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Buchbesprechung: David Klass „Siegen kann tödlich sein“

Cover: David Klass "Siegen kann tödlich sein"Lesealter 13+(Verlag Freies Geistesleben 2015, 232 Seiten)

David Klass war früher einer meiner Lieblings-Jugendbuchautoren – doch dann hatte er sich mit „Feuerquell“ etwas mehr dem Mainstream gewidmet, und ich habe ihn dann aus dem Augen verloren. Eher durch Zufall habe ich vor ein paar Wochen mitbekommen, dass David Klass ein neues Buch veröffentlicht hat, und Cover, Titel und Inhaltsbeschreibung klangen interessant, auch wenn ich selbst kein Schachspieler bin. Eine gute Gelegenheit jedenfalls, einem altbekannten Autor mal wieder zu begegnen …

Inhalt:

Daniel hat an seiner Schule nicht gerade viele Freunde und wird vor allem von den Größeren oft blöd angeredet. Ein beliebter Schimpfname, mit dem er immer wieder konfrontiert wird, ist „Patzer-Arsch“ – das spielt einerseits auf seinen Nachnamen Pratzer an, andererseits auf sein Hobby Schachspiel, wo man sich mit einem Patzer um den Sieg bringt. Auch wenn Daniel gerne Schach spielt und in der Schulmannschaft trainiert: Ein übermäßig guter Spieler ist Daniel nicht.

Umso überraschter ist er, als Eric und Brad, zwei der Stars an der Schule, denen alles gelingt, ihn ansprechen, ob sie drei nicht mit ihren Vätern als Team bei einem Vater-Sohn-Schachturnier teilnehmen sollen. Daniel fragt sich, was dahinter steht, zumal er seinen Vater noch nie Schach spielen gesehen hat. Eric und Brad behaupten jedoch, dass Daniels Vater früher Schach-Großmeister war, wovon Daniel nichts weiß.

So erfährt Daniel von einem gut gehüteten Geheimnis seines Vaters: In seiner Jugend war Morris Pratzer in der Tat ein herausragender Schachspieler, der dann jedoch von einem Tag auf den anderen mit dem Spielen aufgehört und seitdem kein Schachbrett mehr berührt hat. Eigentlich will Daniels Vater nicht wieder damit anfangen, aber um seinen Sohn einen Gefallen zu tun, lässt er sich auf das Turnier ein. Doch schon am Abend vorher passiert Seltsames: Morris Pratzer geistert nachts durch die Wohnung und kommt nicht zur Ruhe. Daniel ahnt, dass es etwas mit dem Schachspielen zu tun hat.

Bewertung:

Eine packende Vater-Sohn-Geschichte, bei der ein Junge mit der unbekannten Vergangenheit seines Vaters konfrontiert wird, erzählt „Siegen kann tödlich sein“ (Übersetzung: Dieter Fuchs). Daniels Vater ist Steuerberater, arbeitet zu viel und hat wenig Zeit für seinen Sohn hat, und so stehen sich Vater und Sohn auch nicht sonderlich nahe. Erst durch das unvorhergesehene Schachturnier ändert sich hier einiges.

Als Daniel seinen Vater am Schachbrett sieht, merkt er nicht nur sofort, dass Eric und Brad recht damit hatten, dass sein Vater ein Schach-Großmeister war, sondern er bekommt auch bald mit, dass Morris Pratzer, auch wenn er nach mehr als zwei Jahrzehnten zum ersten Mal wieder am Schachbrett sitzt, ein Schach-Besessener war und ist. Schon vor dem Turnier kann Daniels Vater nichts mehr essen, übergibt sich auf der Toilette und kann nicht schlafen, und während des Spiels fängt er immer wieder zu zittern an.

Daniel ist das unheimlich, aber er ist auch stolz auf seinen Vater, als dieser die erste Partie mit genialen Zügen gewinnt. Warum sein Vater das Schachbrett in jungen Jahren plötzlich nicht mehr angerührt hat, das erfährt Daniel erst im Laufe des Buchs. Jedenfalls hatte Morris Pratzer gute Gründe dafür – mehr sei aber nicht verraten.

„Siegen kann tödlich sein“ ist ein richtig spannendes Buch – und ich habe schon längere Zeit keinen Jugendroman mehr in den Händen gehabt, bei dem ich versucht habe, jede freie Minute weiterzulesen. Das liegt vor allem daran, dass David Klass seinem Buch geschickt eine gedoppelte Dramaturgie verpasst hat. Man will wissen, wie das Schachturnier ausgeht, man will aber auch wissen, welches Geheimnis Daniels Vater mit sich herumschleppt. Hinzu kommen kleinere Nebenhandlungen, die ebenfalls für Spannung sorgen: Daniel lernt bei der ersten Partie ein Mädchen kennen, gegen das er zwar verliert, zu dem er sich jedoch hingezogen fühlt und das ihm wiederbegegnet. Außerdem kracht es zwischen Daniels Vater und Erics und Brads Vätern, beide ziemlich arrogante und erfolgreiche Männer, bald ziemlich.

Natürlich musste ich bei „Siegen kann tödlich sein“ immer wieder an Stefan Zweigs „Schachnovelle“ denken. Ein klein wenig hat sich David Klass sicher bei der bekannten Novelle auch hier und da bedient. Gestört hat mich das allerdings nicht. Im Gegenteil: Ich mochte die „Schachnovelle“ schon immer, und es hat mich gefreut, dass es nun ein modernes Jugendbuch gibt, das ein ähnliches Thema aufgreift.

Der Roman läuft übrigens auf einen Endkampf hinaus – und hier geht es ganz schön zur Sache. Denn George Liszt und Daniels Vater kennen sich bereits aus Morris Platzers Schachzeiten. Schon damals waren sie Kontrahenten, und nun treffen sie wieder aufeinander. (Ich habe lange gerätselt, warum der Endgegner von Morris Platzer George Liszt heißt, denn ich hatte das Gefühl, dass der Namen nicht zufällig gewählt wurde. Aber außer, dass Stefan Zweig und George Liszt beide jüdisch-deutsche Namen mit gleich vielen Buchstaben sind, ist mir nichts eingefallen.)

Es gibt zwei Bedenken, die man David Klass‘ Jugendroman entgegenhalten kann: Zum einen ist das Szenario, dass Morris Pratzer vom erfolgreichen Schachspieler zum unbekannten Steuerberater wird, nicht gerade eine Geschichte, wie sie das wirkliche Leben schreibt … Zum anderen mag einen auch der etwas reißerische Titel (im Original heißt der Roman schlicht „Grandmaster“), der einen in Richtung Thriller lenken soll, aufstoßen. Aber letztendlich sind das beides Kleinigkeit, die nichts daran ändern, dass „Siegen kann tödlich sein“ ein ganz besonderer Jugendroman ist.

Fazit:

5 von 5 Punkten. Schon nach 20 Seiten hatte ich das Gefühl, dass in „Siegen kann tödlich sein“ der alte David Klass zurückgekommen ist, dessen Bücher ich früher so geschätzt habe. Der Roman ist packend von Anfang bis zum Ende, denn es geht um Familiengeheimnisse, es prallen unterschiedliche Lebenswelten und Menschen aufeinander, und der Plot mit seinen verschränkten Ebenen ist gekonnt aufgebaut. Außerdem hat das Buch mit Daniel eine sympathische Hauptfigur.

Auch wenn man es vermuten mag: „Siegen kann tödlich sein“ ist definitiv nicht nur ein Buch für Schachfans, sondern ein Buch für alle Leser, die auf psychologische Spannung stehen – genau die bietet David Klass mit seinem neuen Roman bravourös. Es ist außerdem ein Buch – eines der Haupt-Topoi der Jugendliteratur –, das eine Geschichte erzählt, in der ein eher unsicherer Junge einen Schritt in Richtung Selbstsicherheit und Erwachsenwerden macht und etwas über das Leben lernt.

In Amerika ist bereits David Klass‘ nächster Jugendroman „Losers Take All“ veröffentlicht worden. Vielleicht erscheint das Buch ja auch auf Deutsch, und da es um Fußball geht, wäre es ja eventuell etwas für das Jahr der Fußball-EM … In jedem Fall würde ich nach „Siegen kann tödlich sein“ sehr gerne weiter die Bücher von David Klass im Auge behalten.

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(Ulf Cronenberg, 25.02.2016)

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Kommentar (1)

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