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Buchbesprechung: Holly-Jane Rahlens „Blätterrauschen“

rahlens_blaetterrauschenLesealter 11+(rowohlt rotfuchs 2015, 315 Seiten)

Everlasting“ hieß der vor ca. drei Jahren erschienene Zukunftsroman der in Berlin lebenden Amerikanerin Holly-Jane Rahlens – ein sehr unterhaltsames Buch, eher für ältere Jugendiche. Mit „Blätterrauschen“ gibt es nun einen Abenteuerroman, der ebenfalls in der Zukunft spielt und in manchem ein ähnliches Szenario wie in „Everlasting“ hat, jedoch für eine jüngere Zielgruppe geschrieben ist. Auch hier geht es um eine Zeitreise, diesmal aber von drei Kindern.

Inhalt:

Oliver, Rosa und Iris treffen sich im Hinterzimmer des Buchladens „Blätterrauschen“, um ihren Leseclub abzuhalten, während Cornelia die Buchhändlerin noch vorne im Laden zu tun hat. Doch irgendwas stimmt nicht, den Kindern läuft ein Schauer über den Rücken. Ein Sturm zieht auf, die drei Kinder hören jedoch weder das Rauschen der Blätter von draußen noch das Ticken der Uhr, außerdem wird es im Raum plötzlich kälter. Kurz darauf klopft es an der Hintertür, und davor steht ein seltsamer Junge, der die Drei auf Englisch anspricht.

Colin, wie sich der Junge nennt, spricht jedoch auch Deutsch, wenn auch mit einem gewöhnungsbedürftigen Akzent, und behauptet Eigenartiges: Er sei in einem Computerspiel und werde verfolgt. Rosa, Iris und Oliver können ihn davon überzeugen, dass sie nicht zu einem Spiel gehören, sind aber auch von der zweiten Vermutung Colins, dass er wohl in der Vergangenheit gelandet ist, nicht überzeugt. Als sie jedoch mitbekommen, dass Colin wirklich verfolgt wird, ziehen sie sich mit ihm in den Schuppen im Hof zurück. Um den Verfolgern zu entkommen, reisen sie schließlich mit Hilfe von Cornelia, die – wie sie erfahren – auch eine Zeitreisende ist, in die Zukunft: nämlich ins Jahr 2273.

Eine seltsame Welt ist das. Colin gehört einer Gruppe von Menschen, den sogenannten Forestern, an, die im Wald leben – anders als die Urbanites, die hochtechnisiert in Städten wohnen. Doch je mehr Oliver & Co. über die Welt im Jahr 2273 erfahren, desto wenig scheinen sie zu verstehen: Die Drei werden medizinisch versorgt, damit sie den Zeitsprung verkraften, doch sie haben eher das Gefühl, gefangen gehalten zu werden. Sie versuchen herauszufinden, was passiert ist, und stolpern in ein gefährliches Abenteuer …

Bewertung:

Wer „Everlasting“ gelesen hat, dem kommt im Szenario von „Blätterrauschen“ (Übersetzung: Ulrike Wasel und Klaus Timmermann) einiges bekannt vor. „Everlasting“ spielt im Jahr 2264, also neun Jahre früher, aber in beiden Büchern sind einige Hintergründe die gleichen: Die Menschheit hat eine große Katastrophe, den sogenannten Dark Winter, hinter sich, das Wort „Ich“ ist verpönt und wird dadurch ersetzt, dass die Menschen von sich in der dritten Person reden, etc. Das mag ein wenig nach Aufguss einer alten Idee klingen, aber da die Zielgruppen der beiden Romane unterschiedlich sind, geht das in Ordnung.

„Blätterrauschen“ ist ein humorvoller Abenteuerroman, der allein durch die Zeitreise-Idee vielen Lesern gefallen dürfte. Zeitreisen sind schließlich ein beliebtes Thema, das auf viele Leser eine große Faszination ausübt. Wer würde nicht gerne in die Zukunft schauen und da probeweise einmal reinspringen? Oder in die Vergangenheit? Ich zumindest schon …

Einen wissenschaftlich exakten Science-Fiction-Roman darf man bei „Blätterrauschen“ nicht erwarten – aber das ist auch nicht das Ansinnen des Buchs, das jugendliche Leser mit einem Abenteuer unterhalten will. Die Zukunftsvision, wie das Leben in gut 250 Jahren aussehen könnte, bleibt in vielem eher blass, man bekommt am Rande ein bisschen was von neuer Technik mit, auch von der Gesellschaft, die in zwei große Gruppen, die Forester und die Urbanites, gespalten ist.

Für mich sind es die kleinen Anspielungen, die „Blätterrauschen“ wie schon „Everlasting“ ausmachen. Die Türen ohne Griff werden mit einer Wischgeste geöffnet, und das nennt sich „jobsen“ – man kann sich denken, woher der Begriff kommt; Rosas, Olivers und Iris‘ Übersetzer stellt ihnen Fragen zur Vergangenheit, weil man sich bestimmte Begriffe von früher wie „Pilzköpfe“ nicht erklären könne … Das sind alles humorvolle Ideen, von denen vielleicht die ein oder andere nicht von 11- oder 12-jährigen Lesern verstanden werden dürfte. Aber schmunzeln muss man in dem Buch jedenfalls immer wieder …

Das Abenteuer an sich ist durchaus gelungen: Wie sich das für ein Abenteuerbuch gehört, kennt die Story unvorhergesehene Wendungen, in die Oliver und die zwei Mädchen immer wieder hineinstolpern und die ihr Ziel, wieder in ihr altes Leben zurückzukehren, gefährden. Und auch die jugendlichen Protagonisten sind gut gezeichnet: Oliver ist nicht immer der hellste, während Iris ein wandelndes Lexikon ist: eine Klugscheißerin und etwas pummelig, wie man sich das klischeehaft vorstellt. Rosa dagegen, die wegen eines Unfalls eine Armprothese hat, ist sympathisch, streitet sich aber auch häufig mit Iris. Die Charaktere sind hier und da etwas überstilisiert – aber damit die Geschichte in Gang gehalten wird, ist das erlaubt. Etwas zu holzschnittartig ist für meinen Geschmack dagegen die ein oder andere erwachsene Figur in dem Buch – das gilt vor allem für Mo und ihre beiden Kumpanen, die als Bodyguards eher unterbelichtet dargestellt werden und in einem auf Dauer fast etwas nervigen Kaudelwelsch-Deutsch reden.

Fazit:

4-einhalb von 5 Punkten. „Blätterrauschen“ ist ein gelungener Abenteuerroman, der Jungen wie Mädchen in einem Alter von 10 bis 12 Jahren gut gefallen dürfte. Das sind auch Leser, die „Everlasting“, das für Leser ab 15 Jahren geschrieben ist, nicht kennen und die sich von daher nicht an der Doppelverwertung der ein oder anderen Idee stören dürften. Das Abenteuer in „Blätterrauschen“ ist jedenfalls spannend und nicht vorhersehbar, es hat mir wegen der ein oder anderen skurrilen Idee gefallen. Oliver, Rosa und Iris sind zwar etwas übertriebene ausgestaltete Charaktere, doch da Holly-Jane Rahlens‘ Kinderroman insgesamt darauf beruht, Witz durch Überzeichnung zu generieren, stört das nicht weiter.

Mir persönlich hat ein bisschen (wie bei „Everlasting“) das Wow-Gefühl beim Lesen gefehlt – aber das liegt eben daran, dass in „Blätterrauschen“ nicht alles ganz neu ist. Jugendliche Leser ab 11 oder 12 Jahren sollte das aber nicht daran hindern, den unterhaltsamen Kinderroman zu lesen.

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(Ulf Cronenberg, 10.07.2015)

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Kommentar (1)

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