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Buchbesprechung: Angela Mohr „Zwei Tage, zwei Nächte und die Wahrheit über Seifenblasen"

Cover Angela Mohr "Zwei Tage, zwei Nächte und die Wahrheit über Seifenblasen"Lesealter 14+(Arena-Verlag 2016, 309 Seiten)

Seit sie vier Jahre ist, stottert Angela Mohr – das kann man auf ihrer Webseite nachlesen. Aber statt daran zu verzweifeln, ist Angela Mohr daran gewachsen, und es ist beeindruckend, was sie in ihrem Leben schon alles auf die Beine gestellt hat. In „Zwei Tage, zwei Nächte und die Wahrheit über Seifenblasen“ spielt das Stottern auch eine Rolle, eine der beiden Hauptfiguren ist betroffen. Doch das ist letztendlich nicht das Hauptthema des Jugendromans.

Inhalt:

Nik (eigentlich Nikita) muss abhauen, weil er, um Schulden zu bezahlen, das Moped seines Bruder „verliehen“ hat. Und so sitzt er schließlich im Zug, allerdings ohne Ticket. Unerwarteterweise hilft ihm ein Mädchen, das ihn beobachtet hat. Sie zeigt dem Schaffner eine Fahrkarte und gibt an, dass Nik mitfährt.

Nik spricht das Mädchen daraufhin an, doch sie erwidert nichts, was ihn irritiert, irgendwann sogar nervt. Es dauert lange, bis er erfährt, was los ist: Aino, wie das Mädchen heißt, flieht ebenfalls vor ihrem Zuhause und ist auf dem Weg in ein Schweigekloster. Doch dass sie nicht spricht, hat nicht nur mit dem bevorstehenden Schweigegelübde zu tun, sondern auch damit, dass es Aino schwerfällt. Das Mädchen stottert, und weil Sprechen bei ihr deswegen so lange dauert, greift sie meist zu Papier und Zettel, um sich mitzuteilen.

Aino und Nik bleiben zusammen, sie übernachten in einem leerstehenden Haus, sie versuchen durch Angeln etwas zu essen zu bekommen – aber die Spannungen zwischen beiden bleiben ebenfalls. Keiner von ihnen will mit dem Geheimnis rausrücken, warum er von zu Hause abgehauen ist. Als Nik erfährt, dass Aino ins Kloster will, kann er das nicht verstehen. Und sie treffen eine Vereinbarung: Nik hat 48 Stunden Zeit, Aino davon zu überzeugen, dass das Mädchen im Kloster etwas im Leben verpassen würde.

Bewertung:

Vor „Zwei Tage, zwei Nächte und die Wahrheit über Seifenblasen“ hatte ich mit einem anderen Buch angefangen, das ich jedoch schnell wieder zur Seite gelegt habe, weil es mich nicht gepackt hat. An Angela Mohrs Jugendroman bin ich – ehrlich gesagt – auch mit etwas Skepsis herangegangen, dann aber hängengeblieben, obwohl mich das Buch auf den ersten 50 Seiten nicht so richtig gefesselt hat. Doch die Geschichte über den ungeduldigen, hyperaktiven Nik und das schweigende Mädchen hatte, je länger ich dabei geblieben bin, etwas.

Erzählt wird die Geschichte abwechselnd aus der Sicht Niks und Ainos, wobei Niks Kapitel länger als die von Aino sind. Aber nicht nur das unterscheidet die Kapitel der beiden: Während Nik im Großen und Ganzen chronologisch erzählt, sind Ainos Kapitel abwechslungsreicher geschrieben, sprunghafter. Manchmal ist der Text bei Aino tagebuchartig, dann wieder wird etwas erzählt, oft aber eher assoziativ als stringent. Immer wieder wird darüber hinaus von Aino die Parallelgeschichte eines Altai-Kriegers (Aino interessiert sich für andere Sprachen und deren Gesänge), die sich kursiv gedruckt durch das Buch zieht, fortgeführt.

Aino und Nik sind ein seltsames Paar, irgendwie grundverschieden und dennoch in manchem ähnlich. Und genau das macht auch die Spannung des Buches aus: Wie kommen die beiden miteinander zurecht? Es kriselt an ziemlich vielen Stellen; es ist vor allem Aino, die Nik mehrmals stehen lässt, während Nik zwar oft stinkwütend auf Aino ist, aber trotzdem weiter an ihr festhält.

Gefallen hat mir das Buch besonders in der zweiten Hälfte, und das liegt vor allem daran, dass die Vereinbarung zwischen Nik und Aino zu bizarren Situationen führt und das Buch hier zu einer Art Roadmovie wird. Die beiden ziehen herum – zwangsweise, weil Niks Bruder Oleg den beiden irgendwann auf den Fersen ist – und erleben kuriose Dinge. Sie klauen ein Motorrad, das Nik nur allzu gut kennt, sie landen bei einer Wahrsagerin – um nur zwei von mehreren Erlebnissen zu nennen. Es wird jedenfalls einiges geboten, und das tut dem Buch gut.

Am ehesten gehadert habe ich mit der Parallelgeschichte um den Altai-Krieger, in die ich einfach nicht reingekommen bin. Das lag daran, dass man da immer nur einen kleinen Happen präsentiert bekommt, der dann 10 oder 20 Seiten später fortgeführt wird – ich mag so unterbrochene Geschichten nicht; es lag aber auch daran, dass die Story ein bisschen bemüht aufgezogen wird. Für meinen Geschmack hätte man die Parallelgeschichte, deren Sinn sich erst am Ende des Buchs erschließt, auch weglassen können und das, wovon sie indirekt erzählt, auch anders in den Roman bringen können. Einen Abbruch hätte das dem Buch nicht getan – im Gegenteil.

Fazit:

4 von 5 Punkten. Je länger ich Angela Mohrs „Zwei Tage, zwei Nächte und die Wahrheit über Seifenblasen“ gelesen habe, desto mehr hat mich das Buch überrascht und desto besser hat es mir gefallen. In der zweiten Hälfte kommen nämlich „Tschick“-Gefühle auf, wenn Nik und Aino unterwegs sind und bizarre Dinge erleben. Dass das Buch ein bisschen braucht, bis es sich zum Höhepunkt aufschwingt, ist schade, aber kann man verschmerzen.

Aino und Nik sind jedenfalls ein Paar, das man sich auch in einem Film gut vorstellen kann: sie die schweigende Stotterin mit Geheimnissen, er der ruhe- und rastlose Möchtegerncoole mit einem großen Packen Problemen, der aber das Herz am richtigen Fleck hat. Dass man nebenbei ein bisschen was über das Stottern und die Probleme damit vermittelt bekommt, merkt man jedenfalls nicht, und das ist gut so. „Zwei Tage, zwei Nächte und die Wahrheit über Seifenblasen“ ist gottseidank keine Problemgeschichte, sondern erzählt den Aufbruch von zwei Menschen, die zufällig aufeinandertreffen und sich zunehmend mögen, in ein unbekanntes Beziehungsabenteuer. Spannend, überraschend und immer wieder entwaffnend – das gilt vor allem für die zweite Hälfte.

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(Ulf Cronenberg, 04.12.2016)


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