(Verlag Nagel & Kimche 2017, 125 Seiten)
Eine Rezension (ich weiß leider nicht mehr, in welcher Zeitung) hatte mein Interesse geweckt: weil ich immer nach Büchern suche, die zwischen den (in Deutschland) recht getrennten Welten von Jugend- und Erwachsenenliteratur stehen. Gute Erfahrungen habe ich mit Autoren wie Christian Frascella und anderen gemacht; und der Kurzroman des Debütanten Flurin Jecker aus der Schweiz, genauer gesagt aus Bern, hat mich neugierig gemacht. Es geht darin um einen 14-Jährigen, der sich in vielem in seinem Leben gerade in einem Schwebezustand befindet.
Schule zählt nicht gerade zum Besten und Interessantesten in Lancelots Leben. Wegen eines Mädchens, der eher unnahbaren Lynn, wählt Lanz, wie er meist nur genannt wird, einen Kurs, in dem die Schülerinnen und Schüler Texte für ein Blog schreiben sollen, die dann veröffentlicht werden. Groß ist der Schock, als zum einen der verhasste Lehrer Gilgen den Kurs leitet, als zum anderen Lynn in der ersten Stunde des Kurses gar nicht da ist.
Lanz weiß nicht so recht, was er in dem Kurs eigentlich soll, was er schreiben soll. Doch irgendwann fängt er an, über seine momentane Lebenssituation nachzudenken und sie festzuhalten: wie es im Kurs läuft, warum er ihn besucht, wie das mit den getrennt lebenden Eltern ist und vieles andere mehr. Was in den nächsten Tagen alles geschieht, schreibt er in seinem Text fort – auch, dass er es irgendwann weder zu Hause noch in dem Kurs aushält und schließlich abhaut.
Flurin Jeckers kleiner Roman kommt mit einer recht eigenwilligen Sprache daher. Lesern aus Deutschland fallen die vielen ungewöhnlichen Begriffe und Formulierungen auf – sie sind verständlich oder zu erschließen, aber ungewohnt. „Lanz“ ist eben ein Buch aus der Schweiz und bedient sich wahrscheinlich beim dortigen Jugendjargon. Richtig beurteilen, ob das authentisch ist oder nicht, kann ich nicht.
So hochgelobt der Kurzroman in der Rezension war, so wortreich das Buch auf der Nagel-und-Kimche-Webseite angepriesen wird („Mit einem unwiderstehlichen Sog erzählt Flurin Jecker in seinem Debütroman von einem Jungen, der die Zumutungen der Welt kommentiert, und das in einer eigenwilligen und wuchtigen, restlos glaubwürdigen Sprache.“), so enttäuscht war ich jedoch von dem Buch. Ja, die Sprache, die Flurin Jecker anschlägt, hat ihren Reiz, sie ist eigenwillig; ob sie den Blog-Ton eins 14-Jährigen trifft, da bin ich mir nicht so ganz sicher. Ein bisschen gekünstelt, ein bisschen aufgesetzt kommt sie für meinen Geschmack doch daher.
Das ist auch das Problem an dem Buch an sich: Da wird so getan, als würde ein Jugendlicher ein Blog schreiben, aber wer würde denn wirklich ausgehend von einem Unterrichtsprojekt einen solchen Text verfassen? Die Idee hinter dieser fiktionalen Erzählidee verstehe ich schon, aber sie funktioniert nicht richtig glaubwürdig. Mir jedenfalls stieß das dann beim Lesen immer wieder auf …
Was manchen erwachsenen Leser locken mag: dass auf der Handlungsebene zwar etwas passiert, dies aber eher lakonisch und nicht unbedingt spannend erzählt wird, dürfte nur wenige Jugendliche ansprechen. Ich reagiere außerdem auch immer etwas allergisch darauf, wenn es bei einem 14-Jährigen in einem Buch ständig ums Kiffen geht. Dieser Tenor „alles ist irgendwie beknackt, wir ballern uns ein bisschen die Birne zu“ – na ja, viel bietet das nicht. Wenn es in dem oben zitierten Pressetext heißt, dass Lanz „die Zumutungen der Welt kommentiert“, dann hat da jemand ordentlich übertrieben. Angesichts solcher Formulierungen erwartet man einen gesellschaftskritischen Roman, aber es geht in „Lenz“ dann doch eher um das Unbehagen am eigenen Schwebezustand im persönlichen Leben.
Natürlich spiegelt der Roman vieles im Leben eines Jugendlichen wider: dass man in ein Mädchen verliebt ist, wie man zaghaft versucht, mit ihm Kontakt aufzunehmen, wie es ist, in zwei Welten (der der Mutter, der des Vaters) zu leben und welche Probleme sich daraus ergeben. Aber wirklich packend ist das alles nicht erzählt.
Fazit:
2 von 5 Punkten. Ich fasse mich kurz: Die große Begeisterung erwachsener Blogger und Rezensenten für Flurin Jeckers Kurzroman „Lenz“ kann ich nicht so richtig nachvollziehen. Ich hatte gehofft, ein lesenswertes Buch aus dem Erwachsenenbereich für Jugendliche zu finden, das man empfehlen kann – aber meine Einschätzung ist, dass das „Lanz“ nur wenige Jugendliche (und wenn, ab 16 oder gar 18 Jahren) ansprechen dürfte. Schade eigentlich. Aber selbst als Erwachsener muss ich sagen: Flurin Jeckers Buch muss man nicht gelesen haben. Irgendwie langweilig, ereignislos … Wundersam, wenn andere Rezensenten bei „Lanz“ immer wieder an Wolfgang Herrndorfs „Tschick“ erinnern. Herrndorfs Roman spielt dann doch in einer ganz anderen Liga …
(Ulf Cronenberg, 10.04.2017)
Entdecke mehr von Jugendbuchtipps.de
Subscribe to get the latest posts sent to your email.
Klasse, so eine ehrliche schlechte Rezension.
Danke, das ist aber eine nette Reaktion … Wenn ich nicht die meisten Bücher, die mir nicht gefallen, in der Regel nach 50 bis 100 Seiten aus der Hand legen würde, gäbe es so was wohl öfter.