Die Frankfurter Buchmesse ist inzwischen fester Bestandteil meines Terminkalenders im Oktober jeden Jahres, und der Fixpunkt ist dabei die Verleihung des Deutschen Jugendliteraturpreises, die immer am späten Nachmittag des Buchmesse-Freitags (diesmal um 17.30 Uhr) im Congress Center der Messe Frankfurt stattfindet. Gut vorbereitet bin ich gestern zur Verleihung gegangen – zumindest, was den Bereich der Jugendbücher angeht –, denn ich habe alle sechs von der Kritikerjury nominierten Titel gelesen und hier besprochen.
Überraschen konnte mich im Bereich Jugendbuch jedenfalls nichts … Ich hatte meinen Sympathie-Favoriten, ich hatte eine Vorstellung davon, was die Kritikerjury als Jugendbuch auswählen könnte … Aber dazu später mehr.
Durch den Abend führte auch in diesem Jahr Vivian Perkovic, die im letzten Jahr ihr noch in manchem ausbaufähiges Moderationsdebüt bei der Preisverleihung (hier der Bericht zur letztjährigen Veranstaltung) hatte. Insgesamt war Vivian Perkovic‘ Moderation diesmal wohltuend: Ihre Fragen an die Autorinnen und Autoren waren gut überlegt, die Übergangsmoderationen wirkten locker, ohne banal zu sein.
Neben Vivian Perkovic stand diesmal vor allem Dr. Ralf Kleindiek (Staatssekretär im Beundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend), in Vertretung der schwangeren Ministerin Manuela Schwesig, mit auf der Bühne. Sein Auftritt war vergleichsweise sympathisch, auch wenn seine Fragen an die Preisträger/innen, mit denen er Vivian Perkovic assistierte, manchmal etwas unbeholfen wirkten.Bilder- und Kinderbuch
Nach den Grußwort-Präliminarien ging es dann zur Hauptsache: der Bekanntgabe der Preisträger. Zunächst wurden die Sieger in den Sparten Bilderbuch und Kinderbuch bekannt gegeben: Im Bilderbuch holte den Titel der Amerikaner David Wiesner für das von ihm verfasste und illustrierte Bilderbuch „Herr Schnuffels“ (Aladin-Verlag) – eine weitaus fulminantere Geschichte, als Cover und Titel vermuten lassen: Kater Herr Schnuffels macht mit Außerirdischen, die im Wohnzimmer landen, Bekanntschaft.
Auch der Preis für das beste Kinderbuch ging nach Amerika: Pam Muñoz Ryan, eine Amerikanerin mit mexikanischen Vorfahren, Peter Sís als Illustrator und Anne Braun als Übersetzerin wurden für „Der Träumer“ (Aladin Verlag), eine Nacherzählung der Kindheit des Dichters Pablo Neruda, ausgezeichnet.
Jugendbuch
Nach einer musikalischen Pause mit dem Duo Matria (Matthias Schriefl und Tamara Lukasheva) kam für mich der spannendste Teil des Abends. Welches Buch würde in der Sparte Jugendbuch gewinnen? Mein Sympathie-Favorit war Christoph Wortbergs „Der Ernst des Lebens macht auch keinen Spaß“, dem ich aber keine Chancen einräumte. Stattdessen glaubte ich, dass ein anderes Buch von der Kritikerjury ausgewählt werden würde – und so war es dann auch: In der Sparte Jugendbuch heißt das Preisbuch in diesem Jahr „Schneeriese“ von Susan Kreller (Carlsen-Verlag). Irgendwie ist das schon verdient, weil Susan Kreller eine große literarische Sprachkraft besitzt, auch wenn ich dennoch finde, dass der ausgezeichnete Roman im Aufbau seine Bruchstellen hat.
Sachbuch
Bevor die Jugendjury auftrat, wurde schließlich das beste Sachbuch prämiert: Der Preis wurde an Christina Röckls (Text, Illustration) Grenzgänger-Buch „Und dann platzt der Kopf“ (Kunstanstifter-Verlag) vergeben. Die Autorin wunderte sich auf der Bühne selbst, ihr Buch bei den Sachbüchern wiederzufinden und tat kund, dass sie ihre Schwierigkeiten mit Kategorisierungen habe. Das künstlerisch beeindruckende Buch versucht sich mit Illustrationen und sparsamen Texten der Frage anzunähern, was die Seele des Menschen ausmacht — eine philosophisch motivierte Umsetzung in Buchform, die zum Diskutieren und Nachdenken einlädt.
Preis der Jugendjury und Sonderpreis für Illustration
Wie jedes Jahr stellte die Jugendjury ihre sechs nominierten Titel in kurzen Sketchen dar. Das gelang diesmal unterhaltsamer als die letzten Jahre. Bunte Tücher, die auf ganz unterschiedliche Weise (als Rock, als Mauer, als Versteck) Verwendung fanden, verbanden die einzelnen Präsentationen der Bücher. Dass der Preis der Jugendjury an David Levithans „Letztendlich sind wir dem Universum egal“ (Fischer FJB), übersetzt von Martina Tichy, ging, war keine große Überraschung – das ist einfach ein typisches Jugendjury-Buch.
Abschließend wurde in diesem Jahr noch der Sonderpreis Illustration verliehen, und zwar an Sabine Friedrichson. Das kam wohl für alle Anwesenden unerwartet, weil Sabine Friedrichson in den letzten Jahren eher wenig in Erscheinung getreten war. Andreas Platthaus begründete die Wahl in seiner Laudatio, der meiner Meinung nach besten, weil mit Spannkraft vorgetragenen Rede des Abends, jedoch schlüssig.
Fazit
Fassen wir zusammen: Es war kein Abend großer Überraschungen, zumindest für mich, der seinen Fokus im Bereich der Jugendbücher liegen hat. Dazu passten die im Interview vorgetragenen Begründungen für die Auswahl der Bücher durch die Kritikerjury, die deren neue Vorsitzende Birgit Müller-Bardorff vortrug: knapp, eher geschmeidig als sperrig und pointiert (Letzteres wäre mir lieber gewesen). Es war alles in allem kein Abend der Aufreger – und das war immerhin wohltuend; denn in den letzten Jahren wurden bei der Verleihung auf der Bühne manchmal Dinge gesagt, die mir negativ aufgestoßen waren.
Dass nach nunmehr fast 10 Jahren ein wenig die Luft aus dem nur bei den Personen geänderten Veranstaltungsformat raus ist, mag vielleicht nicht nur mir so gehen … Wie wäre es mal mit einem Relaunch?
Ulf Cronenberg (17.10.2015)
Weitere Informationen zum Preis und zu den Preisträger findet man auf der Webseite des Arbeitskreis für Jugendliteratur.
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