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Buchbesprechung: Mats Wahl „Sturmland – Die Kämpferin“

Cover: Mats Wahl „Sturmland - die Kämpferin"Lesealter 13+(Hanser-Verlag 2016, 365 Seiten)

Band 2 der „Sturmland“-Reihe ist zeitgleich mit Band 1 „Sturmland – Die Reiter“ erschienen. Ich wollte allerdings erst mal ein paar andere Bücher lesen, bevor ich mir den nächsten Band vorgenommen habe. Der Auftakt zur auf fünf Bände angelegten „Sturmland“-Reihe hat mir jedenfalls gut gefallen. Ein interessantes Dystopie-Szenario mit eigenwilligem Schreibstil und packendem Plot hat der inzwischen 71-jährige Schwede Mats Wahl da auf die Beine gestellt, und die Frage war, ob Band 2 auch zu gefallen weiß.

Inhalt:

Elin hat inzwischen eine Tochter, die von allen Gerda gerufen wird, obwohl sie eigentlich Hellgard heißt. Gerdas Vater ist noch vor ihrer Geburt getötet worden. Nach wie vor sind die Zeiten schwierig, und für Elins Familie spitzt sich alles zu, als eines Tages Karin, die Schwester von Elins Mutter, zu Besuch kommt.

Karin ist eine der Rädelsführerin des Aufstands gegen das bestehende Regime und wird von der Polizei gesucht. Leider bleibt Karins Besuch den Schergen des Regimes nicht verborgen. Es dauert nicht lange, bis ein Ermittler auf dem Hof der Familie steht – glücklicherweise scheint er Elin, die er bereits von früher kennt, wohlgesonnen. Doch das bekommen andere mit, und bald darauf wird Elin mitsamt Gerda gefangen genommen und in die Festung, ein Gefängnis, geschleppt.

Dort wird Elin von Gerda getrennt – man hat damit ein Druckmittel gegen die junge Frau. Elin selbst wird immer wieder verhört: zu Karin und dem Ermittler, der ihr geholfen hat. Eine andere Gefangene erzählt Elin, dass den Gefangenen häufig LSD ins Wasser gemischt wird, damit diese gefügiger werden, und das passiert auch bei Elin. Für Elin ist das Gefangensein eine schlimme Zeit, vor allem auch wegen der Trennung von Gerda.

Bewertung:

Von Band 1 „Sturmland – Die Reiter“ war ich ziemlich angetan, weil ich das Szenario etwas ganz Besonderes fand: Schweden im Jahr 2060 ist nach mehreren nicht genauer benannten ökologischen Katastrophen ein wenig behaglicher Lebensraum: Das Wetter spielt verrückt, eine Upperclass beherrscht das Land und die Menschen begegnen sich feindselig. Den Schreibstil, den Mats Wahl in der „Sturmrand“-Reihe anschlägt, mag nicht jeder, denn er ist minutiös berichtartig und enthält so gut wie keine Innenperspektiven von den Figuren. Es gibt Stimmen, die diesen Stil furchtbar finden, andere empfinden ihn – und dazu zähle ich mich – als erfrischend anders.

Band 2 „Sturmland – Die Kämpferin“ (Übersetzung: Gesa Kunter; Originaltitel: „Blodregn: Krigarna“) knüpft direkt an das Ende des Erstlingsbands an, und noch mehr steht diesmal Elin, inzwischen mit ihrer Tochter Gerda, im Zentrum der Geschichte. Elin wird gefangen genommen, sie kommt irgendwann wieder frei und hat eine schwierige Flucht vor sich, um wieder nach Hause zu ihrer Familie zu gelangen. Was zugleich diesmal komplexer als im Einführungsband behandelt wird, ist das politische System in Schweden im Jahr 2060. Die als korrupt beschriebene politische Elite, die die Gesellschaft spaltet, wird angegriffen, ihr Ende scheint zu nahen. Angelegt ist am Ende des Buchs jedoch schon, dass auch die sich durchsetzende Revolution nicht unbedingt zu einer heileren Welt führen wird. Wir werden sehen …

Das Problem von „Sturmland – Die Kämpferin“ ist, dass das Buch weniger spannend als Teil 1 ist. Ja, Elin hat einiges zu bestehen, aber in der Mitte, als Elin auf der Flucht ist, wird das Buch ein wenig langatmig (es ist gut 100 Seiten länger als Band 1). Und Elin bleibt einem leider diesmal auch leicht fremder als im Vorgängerband.

Hinzu kommt, dass alle anderen Figuren in dem Buch kommen und gehen und auch nicht übermäßig gut eingeführt und ausgebaut werden. Auch wenn zwei Figuren – das zeigt sich am Ende – sicher in den nächsten Bänden eine wichtige Rolle spielen werden: In Band 2 bleiben sie eher blass. Und das hat konzeptionelle Gründe: Es ist angesichts des nüchternen Stils, mit dem Mats Wahl erzählt, schwer, Figuren zu schaffen, zu denen man als Leser eine Beziehung aufbauen kann.

Über den Schreibstil bin ich diesmal seltsamerweise doch auch manchmal etwas gestolpert – das war bei „Sturmland – Die Reiterin“ nur zu Beginn so –, er kam mir noch trockener vor. Möglicherweise lag es daran, dass mich die Handlung nicht so in den Bann gezogen hat wie in Band 1, vielleicht hat Mats Wahl es mit dem Berichtstil diesmal wirklich aber auch noch mal auf die Spitze getrieben. Ich kann es nicht genau sagen …

Im Laufe des Buchs – das sei noch erwähnt, weil es etwas kurios ist – hatte ich immer häufiger Katniss, die Hauptfigur von „Die Tribute von Panem“ respektive deren Schauspielerin Jennifer Lawrence, vor Augen, wenn es um Elin ging. Auch wenn Katniss kein Kind hat, mit Elin teilt sie doch einiges, und das nimmt am Ende des Buchs zu: Elin wird unversehens und ungewollt zu einer wichtigen Figur der Revolution, eine Rolle, in die auch Katniss in Suzanne Collins‘ Trilogie gebracht wird. Ist es Zufall, dass hier eine ähnliche Figur aufgebaut wird? Oder hat Mats Wahl hier halbbewusst Anleihen genommen? Die weiteren Bände werden zeigen, ob Mats Wahl mit Elin einen anderen Weg als in „Tribute von Panem“ einschlägt.

Fazit:

3-einhalb von 5 Punkten. Mit zweiten Bänden einer Reihe ist das immer so eine Sache. Ist Band 1 eine Wucht, greift man zu Band 2. Fällt dieser im Vergleich dazu allerdings ab, so führt das dann leider meist dazu, dass die Leserzahlen sinken. Und das könnte Mats Wahl blühen … „Sturmland – Die Kämpferin“ ist kein schlechtes Buch, aber es kann nicht mit „Sturmland – Die Reiterin“ mithalten. Aus meiner Sicht hätte der zweite Band 50 bis 100 Seiten kürzer sein dürfen, denn es gab leichte Längen.

Mir scheint, dass „Sturmland – Die Kämpferin“ ein Zwischenband ist, der Elin als Figur aufbaut, die in den nächsten Bänden noch in heftige Verwicklungen und Verstrickungen hineingezogen wird. Und auch wenn ich mich nicht genauso erwartungsvoll auf Teil 3 stürzen werde, wie das bei Teil 2 nach dem fulminanten Einstieg war: Ich werde „Sturmland – Die Gesetzgeber“ lesen. Hoffentlich werden die noch mal 100 Seiten mehr dort auch gut gefüllt. Und hoffentlich entwickelt sich die „Sturmland“-Reihe inhaltlich nicht zu viel in Richtung „Tribute von Panem“.

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(Ulf Cronenberg, 11.12.2016)


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Kommentar (1)

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