDP kommen wird. Dass es ein(e) SPD-Minister(in) sein wird, ist ziemlich unwahrscheinlich. Schade, an Katarina Barley hätte ich mich im Duett mit Vivian Perkovic gewöhnen können.

Und zum Abschluss noch ein Reigen an Fotos …

(Ulf Cronenberg, 14.10.2017)


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