(Tropen-Verlag 2017, 252 Seiten)
Manchmal werde ich auf Bücher durch andere Rezensionen aufmerksam, und so war das mit Kristina Pfisters „Die Kunst, einen Dinosaurier zu falten“, das nicht als Jugendroman erschienen ist. Sehr lobend besprochen wurde der Debütroman im Titel Kulturmagazin. Die Jugendbuchrezensionen von Megali Heißler und Andrea Wanner dort schätze ich übrigens sehr, auch wenn ich nicht immer der gleichen Meinung wie die beiden bin … Das gilt auch ein bisschen – kleiner Spoiler – für Kristina Pfisters Erstlingswerk.
Annika hat ihr Studium der Kulturwissenschaften beendet, doch wie es weitergeht, weiß sie nicht. So wird erst mal die Studentenwohnung aufgelöst, Annika zieht zurück zu ihrer Mutter. Vorher lernt sie jedoch noch Marie-Louise kennen. Von ihrem Fenster aus beobachtet Annika Marie-Louise, die gegenüber wohnt, schon längere Zeit und ist fasziniert von ihr, weil Marie-Louise vieles von dem, was Annika selbst nicht hat, verkörpert.
Marie-Louise genießt das Leben, sie lässt sich nichts gefallen, sie lebt in den Tag hinein – Annika dagegen ist schüchtern und zurückhaltend, weiß oft nichts mit sich anzufangen. Irgendwann steht Marie-Louise einfach vor Annikas Tür und die beiden freunden sich an. Doch Annika zieht kurz darauf nach Hause, Marie-Louise geht nach London, sie kehrt von dort allerdings bald wieder zurück. Und so sehen sie sich nach nicht allzu langer Zeit wieder.
Wieder bei der eigenen Mutter zu wohnen, ist für Annika nicht einfach. Vor allem mit einer früheren Freundin kracht es schon bald, weil diese findet, dass Annika nichts aus ihrem Leben macht und kein Ziel vor den Augen hat.
Was Kristina Pfister in ihrem Roman entwirft, ist das Abbild des Teils einer Generation. Es gibt die Erfolgreichen, es gibt die, die mitschwimmen, aber es gibt eben auch die, die in den Seilen hängen und dabei kaum die Kraft aufbringen, nach einem Sinn und Zielen im Leben zu suchen. So ist das auch bei Annika: Sie sitzt zu Hause, weiß nicht mit sich anzufangen, schlägt die Zeit mit dem Gucken von Serien auf dem Laptop tot, kann sich nicht wirklich zu etwas aufraffen. Dass Annika sich nach dem Studium von Praktikum zu Praktikum hangelt, ohne einen fest Job zu finden, drückt auf der äußeren Ebene diese Antriebslosigkeit aus – sie kommt von innen und von außen.
Einen Entwicklungsroman kann man „Die Kunst, einen Dinosaurier zu falten“ nicht nennen – ein bisschen was tut sich bei Annika im Laufe des Buchs, aber sie steht am Ende noch weit von einem Lebensinhalt entfernt: weder eine Beziehung, geschweige denn eine eigene Familie noch ein Job in Sicht. Doch Marie-Louise – das Mädchen, dem es gelingt, einen Origami-Dinosaurier zu falten, während Annika daran scheitert – tut ihr gut. Sie setzt – neben einem Therapeuten, zu dem Annika geht – Kleinigkeiten in Gang.
Man kann „Die Kunst, einen Dinosaurier zu falten“ soziologisch interessiert lesen – als Beschreibung, wie das Erwachsenwerden heute für manche Menschen aussieht. Das Buch zeigt, wie eine junge Frau trotz Schulausbildung und abgeschlossenem Studium ihren Platz noch nicht gefunden hat, wie schwer es ist, einen Job zu finden, man bekommt mit, wie schwer Annika sich damit tut, in Beziehung zu anderen zu gehen (klar, dass dahinter geschiedene Eltern stehen). Das alles ist auch sprachlich und literarisch recht gut in Szene gesetzt (zum Beispiel im Bild des Dinosaurier-Faltens). Warum die Begeisterung Andrea Wanners in der oben erwähnten Rezension beim Lesen von Kristina Pfisters Roman trotzdem nicht auf mich übergesprungen ist, habe ich mich lange gefragt.
Kann gut sein, dass ich schon zu verwöhnt bin, weil ich gerne einen richtigen Plot habe, der mich packt. Mir fehlte jedenfalls bei Kristina Pfisters Buch das Moment, das mich zum Weiterlesen angetrieben hat – weil ich recht schnell geahnt habe, dass sich in dem Roman nicht viel tun wird. Außerdem habe ich mich beim Lesen immer so ein bisschen außen vor gefühlt – aber möglicherweise macht es eben auch einen Unterschied, ob man das Buch als Mann oder Frau liest.
Fazit:
3 von 5 Punkten. Man muss „Die Kunst, einen Dinosaurier zu falten“ zugutehalten, dass es ein ehrliches Buch ist, dass es authentischer als viele andere Romane vom Leben einer jungen Frau erzählt. Das Leben schreibt selten Geschichten, und eine richtige Geschichte gaukelt der Roman auch nicht vor. Aber wenn ein Buch keinen richtigen Plot zu bieten hat, wenn die Handlung eher auf der Stelle tritt, dann darf es für meinen Geschmack raffinierter erzählt sein, um mich zu fesseln. „Die Kunst, einen Dinosaurier zu falten“ plätschert mir zu sehr dahin, es hat mir zu wenig Biss. Ja, damit passt alles gut zur Hauptfigur des Romans – aber als Leser will ich eben doch auch noch ein bisschen besser unterhalten werden, als das für mich hier der Fall war.
(Ulf Cronenberg, 08.05.2017)
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