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Buchbesprechung: Kevin Brooks „Travis Delaney – Was geschah um 16:08?“

brooks_travis_1Lesealter 12+(dtv 2015, 319 Seiten)

Kevin Brooks ist nach wie vor einer meiner Favoriten, wenn es um Jugendbücher geht. Kaum jemand schreibt so eindrücklich wie temporeich und spannend, auch wenn dabei den Lesern immer einiges zugemutet wird. Schon seit ein paar Jahren versucht sich der britische Autor in anderen Metiers: Die Erwachsenen-Krimis um John Craine sind inzwischen bei Band 3 angelangt (Band 1 und Band 2 sind hier besprochen), nun kommt eine neue Reihe hinzu, bei der ein jugendlicher Detektiv ermittelt. Der 13-jährige Travis Delaney tritt in „Was geschah um 16:08?“ erstmals in Erscheinung und hat es gleich mit einem sehr persönlichem Fall zu tun.

Inhalt:

Travis‘ Eltern haben beide als Privatdetektive gearbeitet – doch bei einer Autofahrt nach London sind sie vor Kurzem ums Leben gekommen. Travis lebt seitdem bei seinen Großeltern. Laut Polizeiaussagen gibt es keinen Grund, bei dem Autounfall von einem Fremdverschulden auszugehen – dennoch wundert Travis sich, dass seine Eltern – beide sichere Autofahrer – einen so schwerwiegenden Unfall hatten. Travis kann gar nicht anders, als Nachforschungen anzustellen, was passiert ist – er kann nicht an einen ganz normalen Autounfall glauben. So will er herausfinden, woran seine Eltern als Letztes gearbeitet haben.

Schon bald stößt Travis auf einige Ungereimtheiten. Zunächst einmal überrascht es ihn, dass auf der Beerdigung ein Mann, den niemand kennt, anwesend ist. In dessen Knopfloch hat Travis außerdem etwas blitzen sehen, und er ist sich ziemlich sicher, dass der fremde Mann die Beerdigung mit einer Knopflochkamera gefilmt hat. Doch warum?

Seine Eltern haben zuletzt den Fall eines verschwundenen Boxers mit islamischem Hintergrund bearbeitet – doch als Travis, um mehr über den Fall zu erfahren, in das Büro seiner Eltern kommt, findet er dort alles verwüstet vor. Das mag mit den Straßenunruhen kurz zuvor zusammenhängen, bei denen viele Geschäfte in der Gegend überfallen wurden – aber Travis hat den Eindruck, dass mehr dahinter steckt. Im Geheimversteck seines Vaters findet er ein seltsames Foto mit drei Männern – einer davon ist der Mann, der auf der Beerdigung war. Die auf das Foto gekritzelten Abkürzungen weiß Travis nicht so recht zu deuten.

Travis forscht weiter, auch wenn er langsam Angst bekommt, dass hinter all dem etwas Größeres, in das mehrere Geheimdienste involviert sind, steht. Seinen Großvater, der früher die Kanzlei seiner Eltern geführt hat, traut er sich anfangs nicht einzuweihen, weil dieser seit dem Tod seines Sohnes und dessen Frau mit Depressionen zu kämpfen hat.

Bewertung:

Es ist ein ziemlich actionreich angelegtes Szenario, in das einen Kevin Brooks im ersten Band der Travis-Delaney-Reihe (Übersetzung: Uwe-Michael Gutzschhahn) gleich von Beginn an stolpern lässt. Aber dafür ist Kevin Brooks ja auch bekannt, und es ist gut, dass er im Vergleich zu den Jugendromanen nicht allzu viel Zugeständnisse an den jüngeren Leserkreis macht. Da stört es auch nicht, dass das Szenario schon etwas weit hergeholt ist: Ein 13-jähriger Junge verliert seine als Detektiv arbeitenden Eltern und fängt so an, selbst zu einem Ermittler zu werden.

Travis ist jedenfalls ganz schön tough. Er will es wissen, und er lässt sich im Laufe des Buchs auch von kaum jemanden einschüchtern, auch wenn er angesichts der zunehmenden Gefährlichkeit seiner Recherchen hier und da zögert. Kevin Brooks bedient in seinem Buch die Phantasien 13- oder 14-jähriger Leser, die davon träumen, Spannendes zu erleben. Klar, da hat jemand auf ein Publikum hingeschrieben – und das sind eher Jungen als Mädchen –, aber das ist ja auch in Ordnung.

Spannend ist „Travis Delaney – Was geschah um 16:08?“ in jedem Fall, und bald sind es nicht nur harmlose Ermittlungen, in die Travis gerät, sondern er hat es mit nicht nur einem Geheimdienst zu tun. Der Fall des verschollenen Boxers ist etwas, bei dem es um Terrorismus geht (mehr sei nicht verraten) – eigentlich eine Nummer zu groß für einen 13-Jährigen. Immerhin bekommt Travis von der Assistentin seiner Eltern etwas Schützenhilfe, und später unterstützt ihn auch sein Großvater, wobei dieser eigentlich möchte, dass Travis sich aus der Sache raushält.

Was Kevin Brooks wie schon in früheren Büchern sehr gut gelingt, ist, die Gefühle, Gedanken, Ängste und Zweifel seiner Hauptfigur auszuleuchten. Die Bedrängnis, in der Travis steht, kommt gut rüber, und Actionszenen brachte Kevin Brooks ja auch schon immer gekonnt aufs Papier. Langeweile kommt bei dem Buch jedenfalls nicht auf. Wer so unterhalten werden will, kommt auch auf seine Kosten.

Dennoch finde ich persönlich es schade, dass Kevin Brooks in letzter Zeit seinen früheren Weg immer häufiger verlässt. Waren Bücher wie „The Road of the Dead“ oder „Black Rabbit Summer“ Romane, die nicht nur Action geboten, sondern darüber hinaus ethische und zwischenmenschliche Fragen gestellt und behandelt haben, so ist „Travis Delaney – Was geschah um 16:08?“ eben größtenteils nur Unterhaltung. Es geht zum Beispiel leider nur am Rande darum, wie ein 13-Jähriger den Tod seiner Eltern verkraftet – das ist alles nur Grundszenario für den packenden Plot.

Und noch etwas hat mich an dem Jugendroman gestört: Schon in früheren Werken gab es Szenen, wo Kevin Brooks es mit der Action hier und da etwas übertrieben hat. Das ist auch bei „Travis Delaney – Was geschah um 16:08?“ nicht anders. Der Showdown jedenfalls ist ein heftiges Gejage und Gehetze, das ein Tick zu viel vom Zufall getragen wird. Ein bisschen weniger hätte es auch getan.

Fazit:

4 von 5 Punkten. Für Actionleser ab 13 Jahren – und das dürften vor allem Jungen sein – hat Kevin Brooks alles richtig gemacht: „Was geschah um 16:08?“ ist ein temporeiches, spannendes Buch mit einem großen Finale. Travis ist ein waghalsiger und sympathischer Jungdetektiv, der vor fast nichts zurückschreckt und nicht anders kann, als nach einer Ursache für den Unfalltod seiner Eltern zu forschen. Er gerät dabei in einen Strudel von Ereignissen, die ihn eigentlich überfordern, die er nur mit Unterstützung anderer bewältigt.

Und dennoch: Verwöhnt von früheren Jugendromanen Kevin Brooks‘ muss ich sagen, dass mir bei dem Buch eine zweite Ebene gefehlt hat. Hier geht es fast ausschließlich um Action, wenig um anderes – und das bedaure ich. Das wird Lesemuffel, die unterhalten werden wollen, nicht im Geringsten stören – ich hoffe jedoch, dass Kevin Brooks auch weiterhin anspruchsvollere Jugendbücher schreibt.

Gespannt bin ich dennoch auf Band 2 der Travis-Delaney-Reihe, und ich werde das Buch, das im Herbst auf Deutsch erscheinen soll, trotz der Kritikpunkte am ersten Band ganz sicher lesen …

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(Ulf Cronenberg, 25.05.2015)


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