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Buchbesprechung: April Genevieve Tucholke „All the strangest things are true“

Lesealter 14+(Thienemann-Verlag 2017, 221 Seiten)

Ich habe in den letzten Wochen in ein paar Bücher reingelesen, fast alle aber wieder zur Seite gelegt. Hängengeblieben bin ich ausgerechnet bei einem Buch für Mädchen. Jedenfalls heißt es in der Widmung für das Buch: „Für alle Mädchen, die mit dem Kopf in den Wolken stecken“. Angesprochen habe ich mich davon nicht gefühlt. Egal – vielleicht darf man das Buch ja auch als Mann lesen … Den Namen der Autorin, April Genevieve Tucholke, hatte ich vorher nie zu vor gehört – die Schriftstellerin lebt in Oregon (USA).

Inhalt:

Poppy ist eines dieser Mädchen, die Jungen den Kopf zu verdrehen wissen – sie kapiert das ganz genau und setzt es auch entsprechend ein. Doch ausgerechnet der Junge, in den sie sich verguckt hat, hat kein Interesse an ihr – auch weil er Poppys berechnende Art durchschaut hat. Stattdessen hat Poppy ein Verhältnis mit Midnight, einem gut aussehenden und nettem Jungen, den sie aber eher als Zeitvertreib denn als wirkliche Liebe ansieht.

Nachdem Midnight mit seinem Vater innerhalb des Städtchens umgezogen ist, wohnt er in der Nähe von Wink, einem Mädchen, das er schon länger kennt, das ihm aber immer etwas seltsam vorgekommen ist. Wink mit ihrer wahrsagenden Mutter, den vielen Geschwistern und dem verschwundenen Vater ist geheimnisvoll, und Midnight ist irgendwie fasziniert von ihr und lernt sie besser kennen.

Poppy gefällt das gar nicht, und sie versucht Midnight mit allen Mitteln bei sich zu halten. Fiese Mittel setzt sie dazu ein, und sie nutzt dazu auch ihre Schergen, zwei Jungen und zwei Mädchen, die an Poppys Lippen hängen. Doch Wink scheint über all dem zu stehen und sich nicht mobben zu lassen – denn genau das versucht Poppy. Steht Midnight anfangs noch zwischen beiden Mädchen, so wird langsam immer deutlicher, dass er Wink den Vorzug gibt …

Bewertung:

„All the strangest things are true“ (Übersetzung: Anne Brauner; englischer Originaltitel: „Wink Poppy Midnight“) – ungewöhnlich ist der Buchtitel ja schon. Seltsam ist dabei, dass das Buch im Deutschen einen englischen Titel trägt, während im amerikanischen Original schlicht und einfach die Namen der drei Hauptfiguren aneinandergereiht wurden … Darüber, ob der deutsche Titel sehr erhellend ist, kann man sich streiten. Das Cover ist hübsch, aber viel konnte ich mir auch da nicht vorstellen. Die drei Augen stehen für die drei Hauptfiguren, und da „All the strangest things are true“ konsequent abwechselnd aus den drei Perspektiven von Midnight, Wink und Poppy erzählt wird, passt das ja auch. Aber das weiß man erst nach dem Lesen des Buchs.

Warum ich bei April Genevieve Tucholkes Jugendroman hängengeblieben bin, hat damit zu tun, dass mir die drei Figuren, die hier auftreten, in ihrer Zusammenstellung gut gefallen. Midnight, ein eher ruhiger und sehr sympathischer Junge trifft auf zwei Mädchen und steht zwischen ihnen. Während Poppy alles bestimmen muss (typisch Einzelkind aus reichem Elternhaus) und zur Interessensdurchsetzung vor nichts zurückschreckt, ist Wink ein esoterisches Mädchen, das an Übersinnliches glaubt. Man hat das Gefühl, Wink lebt zum Teil in einer anderen Welt – ein Mädchen, das eben, um die Worte der Autorin zu verwenden, mit dem Kopf in den Wolken zu stecken scheint.

Durch Wink hält etwas Mystisches Einzug in das Buch. Eigentlich mag ich es nicht allzu sehr, wenn Bücher zu viele mystische Anteile haben – aber in „All the strangest things are true“ haben sie mich nicht gestört, denn sie kommen nicht von außen in die Geschichte, sondern gehören zur Figur Winks, die eben manchmal Geister sieht und übersinnliche Ahnungen kennt. Es gibt darüber hinaus ein verlassenes Haus, um dessen ehemaligen Besitzer sich viele Gerüchte ranken – aber auch hier bleibt das Buch vorsichtig und übertreibt es mit dem Mystischen nicht..

Was mir an April Genevieve Tucholkes Buch gefällt, sind jedenfalls die Figuren, die alle drei als Erzähler/innen ihren eigenen Ton haben. Midnight ist der sympathische Junge, Poppy das Biest und Wink ist irgendwas zwischen öko und geheimnisvoll. Interessant ist dabei, welche Dynamik sich zwischen diesen Dreien entwickelt – das hat mich lange fasziniert, allerdings in der ersten Hälfte des Buchs mehr als in der zweiten.

Was auf den Leser wartet, ist gegen Ende ein kleiner Paukenschlag, und auf einmal stellt sich kurz vor Schluss manches in ganz anderem Licht als zu vor da. So ganz konnte ich damit nicht mithalten, fand diese Wendung nicht so ganz stimmig, und das ist auch das, was mich an dem Buch am meisten gestört hat: Das so gekonnt aufgezogene Netz der Figuren verliert im zweiten Teil an Bedeutung und die Geschichte verliert durch eine fahriger werdende Handlung die Stärken des Beginns. Ansonsten hat mir neben der anfänglichen Figurenzeichnung und der Figurenkonstellation vor allem auch gefallen, dass April Genevieve Tucholke gekonnt erzählt. Jedenfalls habe ich für die Geschichte Bilder in meinem Kopf gefunden: wie die Häuser und die Umgebung, aber auch wie die Personen darin aussehen.

Fazit:

4 von 5 Punkten. „All the strangest things are true“, das ich eher zufällig angelesen habe, hat mich überrascht: Es ist ein Buch mit leicht mystischen Elementen, für die ich sonst oft wenig übrig habe, das mir aber trotzdem gefällt – das gibt es nicht so oft. Ich mochte vor allem die Figuren: Midnight und vor allem Wink zeigen sich im Laufe des Buchs als vielschichtige Figuren, denen man gerne folgt; und selbst Poppy, das anfangs gnadenlos intrigante Mädchen, beginnt man irgendwann gegen Ende zu verstehen …

Auch wenn eine der Hauptfiguren männlich ist – allein vom Ton und von der Stimmung her, dürfte „All the strangest things are true“ in der Tat eher ein Buch für Mädchen sein. Ziemlich ungewöhnlich ist vieles an dem Buch: die Innenperspektive einer Mobberin, die eines zweiten Mädchens, das sich jedoch nicht mobben lässt. Und alle drei Jugendlichen leben in eigenwilligen Familienverhältnissen. Ja, vieles in dem Buch ist eigensinnig, nicht stromlinienförmig, und das macht dieses Buch aus.

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(Ulf Cronenberg, 17.02.2016)


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