(Fischer-Verlag 2016, 381 Seiten)
David Levithans „Letztendlich sind wir dem Universum egal“, das vor zweieinhalb Jahren erschienen ist, war eines der ganz besonderen Bücher. Die Idee hinter dem Buch – eine Seele als Hauptfigur, die jeden Tag in einem anderen Körper steckt – war einfach grandios. Dass der Jugendroman 2015 von der Jugendjury mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichnet wurde, war dementsprechend zu erwarten, auch wenn das Buch aus meiner Sicht durchaus kleinere Schwächen hatte. Und nun ein Folgeband? Geht die Geschichte um A weiter? Nein, sie wird aus der Sicht von Rhiannon noch einmal erzählt …
Inhalt:
Rhiannon ist 16 Jahre alt, geht zur Schule und ist seit einem Jahr mit Justin zusammen. Justin ist zwar einerseits ein großer Halt für Rhiannon, andererseits bestimmt er aber auch ihr Leben und je nach seiner Laune geht es Rhiannon mehr oder weniger gut. Mit ihren früheren Freundinnen und Freunden macht Rhiannon, seit sie Justin kennt, nicht mehr allzu oft etwas.
Als Justin eines vormittags vorschlägt, dass sie doch die Schule schwänzen und ans Meer fahren könnten, ist Rhiannon überrascht. Auf ihrem gemeinsamen Ausflug ist Justin außerdem seltsam gelöst – so wie es sich Rhiannon schon immer gewünscht hat: Er singt bei Songs im Radio mit, er ist liebevoll und gesprächig wie sonst nie. Doch am nächsten Tag ist alles wie zuvor – ja, seltsamerweise scheint sich Justin kaum an den Tag am Meer zu erinnern …
Bis Rhiannon die Erklärung für Justins Verhalten bekommt, vergeht einige Zeit, und sie ist so unglaublich, dass Rhiannon sich lange dagegen sträubt: Justins Seele wurde für einen Tag von einer anderen Seele, die sich A nennt und die jeden Tag in einem anderen Jugendlichen aufwacht, übernommen. A hat sich – entgegen seiner bisherigen Vornahmen – auf dem Ausflug mit Rhiannon in das Mädchen verliebt, und nun versucht A Rhiannon immer wieder zu treffen: jedes Mal in einem anderen Körper, mal als Junge, mal als Mädchen.
Bewertung:
Dass es zu „Letztendlich sind wir dem Universum egal“ eine Fortsetzung geben wird, weiß ich schon seit einem guten Jahr, und ich hatte damit gerechnet, dass die Story von A irgendwie weitergeführt wird. Ein Kollege hat mir dann jedoch, weil er den Nachfolgeband auf Englisch gelesen hat, schon vorab verraten, dass in „Letztendlich geht es nur um dich“ (Übersetzung: Martina Tichy; Originaltitel: „Another Day“) die gleiche Geschichte noch einmal aus der Sicht Rhiannons erzählt wird. Von daher war ich für das Buch schon gut gebrieft.
Der Reiz der Grundidee ist bei David Levithans neuem Buch jedenfalls verflogen, und während ich „Letztendlich sind wir dem Universum egal“ verschlungen habe, bin ich ziemlich lange über dem Folgeband gesessen. So richtig Neues bietet das Buch nämlich nicht, aber man wird noch einmal an dieses ungewöhnliche Szenario herangeführt und liest sich quasi durch ein knapp 400-seitiges Déjà-vu.
Interessant wäre es sicher, beide Bücher direkt hintereinander zu lesen, oder vielleicht sogar Kapitel für Kapitel parallel. Für das ganze Buch wollte ich das nicht machen, aber ein Kapitel (im neuen Band Kapitel 10 ab Seite 131, im alten Buch ist das Tag 6005 ab Seite 150) habe ich zumindest verglichen. Es geht darin darum, dass A’s Seele sich in einem depressiven Mädchen befindet, das bedrängende Selbstmordgedanken hat. Bei Rhiannon sucht A sich hier Hilfe, weil A selbst mit der Situation überfordert ist.
An manchen Stellen könnte man fast meinen, man hätte das gleiche Buch in der Hand – die Mails, die A und Rhiannon austauschen, sind in beiden Büchern erwartungsgemäß identisch, ebenso große Teile der Dialoge, auch wenn in einem Buch mal etwas in mehreren Sätzen zusammengefasst wird, während im anderen das Gespräch ausführlich wiedergegeben wird. Doch die Vorgeschichte und das Hinterher sind in „Letztendlich geht es nur um dich“ eben doch anders. Man erfährt, wie Rhiannon sich auf der Fahrt zu A schon Gedanken macht, wie dem depressiven Mädchen, in dem A steckt, geholfen werden kann, während man in „Letztendlich sind wir dem Universum egal“ dagegen dann A’s Rettungsversuch miterlebt. Diesen bekommt Rhiannon dann erst am nächsten Tag zusammengefasst.
Aber bietet das wirklich Neues? Ist es wirklich wichtig, die Geschichte aus diesen beiden Perspektiven zu erleben? Nein, so richtig nicht … – am ehesten vielleicht, wenn es um die Grundsatzfrage geht, ob ein Mädchen eine Liebesbeziehung mit jemandem haben kann, der jeden Tag in einem neuen Körper (noch dazu verschiedenen Geschlechts) steckt. Rhiannons Versuche, das auszuhalten, sich damit zu arrangieren, ihre Zweifel, auch ihr Hin- und Hergerissensein, weil sie sich Justin gegenüber auch dankbar und verbunden fühlt, auch wenn sie weiß, dass er viel um sich selbst kreist und nicht wirklich ein Traumpartner ist – diese Dinge rückt „Letztendlich geht es nur um dich“ mehr in den Vordergrund.
So ganz glaubwürdig finde ich Rhiannon als Mädchen in manchem allerdings nicht dargestellt. Die fragwürdigste Stelle betrifft die schon oben erwähnte Situation, wo Rhiannon A bei dem depressiven Mädchen zur Hilfe eilt: Hier wird mal eben kurz auf einer Seite geschildert, dass Rhiannon ohne Justin wohl genauso lebensmüde und perspektivenlos gewesen wäre. Und das nimmt man der Figur nun wirklich nicht ab: Rhiannon hatte vor Justin Freunde, die sie wegen ihm vernachlässigt hat, während das depressive Mädchen niemanden zu haben scheint. Und auch sonst passen Depressivität und Selbstmordgedanken einfach nicht zu Rhiannons Figur. Es gab ein paar solcher kleiner Stellen, wo ich fand, dass David Levithan sich nicht so richtig in seine Hauptfigur hineingefühlt hat.
Fazit:
3 von 5 Punkten. Trotz meiner Kritikpunkte und Bedenken: Wer „Letztendlich sind wir dem Universum egal“ gelesen und geliebt hat, der wird auch zu „Letztendlich geht es nur um dich“ greifen – ein Schelm, wer vermutet, dass das auch ein Teil des Antriebs gewesen sein könnte, die Geschichte noch einmal aus anderer Perspektive zu erzählen. Der Folgeband ist jedenfalls das deutlich schwächere der beiden Bücher. Das liegt vor allem daran, dass hier das große „Ooh“ für die einzigartige Idee mit der Seelenwanderung ausbleibt – und dadurch wird deutlich, dass David Levithan jenseits dieser Idee eben doch nur mit Wasser kocht und seine Bücher kleine Schwächen haben (das gilt auch für Band 1 mit seiner übertriebenen Seelenfänger-Geschichte).
„Letztendlich geht es nur um dich“ ist in manchem ein braves, fast etwas kitschiges Buch (auch das kennt man von anderen Romanen David Levithans durchaus), und die Figuren bleiben alles in allem etwas blass, so dass sie sich nicht richtig lebensecht anfühlen. Es ist letztendlich schön, noch einmal mit dem zweiten Band in das Universum A’s zu tauchen – aber während beim grünen Tee der zweite Aufguss manchem besser als der erste schmeckt, ging es mir zumindest hier nicht so.
(Ulf Cronenberg, 20.09.2016)
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Naja, lieber Ulf, die Story nochmals zu erzählen – wenn auch aus der anderen Perspektive – ist ja schön und gut. Aber dafür drei Punkte? Diese neue Story bringt doch eigentlich nichts. Weder für den Fortgang der Handlung noch für die Entwicklung der Protagonisten oder das Einfühlen in sie.
Ich bin auf den dritten Band gespannt!
Letztendlich sind wir dem Verlag/Autor als LeserIn egal und Hauptsäche es klingelt die Kasse.
liebe Grüße
Walter
Ja, Walter, kann ich verstehen, vielleicht sind das wirklich zu viele Punkte. Ich war wohl zu gnädig … Die Geschichte bringt wirklich nicht gerade viel Neues zutage.
Viele Grüße, Ulf
Ich fühle mich veräppelt! Die Gefühlslage von Rhiannon wurde im 1. Buch klar genug!!!
Der Verlag ist sowieso schon längst in meiner Achtung gesunken, jetzt ist der Verlag im Keller gelandet (und hat den Buchautor Levithan gleich mitgenommen). Schade eigentlich – letztendlich hat bei beiden die Gier gewonnen.
Oh, ich habe den „2. Teil“ erst kürzlich in der Buchhandlung entdeckt, und da mich „Letztendlich sind wir dem Universum egal“ sehr begeistert hat, will ich ihn auch nach dieser Kritik gern lesen.
Letztendlich bin ich mit 14 Jahren ja auch die eigentliche Zielgruppe. Und mal sehen, ob ich auch so streng bin. Mir fällt das oft auf, wenn meine Mami sich an meinen Büchern „vergreift“ und am Ende dann nicht so begeistert ist wie ich.
Aber Geld verdienen wollen Verlage&Co. wohl ganz sicher, das dürfte aber eigentlich nicht neu sein. 😉
LG von Charli
Charli, dann schreib doch hier mal, wie dir das Buch gefallen hat, wenn du damit fertig bist. Würde mich freuen und interessieren.
Viele Grüße, Ulf