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Buchbesprechung: Marian de Smet „French Summer“

Cover: Marian De Smet "French Summer"Lesealter 14+(Gerstenberg-Verlag 2016, 192 Seiten)

Roadmovies – das ist ein Film- und Jugendbuch-Genre, das es mir angetan hat. Es hat etwas, wenn Protagonisten alles stehen und liegen lassen und ins Unbekannte aufbrechen. Faszinieren mich Roadmovies, weil ich das selbst manchmal gerne machen würde, aber weit davon entfernt bin, mich das zu trauen? Den Film-Klassiker „Thelma und Louise“ von Ridley Scott, den Roadmovie schlechthin, sollte man kennen – ich habe ihn vor einem guten Jahr angeschaut, und er ist nach wie vor nicht verstaubt, obwohl er schon 25 Jahre auf dem Buckel hat. „French Summer“ von der Belgierin Marian de Smet verspricht im frechen Untertitel „A fucking great road trip“ jedenfalls, eine Roadmovie-Geschichte zu erzählen.

Inhalt:

Nach Paris will Eppo, und Tabby hält mit ihrem alten roten Golf an, um ihn für ein kleines Stück mitzunehmen. Als Eppo fragt, welches Ziel Tabby habe, sagt sie nicht viel, außer dass sie weit weg will, nach Frankreich … Etwas irritiert ist Eppo von Tabby, die pausenlos redet und eine Zigarette nach der anderen raucht. Er dagegen ist schweigsam, will seine Ruhe haben.

Ein seltsames Paar sind die beiden. Obwohl Tabby Eppo nur eine kleine Etappe mitnehmen wollte, die beiden bleiben doch länger zusammen unterwegs. Allerdings gibt es dabei so einige Krisen. Eppo will vor allem nicht nach seinem bisherigen Leben gefragt werden, und auch Tabby rückt nicht damit heraus, warum sie eigentlich unterwegs ist. Mehrmals steigt Eppo aus dem Auto, beleidigt und gekränkt … Nach einiger Zeit geht es dann doch immer zusammen weiter.

Erst nach und nach finden Tabby und Eppo heraus, dass sie für ihre Reise ein ziemlich ähnliches Motiv haben. Sie wollen etwas Tragisches, das vor der Reise passiert ist, vergessen. Doch es dauert lange, bis die beiden erfahren, was beim jeweils anderen wirklich geschehen ist.

Bewertung:

Ein ziemlich schräges Paar ist die wichtigste Zutat für einen Roadmovie zu zweit – das hat Marian de Smet ganz klar erkannt. Tabby ist alles andere als ein gewöhnliches Mädchen: verquasselt, manchmal ruppig und nicht unbedingt in allem empathisch. Eppo dagegen ist verschlossen: Er hat wenig zu sagen, will auf die Fragen Tabbys nicht antworten, sondern lieber still leiden. Marian de Smet macht das mit den Figuren in „French Summer“ (Übersetzung: Andrea Kluitmann; Originaltitel „Rotmoevie“ – übrigens ein Wortspiel, das auf Roadmovie anspielt und übersetzt so viel wie „bescheuerter Film“ bedeutet) schon ganz richtig.

Erzählt wird im Buch von Eppo, und er berichtet abwechselnd einerseits von seiner Reise mit Tabby, er blickt andererseits zurück auf eine Person, die ihm viel bedeutet hat, die aber tot ist (das darf man gerade noch verraten, weil es recht früh im Buch benannt wird). Kurz vor der Reise gestorben ist Maarten, ein schwererziehbarer und schwieriger Junge, den Eppos Eltern vor einigen Jahren immer an den Wochenende aufgenommen haben. Maarten war für Eppo immer der Bruder, den er sich als Einzelkind gewünscht hat …

Während man vom Ich-Erzähler Eppo so also relativ viel mitkriegt, hält man bei Tabby nur Schritt mit dem, was Eppo von ihr erzählt bekommt. Geschickt ist das gemacht, und die Rückblicke von Eppo auf seine Erlebnisse mit Maarten sind meistens mit aktuellen Erlebnissen auf der Reise mit Tabby verknüpft. Da sieht oder erlebt Eppo etwas, und schon wird er an eine Episode mit Maarten erinnert … Häppchen für Häppchen erfährt man so die Hintergründe, was bei Eppo los ist und warum er von zu Hause geflohen ist. Bei Tabby dagegen tappt man sehr lange im Dunkeln, warum sie abgehauen ist: Man ahnt, dass es um eine Beziehung geht, und erst 40 Seiten vor dem Ende bekommt man dann auf einmal präsentiert, was genau geschehen ist. Ein kleiner Paukenschlag, der gut inszeniert ist, weil er so unerwartet kommt.

Was mich an „French Summer“ ein bisschen gestört hat, war, dass es ab und zu die Unbeschwertheit guter Roadmovie-Bücher verliert. So witzig und schräg die Dialoge zwischen Tabby und Eppo sowie ihre Erlebnisse sind, die Rückblicke Eppos sind mir zu sehr wie in ein Problembuch erzählt. Marian de Smet halst Eppo ein bisschen zu viele Verstrickungen auf. Das klingt etwas vage – aber ich will hier nicht „spoilern“ und potenziellen Lesern des Buchs zu viel verraten.

Ansonsten ist „French Summer“ jedoch ein erfrischendes Buch, das man sich sehr gut verfilmt vorstellen kann – allerdings würde ich mir dann wünschen, dass Eppos Vorgeschichte ein bisschen zurückgestellt wird. Die Rückblicke Eppos – das kommt im letzten Absatz vielleicht nicht so rüber – sind schon auch gelungen, weil sie episodenhaft und literarisch gekonnt die Bedeutung Maartens für Eppo beschreiben und gut in das Buch integriert sind. Aber sie nehmen dem Buch hier und da ein bisschen zu viel der Unbeschwertheit, die gute Roadmovie-Romane und -Filme ausmachen.

Fazit:

4-einhalb von 5 Punkten. „French Summer“ ist ein Roadmovie-Buch das viele Qualitäten hat – dazu zählen vor allem die Gespräche zwischen Tabby und Eppo, die die richtige Mischung aus Ernst und Witz haben. Das funktioniert vor allem, weil in dem roten Golf zwei sehr ungleiche Personen sitzen – ein typisches Roadmovie-Konzept. Jedoch hat „French Summer“, finde ich, einen Tick zu viele Problembuch-Anteile – die Beziehung zwischen Eppo und Maarten hätte etwas weniger dramatisch inszeniert werden können.

Damit kommt Marian de Smets neuer Jugendroman nicht ganz an meine Roadmovie-Favoriten heran, die da „Tschick“ von Wolfgang Herrndorf und „Landeplatz der Engel“ von Frank Maria Reifenberg sind. Beide Bücher integrieren meiner Meinung nach ein wenig unauffälliger und geschickter die problematischen Erfahrungen, die für den Aufbruch ins Ungewisse Anlass sind. Aber auch wenn „French Summer“ mit etwas mehr Unbeschwertheit noch besser gewesen wäre, ein empfehlenswertes Buch ist Marian de Smet trotzdem gelungen.

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(Ulf Cronenberg, 15.05.2016)


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