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Buchbesprechung: Marlene Röder „Cache“

Cover: Marlene Röder "Cache"Lesealter 13+(Fischer-Verlag 2016, 250 Seiten)

Fünf Jahre liegt das letzte Buch für Jugendliche von Marlene Röder zurück: die gelungene Kurzgeschichten-Sammlung „Melvin, mein Hund und die russischen Gurken“. Dazwischen gab es noch ein Kinder- und ein Bilderbuch und nun hat Marlene Röder endlich wieder einen Jugendroman geschrieben. Wie man in der Danksagung erfährt, hatte da Tilman Spreckelsen, Herausgeber der „Bücher mit dem Blauen Band“, die Finger mit im Spiel, denn in dieser Reihe ist „Cache“ erschienen. Übrigens, wer sich nicht sicher ist, was ein „Cache“ ist, der kann es hier im Wikipedia-Artikel nachlesen.

Inhalt:

Für Max ist Leyla die große Liebe, und während er mit seinen Schwimmfreunden auf Mallorca im Urlaub ist, geht in seinem Kopf Großes vor: Er will Leyla ein Schloss mit ihrer beider Namen schenken, das sie dann an einer Brücke anbringen können – denn ihre Beziehung soll ewig halten.

Doch als Max aus dem Urlaub zurückkommt, ist einiges anders als zuvor. Leyla ist seltsam distanziert und er hat – allerdings nicht nur deswegen – nicht den Mumm, Leyla das Geschenk zu überreichen. Beide tun aber so, als wäre nichts, und reden nicht über das, was nicht passt. Als Leyla dann auftaucht und Max mitteilt, dass Red, ein Freund – eher von Leyla als von Max – verschwunden ist, will Leyla nur noch eins: Red suchen; denn sie macht sich angesichts einer kryptischen Botschaft, die Red hinterlassen hat, Sorgen, dass er sich etwas antun könnte.

Red kennen Max und Leyla vom Geocachen. Es ist Reds Hobby, Caches zu suchen und zu legen, und Leyla hatte er vor einem Jahr damit infiziert. Max ist oft mitgekommen, aber war etwas verhaltener, auch weil er Red übergriffig und nicht gerade sympathisch fand. Bei der Suche nach Red hat Max ständig das Gefühl, dass hier etwas nicht stimmt, dass Red nur Aufmerksamkeit auf sich lenken will, um Leyla zu beeindrucken …

Bewertung:

Für mich war „Cache“ ein bisschen wie der Eintritt in eine andere Welt. Ich weiß zwar, was ein Cache ist, hatte aber noch nie etwas damit zu tun. Den Reiz, den das ausübt, kann ich durchaus verstehen. Für Marlene Röders Geschichte ist das Cachen ein Aufhänger, ein Ankerpunkt, um den sich ein Versteckspiel dreht, aber letztendlich – das wird einem bald klar – steht im Mittelpunkt von „Cache“ ansonsten ein Beziehungsdrama.

Erzählt wird Marlene Röders Roman aus zwei Perspektiven. Max beschreibt das, was er erlebt, aus der Ich-Perspektive, während man Leylas Part in der personalen Erzählperspektive vermittelt bekommt – das zieht sich durchs ganze Buch. Seltsam ist jedoch, dass auf Seite 178 auf einmal ein Absatz aus Leylas Kapitel in der Ich-Form steht. Ohne Anführungsstriche wird hier erzählt, was in Leyla vorgeht. Ein Versehen? Absicht? Ein Hinweis darauf, dass auch Leyla in einer früheren Version Ich-Erzählerin war? Ich weiß es nicht …

Ich habe mich jedenfalls gefragt, wodurch der grundsätzliche Wechsel in der Erzählperspektive zwischen Max und Leyla motiviert ist. Gut, er bringt Abwechslung ins Buch. Man hätte es aber auch anders machen können: Leyla als Ich-Erzähler, Max aus der personalen Sicht. Ob die personale Erzählperspektive der Grund war, warum mir Leyla letztendlich immer ein bisschen fremd erschienen ist? Für mich bleibt sie als Hauptfigur blass, ich konnte mich nicht richtig in sie hineinversetzen, und das hat mich irritiert, ja gestört. Allerdings ging es mir mit Max nicht viel anders.

Für mich sind beide Hauptfiguren des Buchs jedenfalls das, was mich am wenigsten begeistert hat. Leyla wie Max entsprechen in ihren Gedanken oft den erwarteten Klischees, ihre Gefühle wirken immer wieder stereotyp dargestellt, und das führt dazu, dass mir das Buch zu wenig psychodynamische Tiefe hat.

Jenseits der Figuren merkt man allerdings, dass Marlene Röder ihr Handwerk versteht. Vieles, was auf der Beziehungsebene zwischen Max und Leyla passiert, wird in anderem widergespiegelt: Wenn einer von zwei Papageien von Max, um die Leyla sich während seines Urlaubs kümmern sollte, entwischt, so steht das symbolisch für die Beziehung zwischen Max und seiner Freundin. Viele solche symbolische Querverweise findet man in dem Text.

Gelungen ist einerseits der Paukenschlag, mit dem das Buch endet – man hat als Leser vieles erwartet, aber nicht das, was auf den letzten zehn Seiten dann passiert. Allerdings wird man andererseits damit als Leser auch ziemlich alleine gelassen, muss sich selbst Gedanken machen, warum sich die Geschichte am Ende so entwickelt. Und für Jugendliche könnte das eine Herausforderung sein … Dieses Ende kann man kritisieren, man kann es aber auch als Aufforderung verstehen, sich selbst Gedanken zu machen. Ein etwas unbehagliches Gefühl blieb dennoch bei mir aber zurück.

Fazit:

3-einhalb von 5 Punkten. So ganz überzeugt hat mich Marlene Röders neuer Jugendroman nicht. An der Geschichte weiß vieles zu gefallen: Das Geocaching als Rahmenthema ist ein reizvoller Aufhänger. Für Spannung ist außerdem gesorgt: auf psychologischer Ebene, was die Beziehung zwischen Leyla und Max betrifft, aber auch auf Handlungsebene, weil man wissen will, was mit Red passiert ist. Leyla und Max sind zudem lebensnah konzipierte Figuren, für die ich mir allerdings ein bisschen mehr Tiefe gewünscht hätte – ich hatte beim Lesen einfach kein richtiges Bild von beiden vor Augen, von Leyla noch weniger als von Max. Bei Red dagegen fiel mir das dagegen nicht schwer.

Bleibt der Schluss des Romans, von dem ich auch nach längerem Grübeln nicht weiß, was ich davon halten soll. Grundsätzlich mag ich es, wenn Bücher unerwartete Wendungen nehmen, wenn etwas passiert, womit man nicht gerechnet hat. Aber angesichts des heiklen Themas, das hier angeschlagen wird, scheint es mir sehr gewagt, die Geschichte relativ unkommentiert auslaufen und jugendliche Leser damit allein zu lassen. Das passt zu meinem Gesamteindruck: „Cache“ ist alles in allem ein Buch, das – so scheint es – noch ein bisschen Überarbeitung gebraucht hätte; betrachtet man manches genauer, so kommt einem bei diesem Buch einiges nicht ganz ausgegoren vor …

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(Ulf Cronenberg, 29.10.2016)

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